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Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004
Sie weiß, wovon sie schreibt; Irina Ratuschinskaja, 1954 in Odessa geboren,
wurde 1982 wegen "antisowjetischer Agitation und Propaganda" zu sieben Jahren
Arbeitslager verurteilt. Sie hat die Verfolgung innerhalb des Sowjetsystems am
eigenen Leibe erfahren, und so wundert es nicht, daß sie die Stimmung im
Überwachungsstaat auch in ihrem neuesten Roman "Die Kinder von Odessa"
ansprechend vermittelt.
Doch zu Beginn dieses Romans lauert der Feind hinter einer anderen Ecke. Die
kleine Sweta ist elf, als der Krieg 1941 in die kleine Welt ihres Hinterhofs
einbricht. Nach dem Vater wie Mutter von den eigenen Leuten verschleppt worden
sind, muß das Mädchen sich und ihren jüngeren Bruder durchbringen. Anschluß
findet sie bei dem gleichaltrigen Aljoscha, aber auch seine Mutter - der Vater
ist im Krieg - kann die Kinder nicht aufnehmen. Bei einer sich vor den Deutschen
versteckenden Jüdin mit ihren Zwillingen finden die Geschwister in einer Ruine
Unterschlupf. Schnell schweißt die schwere Zeit die Kinder zusammen, macht sie
hart, und Sweta und Aljoscha lernen, auf dem Schwarzmarkt alles nötige zu
besorgen. Als die Deutschen und Rumänen abziehen, kehrt allerdings keineswegs
der Friede ein. Nun sind es wieder die eigenen Leute, die Angst und Schrecken
verbreiten.
Irina Ratuschinskaja beschreibt vor allem den Alltag während der Besetzung sehr
eindringlich. Die alltägliche Not, mit der die Kinder zu kämpfen haben, die
Gefahren, denen sie ausgesetzt sind und ihre Reaktionen darauf sind, sehr
überzeugend geschildert. Auch die Nachkriegszeit unter dem stalinistischen
Terror ist beklemmend, doch der Roman zieht sich gegen Ende, da Ratuschinskaja
aus den Kindern selbst Eltern werden läßt und den Zusammenhalt der inzwischen
Erwachsenen gegen alle Unbillen weiter thematisiert. Das ist durchaus nicht
uninteressant, aber irgendwie schon wieder eine ganz eigene Geschichte für sich.
R. B.
Irina
Ratuschinskaja: "Die Kinder von Odessa",
BLT,
Bergisch Gladbach 2004,
broschiert,
462 Seiten,
9,90 Euro |