19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.11.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. November 2004


Treue wird belohnt / Karrieren in Deutschland
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Diese US-Wahl hat den ganzen Globus durchgeschüttelt. So eine Explosion von Neuigkeiten zu nachtschlafender Zeit geht auf die Kondition. Wir haben uns derart heftig hineingesteigert in diesen US-Wahlkampf, daß zum Schluß sogar unsere Medien glaubten, wir wären selber Amerikaner und sie, die Medien, allesamt Angestellte beim Wahlkampfteam von John Kerry.

Wollen wir hoffen, daß diese kaninchenhafte Fixierung auf die USA nun ein Ende hat. Deutschland ist schließlich auch ein interessantes Land, von dem es spannende Nachrichten zu vermelden gibt. Zum Beispiel die, daß alles halb so wild ist mit der Korruption im Ministerium von Manfred Stolpe. Die paar Millionen, die da versumpft sind, seien "ein relativ erfreuliches Ergebnis", sagt Justus Woydt, der Vertreter der Antikorruptions-Organisation "Transparency International", ihrem Namen nach eine beinharte Aufklärertruppe, die den Politikern nichts durchgehen läßt. Doch lassen wir lieber das dort versammelte Personal für sich sprechen: Woydt beispielsweise war bis 2001 Polizeipräsident im damals rot-grünen Hamburg und dort für sein schnelles Handeln berühmt. Wo immer sich politischer Druck gegen ihn aufzubauen drohte, schmiß er ein paar seiner Beamten ins Feuer und gut war's. Dem Stolpe ist er wie ein Bruder im Geiste: Auch Woydt war nie für irgend etwas verantwortlich. Statt sich an stacheligen Sachfragen blutige Finger zu holen, achtete er lieber auf die Pflege seiner Beziehungen zu den Mächtigen.

Unter Woydt war Hamburg "Hauptstadt des Verbrechens" mit der höchsten Kriminalitätsrate aller deutschen Städte. Dank seiner Geschmeidigkeit und seines beeindruckenden Sitzvermögens konnte ihm das nichts anhaben. Seine besonderen Fähigkeiten halfen ihm jedoch nichts mehr, als der Raufbold Schill neuer Innensenator und damit sein Chef wurde. Schill verlegte sich von der Bekämpfung von Karrierehemmnissen auf die Bekämpfung der Kriminalität. Davon verstand Justus Woydt nun leider gar nichts und mußte gehen.

Jetzt wissen wir, wohin. Es ist beruhigend, daß Kapazitäten vom seinem Schlage in unserem Land stets eine neue Verwendung finden. Ja, in dieser Zeit der "Ellenbogengesellschaft" gibt es sie noch, die Ruhezonen echter Freundschaft und immerwährender Loyalität. Angemessenes Ruhegeld inbegriffen. Bei "Transparency International" sitzen übrigens mit Anke Martiny und Dieter Biallas gleich zwei ehemalige SPD-Senatoren aus Berlin und Hamburg im Vorstand, die in Woydt gewiß sofort "ihren Mann" entdeckt haben.

Als "außerordentlich positives Zeichen" wertete "Transparency"-Fahnder Woydt, daß Stolpes Ministerium sogar selbst bei der Aufklärung mitmacht. Ja, isses denn! Der lange Arm des Gesetzes reicht jetzt schon bis hinein in unsere Ministerien! Viel wird aber wohl nicht zutage treten. Manfred Stolpe ließ bereits wissen, daß keine "sehr großen Schäden" entstanden seien. Er hätte auch sagen können: "Gemessen an den Milliarden, die ich im Mautdesaster versenkt habe, sind die paar Milliönchen hier wirklich nicht der Rede wert." Den Vergleich hat er dann doch lieber weggelassen. Wer weiß, wie die Leute das aufnähmen.

Ansonsten braucht sich der Minister nicht allzuviel Gedanken zu machen. Die Angelegenheit wird schnell vergessen sein. Geld ist schließlich nicht das Wichtigste, weshalb man den Rentnern im kommenden Jahr wie zuvor vermutlich keine Erhöhung ihrer Bezüge mehr zugestehen wird. Sind eh viel zu viele. Aus vergangenen Fehlern hat die Regierung allerdings gelernt. Da "eine weitere Nullrunde" nur lästiges Gemaule auslösen würde, heißt die Nichterhöhung künftig "Nullanpassung". Wer paßt sich schon gerne an? Noch dazu im Alter? Das neue Wort wird gut ankommen im Volk.

Und wenn nicht, sei's drum. Vor dem Hintergrund der bürgerkriegsähnlichen Zustände bei der Union, die bekanntlich im Südwe-sten bereits in die offene Feldschlacht mit richtigem Handgemenge übergegangen sind, kann sich der Kanzler ein wenig öffentliche Unzufriedenheit ruhig leisten. Am Ende siegt ohnehin nie das Gute, sondern die Frechheit. So wie im Europäischen Parlament. Da hat sich der dortige Sozialistenführer Martin Schulz gerade zum Chefverteidiger der "europäischen Werte" gegen die gescheiterte EU-Kommission erhoben. Er meinte offenbar vor allem "Sachwerte", denn Schulz gehört zu jenen Abgeordneten, die sich in Anwesenheitslisten von Ausschußsitzungen eingetragen hatten, an denen sie gar nicht teilnahmen. Die Parlamentarier strichen lediglich das Sitzungsgeld von je 262 Euro ein. Als das schon seit Monaten bekannt war, wählten ihn die Sozialisten im EU-Parlament letzten Juli trotzdem zu ihrem neuen Chef.

Die unangenehme Sache mit den Sitzungsgeldern wäre ja nie rausgekommen, wenn nicht ein abtrünniger Abgeordneter seinen Kollegen regelrecht nachgestellt und die Geschichte ausgeplaudert hätte. Wieder zeigt sich, wie wichtig Loyalität für das Funktionieren des Parteien- und Verbändestaates ist. Ohne die besinnungslose Loyalität ihrer Mitglieder wäre es der IG Metall kaum gelungen, die VW-Arbeiter dazu zu bewegen, daß sie ihren eigenen Betrieb an die Wand streiken. Indes beobachten die DGB-Gewerkschaften mit Sorge, wie ihre Mitgliederschar schwindet. Deshalb haben sie sich auf die alte Weisheit besonnen: Treue muß sich bezahlt machen! Somit schlossen, wie leider durchgesickert ist, einzelne DGB-Gliederungen heimlich Sondertarifverträge mit Betrieben ab, die höhere Gehälter und längeren Urlaub nicht mehr für alle Beschäftigten vorsehen, sondern nur noch für DGB-Mitglieder. Was sich da andeutet, könnte sich als wunderbare Lösung erweisen, wie die vielbejammerte "Krise des Parteien- und Verbändestaates" elegant zu beenden wäre. Künftig gilt: Wer nicht mitmacht, muß zwar weiter alles bezahlen wie Steuern, Abgaben etc. Von jedweden Verbesserungen aber wird er ausgeschlossen. Sollt mal sehen, wie die alle spuren werden!

Die baden-württembergische CDU probiert das neue System schon mal aus. Einst wählte das unmäßige Volk die Abgeordneten. Dabei wurde an den Wahlurnen gar nicht überprüft, ob der Wähler überhaupt Mitglied einer staatlich anerkannten Partei war! Die so vom parteifernen Volk gewählten Abgeordneten kürten dann den Ministerpräsidenten. So konnte das nicht weitergehen. Über den Teufel-Nachfolger stimmen daher jetzt allein die eingschriebenen CDU-Mitglieder ab, die Abgeordneten haben das dann nur noch abzunicken. Endlich wird das Wort "Parteiendemokratie" mit echtem Leben erfüllt.

"Um die Teufel-Nachfolge wird unter Parteifreunden noch gerungen!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren