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13.11.04 / "Vergangenheit für die Zukunft" / Die Stadtgemeinschaft Allenstein vereinbart Zusammenarbeit mit der Paten- und der Heimatstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. November 2004


"Vergangenheit für die Zukunft"
Die Stadtgemeinschaft Allenstein vereinbart Zusammenarbeit mit der Paten- und der Heimatstadt

Für nicht wenige Besucher der jährlichen Heimattreffen ist das Wichtigste, daß sie ihre Erinnerungen und Gedanken mit anderen austauschen, selbst einmal reden und "schabbern" können. Das haben mitunter auch schon offizielle Redner, Sänger und Musikanten während ihrer Vorträge erfahren müssen. Beim letzten Jahrestreffen der Stadtgemeinschaft Allenstein in Gelsenkirchen stand jedoch ein Ereignis im Mittelpunkt, das lautlos über die Bühne ging: die Unterzeichnung einer Vereinbarung, die wohl die erste dieser Art war. Die Stadtgemeinschaft Allenstein hat es erreicht, sowohl mit ihrer Heimatstadt als auch mit ihrer formell zwar nur ehemaligen, aber de facto noch aktuellen Patenstadt Gelsenkirchen eine "Vereinbarung zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit" zu treffen, die ihrer Bedeutung entsprechend im "Goldenen Buch der Stadt Allenstein" eingetragen und zum Abschluß der Feierstunde unterzeichnet wurde von Oliver Wittke, Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen, Gottfried Hufenbach, Vorsitzender der Stadtgemeinschaft und Zbigniew Karpowicz, stellvertretender Stadtpräsident von Allenstein.

Im Jahre 1953 - 600 Jahre nach der Gründung der Stadt an der Alle - hatte die Stadt Gelsenkirchen die Patenschaft für die Allensteiner übernommen. Diese Patenschaft führte im Jahre 1992 zu einer Partnerschaft zwischen den beiden Städten. Zum 50. Jahrestag der feierlichen Übergabe der Patenschaftsurkunde an die Bürger der Stadt an der Alle bekräftigen die Stadt Gelsenkirchen, die Stadtgemeinschaft Allenstein und die Stadt Allenstein ihren Willen, die gute Zusammenarbeit der vergangenen Jahre fortzusetzen und die partnerschaftlichen Beziehungen weiter zu vertiefen.

Neben gemeinsamen Projekten auf kommunaler Ebene sollen vor allem Begegnungen zwischen deutschen und polnischen Jugendlichen gefördert werden, um eine dauerhafte Basis für das Zusammenwachsen beider Völker in dem nun vereinigten Europa zu legen.

Diese Vereinbarung fixiert die Beziehungen der Stadtgemeinschaft zu Patenstadt und Heimatstadt, die zwar auch bisher schon gut waren, aber keine schriftliche oder rechtliche Grundlage hatten. Die vor 50 Jahren erklärte Patenschaft der Stadt Gelsenkirchen für die Stadt Allenstein und ihre Bürger war vor zwölf Jahren abgelöst worden durch die Partnerschaft zwischen den jetzigen Städten Gelsenkirchen und Allenstein, und die Allensteiner blieben gewissermaßen außen vor. Sie waren davon abhängig, daß de facto die guten Beziehungen zu Gelsenkirchen, wie sie namentlich in der Überlassung von Räumlichkeiten für die Geschäftsstelle und das Heimatmuseum sowie in der Unterstützung der Jahrestreffen in Gelsenkirchen zum Ausdruck kamen, aufrechterhalten blieben und von den Vertretern der Stadt weiterhin bekundet wurden. Das ist glücklicherweise oft geschehen, zuletzt auch in dem Rückblick des Oberbürgermeisters Wittke auf 50 Jahre Patenschaft (siehe Folge 38).

Die Stadtgemeinschaft Allenstein ihrerseits ist in Bezug auf beide Städte nicht untätig gewesen. Abstimmende Gespräche und Veranstaltungen in Gelsenkirchen, Reisen nach Allenstein und finanzielle Unterstützung von Kirchenausbauten, Denkmalserneuerungen, aber auch von bedürftigen Bewohnern und nicht zuletzt durch den Erwerb und den mit Hilfe der "Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit" (AGDM) gesicherten Betrieb des Kopernikushauses als Stätte deutsch-polnischer Begegnung haben auch die Anerkennung der beiden Städte gefunden. Die bisherige Zusammenarbeit und ihre Bedeutung für die weitere Entwicklung wurden auch in den Reden betont, die die Unterzeichner der Vereinbarung unmittelbar vor dem feierlichen Akt gehalten haben.

Gottfried Hufenbach, Vorsitzender der Stadtgemeinschaft Allenstein, ging nach der Begrüßung der Gäste und Ehrengäste noch einmal auf die Geschichte der 50jährigen Patenschaft und ihre Entstehung ein. Es sei kein Zufall gewesen, daß Gelsenkirchen Patenstadt für Allenstein wurde, denn im 19. Jahrhundert seien viele Ostpreußen auf der Suche nach Arbeit ins Ruhrgebiet gekommen und nicht weniger als 17.000 Menschen aus dem Raum Allenstein seien von 1880 bis 1904 in Gelsenkirchen seßhaft geworden und hätten zur Entwicklung dieser Stadt beigetragen. Auch die Vereinsgeschichte des FC Schalke 04 und die Namen seiner Spieler seien ein Beleg für die zahlreichen Bande. 7.000 Allensteiner seien 1954 in Gelsenkirchen zusammengekommen, um das 600jährige Bestehen ihrer Heimatstadt und die Übernahme der Patenschaft durch die Stadt Gelsenkirchen zu feiern. Ihre Entwicklung, auch bei den gesonderten Patenschaften im schulischen und sportlichen Bereich, sei ausgezeichnet verlaufen und habe die Allensteiner in ihrer Patenstadt ein neues Zuhause finden lassen.

Die 1992 formell an die Stelle der Patenschaft getretene Städtepartnerschaft zwischen Gelsenkirchen und Allenstein habe dem guten Verhältnis keinen Abbruch getan. Auch die Stadtgemeinschaft habe nach der politischen Wende ihr Augenmerk auf das heutige Allenstein gelegt. Als Beispiel vielfältiger Unterstützung hob Gottfried Hufenbach den Erwerb des Kopernikushauses hervor, das mit weiteren Zuwendungen der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und des Freistaates Bayern sich zum Mittelpunkt der deutschen Bevölkerung im südlichen Ostpreußen und zu einem Ort deutsch-polnischer Begegnung entwickelt hat.

Für die langjährige Unterstützung der Stadtgemeinschaft durch die Stadt Gelsenkirchen, auch als Gastgeber für die jährlichen Heimattreffen, sprach der Vorsitzende seinen Dank aus und überreichte dem Oberbürgermeister ein gerahmtes Plakat des Architekten Erich Mendelsohn, einem berühmten Sohn der Heimatstadt. Das Bild der Burg und die Inschrift "Allenstein - Ostpreußens Gartenstadt - Herrliche Wälder und Seen" trifft auch auf das heutige Allenstein zu und soll ebenfalls ein Zeichen der Verbundenheit mit der Stadt und ihren Bewohnern sein.

Oliver Wittke erinnerte als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen daran, daß bei Übernahme der Patenschaft vor 50 Jahren erst wenige Jahre seit Kriegsende vergangen und die Folgen des Krieges mit Zerstörungen, Toten und Verletzten auch für seine Stadt noch fühlbar waren. Dennoch sei man bereit gewesen, den noch härter betroffenen, ihrer Heimat verlustig gewordenen Allensteinern zu helfen. Man habe ihnen zwar keine neue Heimat geben können, aber doch ein neues Zuhause. Viele Gelsenkirchener, auch der eigene Großvater, seien ja selbst vor längerer Zeit von Ostpreußen hierher gekommen.

Die spätere Partnerschaft zwischen Gelsenkirchen und Allenstein sei ein Zeichen für ein neues Europa gewesen. Dabei gelte der Dank auch der Stadtgemeinschaft Allenstein, denn sie habe diese Partnerschaft mit Leben erfüllt. Die vermehrten Reisen nach Allenstein und die persönlichen Kontakte seien dabei besonders zu nennen, und so sei es auch kein Zufall gewesen, daß sich die Regierungschefs von Deutschland und Polen in Gelsenkirchen getroffen hätten.

50 Jahre Patenschaft würden nun in dem Jahr gefeiert, in dem Polen Mitglied der Europäischen Union geworden sei. Nach Patenschaft und Partnerschaft folge jetzt der dritte Schritt zu einem dreifachen Abkommen zwischen Gelsenkirchen, Allenstein und der Stadtgemeinschaft. Mit ihm werde auch ein Zeichen gesetzt für die Zukunft Europas, das aus der Vergangenheit gelernt habe. Ihre Fehler und schrecklichen Folgen dürften sich nicht wiederholen und dafür sei entscheidend, daß die Menschen zusammenkommen und einen gemeinsamen Weg in einem friedlichen Europa gehen. Die Stadtgemeinschaft Allenstein habe durch ihre Kontakte und Aktivitäten trotz Verlust der Heimat einen wichtigen Beitrag geleistet. Sie solle in Gelsenkirchen auch im nächsten Jahrzehnt ein Zuhause haben und dafür rufe er ein herzliches Glück auf!

Der stellvertretende Stadtpräsident von Allenstein, Zbigniew Karpowicz, begrüßte die "lieben Bewohner der Stadt Gelsenkirchen und die lieben deutschen Allensteiner" auch im Namen der polnischen Einwohner von Allenstein mit einer Rede, in der er seiner Freude darüber Ausdruck gab, bei der Unterzeichnung des Vertrags dabeizusein, und diesen wie folgt charakterisierte:

"Über diesem Vertrag schwebt der Geist der Geschichte, die auf eine besondere Art und Weise die ehemaligen und heutigen Bewohner unserer Städte vereinigt hat. Der heutige Vertrag hat eine mehrfache Aussage, vor allem für uns Polen. Er ist ein gutes Beispiel für die gegenseitigen Beziehungen zwischen unseren Völkern.

Polnische und deutsche Allensteiner zeigen gemeinsam mit den Bewohnern der Stadt Gelsenkirchen seit Jahren ihren Landsleuten, aber auch Europa und der ganzen Welt, wie die deutsch-polnische Versöhnung aussehen kann und soll. Ich darf hier an die Begegnung des deutschen Bundeskanzlers Schröder mit dem polnischen Premierminister Miller erinnern, die dank der Zusammenarbeit unserer Städte hier, in Gelsenkirchen, stattgefunden hat.

Uns freut die Tatsache, daß unsere Kontakte frei von politischen Einflüssen und rücksichtslosen Spielchen sind, in welche die Opfer des Zweiten Weltkrieges einbezogen werden. Wir sind stolz auf die bisherige Zusammenarbeit, die als Ausdruck des beidseitigen Willens zu verstehen ist, die hellen Seiten der Geschichte unserer Stadt zu bewahren und zu pflegen.

Während der letzten 50 Jahre haben wir an einem gemeinsamen Kulturgut gearbeitet, Gedanken, Erfahrungen und Ideen ausgetauscht.

Die größte Freude empfinde ich beim Blick auf den erfolgreichen deutsch-polnischen Jugendaustausch. Die im Rahmen dieser Begegnungen geschlossenen Bekanntschaften haben sich in vielen Fällen zu Freundschaften entwickelt. Lassen Sie mich daher die 50 Jahre unserer Kontakte in folgende Worten schließen: Vergangenheit für die Zukunft!" Ernst Jahnke

 

Unterzeichnung der trilateralen Vereinbarung: Allensteins Kreisvertreter, Gottfried Hufenbach (Mitte) mit dem stellvertretetenden Stadtpräsidenten der Heimatstadt, Zbigniew Karpowicz, (links) und dem Oberbürgermeister der Patenstadt, Oliver Wittke Foto: Jutta Jahnke


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