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13.11.04 / Christentum schuf neues Zeitalter / Vom glorreichen Aufstieg zum endgültigen Fall großer Imperien

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. November 2004


Christentum schuf neues Zeitalter
Vom glorreichen Aufstieg zum endgültigen Fall großer Imperien

Ich höre immer Untergang", könnte man fast sagen. Krisen, Kriege und Katastrophen haben Konjunktur. Als Sinnbild und Menetekel des kulturgeschichtlichen Niederbruchs schwebt seit langem der "Fall" Roms über unseren Köpfen. Historiker und ZDF-Journalisten verfaßten dieses interessante, reich bebilderte, sehr gut lesbare Buch "Imperium - Vom Aufstieg und Fall großer Reiche", das der gleichnamigen Fernsehreihe zugrunde liegt, primär für Laien.

Ägypten, Persien, Karthago und Rom, vier antike Imperien, die entweder abrupt und fast spurlos versanken oder im Laufe von Jahrhunderten qualvoll ihr Dasein aushauchten. Die Geschichte jeder dieser Kulturen stellen die Autoren knapp vor und betrachten dann die jeweilige "Sterbephase".

Als spiritus rector des Buches fungiert der Althistoriker Alexander Demandt; er verficht einen extrem erkenntnistheoretischen Relativismus. "Historiker", meinen die Autoren, "haben zwar den Anspruch zu ergründen, was geschehen ist, aber viel mehr noch erfinden sie Geschichte". Warum arbeiten die Historiker dann nicht in Kirmeszelten? Wie Briefmarken hat Demandt 1984 geschlagene 210 Theorien betreffs des Untergangs Roms gesammelt, ohne jedoch eine Synthese zu wagen. Lohnt es eigentlich, die Vergangenheit zu erforschen, wenn dabei allenfalls das eigene Ego bespiegelt wird? Am Ende bleibt Demandt nur die melancholische Geste des gelehrten Nichtwissens.

Zum Glück streifen die Verfasser Demandts sonderbare Scheuklappen ab. In "Tod am Nil" legt Hans-Christian Huf dar, wie der theokratische Grundzug des Pharaonenstaats die Ägypter unflexibel und statisch machte. Das Land der Pyramiden stand und fiel mit seinen Gottkönigen. Ohne starken Monarchen zerbröckelte das Staatsgebäude. Solange keine Invasoren vor der Tür lauerten, war das Schlimmste zu vermeiden, doch seit der Ramses-Ära kamen immer neue Fremde, denen die unselbständigen Ägypter, die regelmäßig Söldner engagierten, nichts entgegensetzen konnten.

Karthago scheiterte, weil es Hannibal nicht gelang, die politisch gut konstruierte römische Republik zu destabilisieren. Trotz der vielen militärischen Triumphe, die Hannibal errang, hielten die meisten italienischen Bundesgenossen Rom die Stange. Umgekehrt erlag Karthagos steife Handelsoligarchie, die ihre Verbündeten schroff unterdrückte, schon nach wenigen Niederlagen dem römischen Erzrivalen.

Analytisch wenig zu bieten hat der Beitrag von Mathias Unterburg über das gigantische Perserreich. Nach zwei verlorenen Schlachten gegen Alexander den Großen brach das persische Ungetüm wie ein Kartenhaus zusammen. Spekulationen darüber, ob die Achämeniden weiter geherrscht hätten, wäre Alexander nicht gekommen, nützen wenig angesichts der viel wichtigeren Frage, ob dem "multikulturellen" Imperium jegliches "Staatsbürgerbewußtsein" fehlte. Nicht zufällig operierte auch der letzte Perserkönig Dareios III. mit Söldnerheeren.

Eigentlich fällt der Kollaps des weströmischen Reiches mitnichten aus dem historischen Rahmen; kein antikes Imperium existierte ewig. Seine Brisanz verdankt das Ende Roms der Tatsache, daß in der Völkerwanderungszeit eine ganz neue historische Epoche, das Mittelalter, begann. Viele Theorien, die über den Untergang Roms zirkulieren, allen voran die wohlfeile Dekadenz-Theorie, erklären diese Zäsur nicht.

Günther Klein erinnert richtigerweise daran, daß schon im frühen Principat Erscheinungen der "Dekadenz" auftraten, ohne daß diese Phänomene Rom gefährdeten. Da erscheint es plausibler, wenn Klein die Erhebung des katholischen Christentums zur Staatsreligion als "Revolution" deutet, die ein neues Zeitalter herbeiführte.

Leider haben die Autoren keine Synthese ihrer Beiträge erstellt. Liegt ein wichtiger Aspekt des Geschehens darin begründet, daß nicht "Laster", sondern "Tugenden" die Völker und Reiche verderben? Der römische Wille zur totalen Sicherheit verlängerte die Grenzen des Reiches derart, daß völlige Unsicherheit folgte, und die enorme Integrationskraft der Römer mündete in völlige Desintegration. Die gleichen Ursachen, die den Aufstieg eines Reiches ermöglichen, stürzen es oft auch in den Ruin. Rolf Helfert

Hans-Christian Huf (Hrsg.): "Imperium - Vom Aufstieg und Fall großer Reiche", Econ-Ullstein, München 2004, 400 Seiten, 25 Euro


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