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20.11.04 / Angst vor Verantwortung? / Trotz durchaus vorhandenem Kinderwunsch bleiben deutsche Wiegen weiter zunehmend leer

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004


Angst vor Verantwortung?
Trotz durchaus vorhandenem Kinderwunsch bleiben deutsche Wiegen weiter zunehmend leer

Eltern werden rar in Deutschland. Setzt sich die derzeitige Bevölkerungsentwicklung fort, gibt es in 50 Jahren 13 Millionen weniger Bundesbürger, das Durchschnittsalter beträgt 45 Jahre. Ein Viertel weniger Arbeitskräfte ist die Folge, die jedoch nicht weniger Arbeitslosigkeit, sondern Wohlstandsverlust mit sich bringen wird.

Ohne radikales Umdenken - gerade in der Politik - wird die deutsche eine sterbende Gesellschaft, die auch durch Zuwanderung nicht gestützt werden kann. Am Verhältnis der Erwerbstätigen zu den Nicht-Erwerbstätigen läßt sich der bevorstehende Kollaps drastisch aufzeigen, denn kaum ein Land leistet sich so viele arbeitsfähige Menschen, die nicht arbeiten, wie Deutschland. Die "Überalterung" verstärkt diesen Effekt: 2004 kommen auf zehn Erwerbsfähige fünf Menschen im nicht erwerbsfähigen Alter. 2050 wird das Verhältnis bei zehn zu acht sein. Ohne Nachwuchs gibt es somit kein Solidarsystem, kein Wachstum, keine Renten und keine Zukunft.

Schon die vielbeachtete Shell-Jugendstudie 2002 analysierte: "Im zeitlichen Trend betrachtet steigt das Durchschnittsalter, in dem Frauen heute in Deutschland Kinder bekommen, tendenziell weiter an, mit der Konsequenz, daß immer mehr Frauen in ihrem Leben wahrscheinlich gar keine Kinder bekommen werden. ,Karriere machen' und Familie schließen sich allerdings bei der Mehrheit der heutigen Jugend hinsichtlich der eigenen Lebensansprüche nicht aus, sondern bilden zwei zentrale Zielvorstellungen für die Lebensführung." Der Wunsch zur Familie mit Kindern ist also nach wie vor da, doch zeigt er sich nicht in der Geburtenrate. Ein scheinbarer Widerspruch, der einer Erklärung bedarf, denn die vielzitierte "Selbstverwirklichung" scheint bei potentiellen Mamas und Papas kein Argument gegen eigene Kinder zu sein - zumindest kein grundsätzliches. Auch sind die zunehmenden Scheidungsziffern, unehelichen Kinder oder "modernen Patchwork-Familien" keine zutreffende Erklärung für die seit rund 30 Jahren anhaltende Kinderarmut - im Schnitt müßte jede Frau 2,1 Kinder zur Welt bringen, damit die Einwohnerzahl konstant bleibt, tatsächlich sind es 1,4.

Neben der eigenen Lebensplanung und Entscheidung für ein spätes Kind tragen gesellschaftliche Entwicklungen dazu bei, den Kindersegen zu schmälern, ihn für Eltern mit geringem Einkommen gar zu einem zunehmend als Risiko empfunden Faktor werden zu lassen. Parteiüber- greifende Verbände wie der Deutsche Familienverband warnen seit geraumer Zeit vor der Verarmung von Familien mit Kindern, beklagen, daß "Armut in Deutschland vor allem eine Armut von Familien mit Kindern" sei: "Besonders schnell rutschen Familien mit Kleinkindern unter drei Jahren und kinderreiche Familien unter die Armutsgrenze. 6,7 Prozent aller Kinder beziehen Sozialhilfe", rechnet der Verband in seinem Kinderreport (Anfang November) vor.

"Armut" ist in Deutschland zwar immer noch ein relativer und vor allem schwer zu fassender Begriff, doch spielt bei der Familienplanung nicht allein der allgegenwärtige Um- und Abbau der Sozialsysteme eine Rolle. Sicher tragen auch Arbeitslosigkeit und schwindende Arbeitsplatzsicherheit zu einem Gefühl latenter Gefährdung durch Armut bei, einem Gefühl, das womöglich den Ausschlag gegen Kinder in der Familie gibt, zumal Deutschland zu den westlichen Industriestaaten gehört, in denen sich Karriere und Familie zumindest statistisch am schwersten miteinander vereinbaren lassen. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden zudem qualifizierte weibliche Arbeitskräfte immer unentbehrlicher.

Deutschen Akademikerinnen gelingt der Spagat "Karriere und Kinder" nur mühsam: Hatten Frauen mit Hochschulabschluß 1991 durchschnittlich 1,3 Kinder, waren es 2001 statistisch nur noch 1,02 - Frauen ohne Berufsabschluß (1991: 1,47, 2001: 1,51) oder mit "einfacher" Berufsausbildung (1991: 1,33, 2001: 1,35) entschieden sich häufiger für Kinder. Familienpolitik muß also bei den gebildeten Schichten zuerst ansetzen, muß helfen, ihre Kinderwünsche zu unterstützen.

Eine Verkürzung der rein akademischen Lernphase kann dazu beitragen, daß qualifizierte Berufstätige in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Eine deutliche Straffung der Gymnasial- und Hochschulzeiten wäre somit auch ein Beitrag zur Stärkung der Familie - wer früher im Beruf aufsteigt, kann und will sich auch früher Kinder "leisten".

Ein wenig mehr Geld für Familien bringt nicht den Durchbruch - grundlegende politische Weichenstellungen sind gefragt: Am Arbeitsplatz, in der Kinderbetreuung und im Bildungsbereich stehen noch viele Verbesserungen aus, doch auch in den Köpfen muß ein Umdenken einsetzen, damit Deutschland seinen Ruf als kinderlose, wenn nicht gar kinderfeindliche Gesellschaft loswird. SV


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