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20.11.04 / Nicht ein Ende, sondern ein Ziel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004


Nicht ein Ende, sondern ein Ziel
von Kaplan André Schmeier, Allenstein

November - während das Kalenderjahr sich erst langsam seinem Ende zuneigt, findet das Kirchenjahr bereits seinen Abschluß. Sowohl in dem einen wie auch in dem anderen lenkt dieser Monat unser Augenmerk auf das Ende. Wir sehen im ausklingenden Herbst, wie das Laub sich verfärbt, wie alles grau und kahl wird, wie die Tage immer kürzer und dunkler werden und sich eine schleichende Kälte breitmacht. Man gewinnt den Eindruck, das Leben würde vergehen. Und so wird auch unsere Stimmung nach dem warmen, sonnigen und frohen Sommer immer ruhiger und stiller, bei vielen auch traurig und gedankenschwer.

Dazu tragen auch die Gedenktage dieses Monats bei: Allerheiligen und Allerseelen, der Volkstrauertag und der letzte Sonntag im Kirchenjahr, der Christkönigssonntag. Das, was wir äußerlich in der Natur sehen, vollziehen wir auch innerlich mit. Wir werden in dieser Zeit an etwas erinnert, was immer mehr aus der Öffentlichkeit und dem Bewußtsein verdrängt wird - an die eigene Vergänglichkeit und das eigene Ende. In unserer heutigen Zeit ist es unüblich geworden, sich mit solchen "traurigen" Themen zu befassen. Man spricht nicht über Krankheiten, Hinfälligkeit, das gebrechliche Alter und schon gar nicht über den Tod. Man spricht nicht mehr darüber und braucht es auch gar nicht, weil man diese Dinge heutzutage elegant lösen kann. Der ältere Mensch, der mit der Zeit der Hilfe und Pflege der Jüngeren bedarf, wird nicht mehr von den eigenen Angehörigen versorgt und betreut. Er wird abgegeben ins Altersheim, ins Pflegeheim, ins Hospiz. So soll das Ende erträglich und menschenwürdig gestaltet werden. In Wahrheit aber werden die meisten älteren Menschen in solche Institutionen abgeschoben, weil man auf diese Weise nicht mit ansehen muß, was unweigerlich auf jeden Menschen, also auch auf uns, zukommt. So ist es gut, in dieser Zeit den Blick einmal ganz bewußt auf das Ende und was damit verbunden ist auszurichten.

Für Menschen, die ohne Glauben leben, geht das Leben mit dem Tod unweigerlich zu Ende. Das einzige was bleibt ist die Erinnerung in den Herzen der Hinterbliebenen. Für uns Glaubende aber ist der Moment des Scheidens von dieser Welt viel mehr. Es ist der Übergang in eine neue Wirklichkeit, das Leben findet nicht ein Ende, sondern sein Ziel. Am Fest Allerheiligen haben wir dieses Ziel vor Augen. Wir gedenken der ungezählten Menschen, die diese Schwelle in das neue Lebens schon überschritten haben und nun bei Gott angekommen sind. Dabei handelt es sich um Menschen, die so wie wir auf dieser Welt gelebt haben, die sich aber in ihrem Leben ganz Gott zugewandt und versucht haben, seinem Willen entsprechend zu leben. Darin haben sie einen solch hohen Grad erreicht, daß wir sie als Heilige bezeichnen. Die Kirche schenkt uns diese Heiligen als Vorbilder, denn jeder von uns ist ja zur Heiligkeit berufen. Die vielen Menschen, die in den letzten Jahren von Papst Johannes Paul II. selig- und heiliggesprochen wurden und die oftmals in der neueren Zeit gelebt haben, machen uns bewußt, daß Heiligkeit nichts ist, das der fernen Vergangenheit angehört. Auch müssen es nicht immer herausragende Persönlichkeiten sein, sondern meistens sind es ganz einfache Menschen, die irgendwo ruhig und bescheiden ihr Leben für Gott und den Nächsten gelebt haben. Für uns sind diese Heiligen heute Fürsprecher bei Gott und zugleich ein Wegweiser zu dem Ziel, zu dem auch unser Lebensweg führen soll.

Doch nicht jeder Mensch schafft es, so zu leben, daß er bei seinem Tode sofort von Gott in den Himmel aufgenommen wird. Die meisten von uns sterben mit Schuld beladen, die erst abgebüßt werden muß. Den Ort, an dem das geschieht, nennen wir Fegefeuer. Es ist sozusagen die letzte Etappe vor dem Ziel. Am Allerseelentag beten wir besonders für diese Menschen. Sie selbst können sich schon nicht mehr helfen, können nun nicht mehr umkehren zu Gott hin. Aber wir können Gott mit unserem Gebet bitten, ihnen ein barmherziger Richter zu sein und sie aufzunehmen in sein himmlisches Reich. Denn auch wir kommen sicherlich einmal an jenen Ort und wünschen uns dann Menschen, die für uns zu Gott beten werden.

Wie und wann wir von dieser Welt scheiden müssen, weiß keiner von uns. Das kann im Alter, aber auch schon in der Jugend sein. Das kann langsam gehen oder auch ganz plötzlich über uns kommen. Es muß nicht immer sein, daß der Mensch genug Zeit hat, um sich auf seinen Tod vorzubereiten. Wenn wir am Volkstrauertag der Gefallenen und der Opfer des Krieges gedenken, die ihr Leben für unsere Heimat geopfert haben, dann macht uns das bewußt, wie schnell der Tod auch über uns kommen kann. Gerade so ein Tod durch Krieg oder Unglück läßt uns fragen, welchen Sinn denn so ein Tod habe. Für den Betroffenen sicherlich keinen, aber wir werden gemahnt unser Leben so zu führen, daß wir jederzeit bereit sind, vor das Angesicht Gottes treten zu können. Es ist ein Aufruf für die Lebenden zur Umkehr und zum Guten, zur Versöhnung und zum Frieden.

Trotz allem ist es für uns Menschen schwer, das Leiden und den Tod zu begreifen und zu akzeptieren. Wir fühlen uns demgegenüber schwach, unvollkommen und hilflos. Darum zeigt uns der letzte Sonntag im Jahreskreis Jesus Christus als den König, als den Herrn von Himmel und Erde. Nicht der Mensch hat das Sagen, nicht ein Mensch wird das letzte Wort über einen anderen Menschen sprechen, sondern Christus. Er ist der wahre Herrscher, ihm ist alles unterstellt: das Leben, aber auch der Tod. Durch sein eigenes Leiden und seinen Tod am Kreuz weiß er, was das für uns Menschen bedeutet. Darum schenkt er uns die Hoffnung, daß wir mit dem Tod nichts verlieren, daß wir nichts zurücklassen. Er wird vollenden, was wir unvollendet gelassen haben, und er wird gut machen, was wir falsch gemacht haben. Derjenige, der den Tod besiegt hat, ruft uns zum Leben, er schenkt unserem Weg ein Ziel, den Platz, den er für uns bereitet hat im Hause Seines Vaters.

So wollen wir uns nicht anstecken lassen von der trüben Stimmung des Novembers. Es geht alles nur vermeintlich einem Ende entgegen. Wie nach dem Winter auch wieder ein Frühjahr kommt, so sicher kommt nach dem Tod auch wieder das Leben. Denn wir haben einen Gott, der von sich selbst sagt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben." An diese Worte müssen wir nur mit ganzem Herzen glauben.


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