20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.11.04 / Von der Welt alleingelassen / Otto

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. November 2004


Von der Welt alleingelassen
Otto von Habsburg über die tolerierte Wahlmanipulation in der Ukraine

Der erste Durchgang der Präsidentenwahl in der Ukraine am 31. Oktober wurde zwar in der europäischen Presse im Schatten der Zielgeraden zwischen Bush und Kerry fast gänzlich übersehen, sie hatte aber für die Sache der Freiheit und der Menschenrechte wahrscheinlich mehr direkte Bedeutung als das, was sich in den USA abspielte. Der Wahlkampf ging um die Nachfolge von Präsident Leonig Kutschma, einer schillernden Persönlichkeit mit stark autoritären Sympathien, die der Zukunft der Ukraine äußerst schädlich sein konnte. Der Mann war im Herzen ein totalitärer Diktator, russisch orientiert und ein Verbündeter von Putin. Er hatte daher als seinen Nachfolger Viktor Janukowitsch bestimmt, der ein früherer Minister seiner Mannschaft und ein Bewunderer von Putin sowie dessen russisch-nationalistischer Politik ist. Dieser Kandidat zeigte offen, daß er, wie Diktator Lukaschenko von Weißrußland, bestrebt ist, seinen Staat wieder unter die Herrschaft Mokaus zu bringen.

Kutschma hat in den vergangenen Monaten nicht nur die ganze Macht und das Geld des Staates zugunsten Janukowitsch's eingesetzt - auch der staatliche Rundfunk und das Fernsehen standen ganz dem Wahlkampf dieses Kandidaten gegen die anderen zur Verfügung. Die Verwaltung hat schamlos den Wahlkampf und die Wahl selbst bewußt verfälscht, wie die meisten internationalen Beobachter einhellig erklärten. Schließlich hat sogar Putin selbst in die ukrainische Innenpolitik eingegriffen und ist, umgeben von Personen des Geheimdienstes FSB, in der Ukraine herumgezogen, um den Menschen klar zu machen, daß eine Stimme für Janukowitsch eine Stimme für Moskau und das Putin'sche System sein.

Dem Kandidaten des Kreml stand der freiheitliche ukrainische Patriot Viktor Juschtschenko gegenüber, der für die Ukraine in Europa, für westliche Orientierung und für echte freiheitliche Demokratie eintritt.

Es war allgemein angenommen worden, daß Janukowitsch schon im ersten Wahlgang Erfolg haben würde. Der Druck der Behörden und ihr so gut wie offenes Verfälschen der Wählerlisten und der Auszählung der Stimmen, der Druck der Exekutive, vor allem in den ländlichen Gebieten, sowie der gewaltigen Summen, die für Janukowitsch zum Einsatz kamen, war so stark, daß sogar die fremden Beobachter der Überzeugung waren, daß dieser schon im ersten Wahlgang siegen würde. Um so größer war das Erstaunen, als sogar die von Kutschma eingesetzte Wahlkommission zugeben mußte, daß zwischen Janukowitsch und Juschtschenko weniger als zwei Prozent Stimmen Unterschied war und daß dies eine Stichwahl am 21. November notwendig machte.

Somit war der 21. November für das Land ein Entscheidungstag. Es ging im wahrsten Sinne des Wortes um Sein oder Nicht-Sein einer unabhängigen Ukraine und um die Zukunft der Freiheit und der Menschenrechte. Leider scheinen das die meisten Zuständigen im Westen nicht erkannt zu haben. Die Ukrainer mußten fast allein gegen die Moskauer Dampfwalze antreten, obwohl schon vorauszuahnen war, daß die Russen alles dransetzen würden, um das Ergebnis in ihrem Sinne zu verfälschen. Doch sie konnten sich sicher sein, daß die freie Welt vielleicht einige Jammertöne hierüber ausstoßen, sich dann aber, wie schon so oft, unter Berücksichtigung angeblicher wirtschaftlicher Interessen den Gegebenheiten fügen würde.

In Kiew und Lemberg geht es um die Zukunft aller Europäer. Das lehrt uns die Geschichte. Das sollten jene verstehen, die sich so gerne als freiheitliche Demokraten bezeichnen, sich aber gegenüber totalitären Bedrohungen in Illusionen wiegen. So wie seinerzeit der Fall von Österreich oder Polen die Welt in einen großen Krieg gestürzt hat, hängt nunmehr vieles am Schicksal der Ukraine. Auch wenn es derzeit um Einfluß und Freiheit in der Welt und Gott sei Dank nicht um einen Krieg geht: Langfristig gesehen sind die politischen und moralischen Orientierungen oft schicksalhafter als militärische Siege.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren