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27.11.04 / Deutscher Problembär in Nöten / Von der Realität schon fast wieder übertroffene Satire

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. November 2004


Deutscher Problembär in Nöten
Von der Realität schon fast wieder übertroffene Satire von Lutz Rathenow

Der 1952 in Jena geborene Lutz Rathenow bezeichnet sich selber als eine "mehrfach gespaltene Autorenpersönlichkeit", da er wohl alle Register eines freiberuflichen Schreib- und Literatur-Unternehmers zu bedienen weiß. Aber so richtig ist er wohl vor allem als Satiriker bekannt geworden, dessen "Werk zwischen Poesie und verspielter Komik" geortet wurde und der schon gegen Ende der 70er Jahre in einigen Satiren die Auflösung der DDR vorweggenommen hatte.

In seiner nun erschienenen "Prosa zum Tage" wird der Ton sarkastischer, was vom Realitätssinn des Autors zeugt. Viele Deutsche in Ost und West wollen gern die erinnerten deutschen Zustände, die oft um die Verklärung der DDR-Diktatur kreisen, als typische und sogar legitime Übertreibung satirischen Stils abtun, aber wer auch die gesamtdeutsche Wirklichkeit nicht verdrängt, wird einsehen, daß sie durch Satire keinesfalls mehr zu übertreffen ist. Das Lachen vergeht jedem, der noch Reste von Gewogenheit zu "Deutschland, einig Vaterland" hegt.

Insofern läßt sich Rathenows Tagesprosa, die den "Aufschwung für Deutschland durch Ausverkauf" gar nicht mehr zu empfehlen braucht, da der Ausverkauf auch ohne Aufschwung bestens vorankommt, als naturalistische Zustandsbeschreibung lesen: "Die Arbeitslosenzahlen und die Staatsverschuldung - das sind die einzig zuverlässig wachsenden Größen in der Statistik. Ein Wachstum, auf das wir gern verzichten würden." Unter jener Regierung, die bei ihrem Machtantritt vollmundig versprach, die Arbeitslosenquote zu halbieren, wird die Aufmerksamkeit, nachdem der Leser zuvor durch die würdelose Gespensterwelt der Arbeits- und Sozialämter geführt wurde, auf einen Beruf mit Zukunft gelenkt, auf den des "Doppelgängers". Unter dem Schlagwort "Kampf gegen den Terrorismus" werden "in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und oft nicht glaubhafter Politiker aus der Gegenwart" gerade sie ihre Ängste durch "Placebo-Politiker" zu entlasten suchen. Oder regieren diese uns gar? "Ist Ihnen nicht auch schon aufgefallen", fragt Rathenow, "wie merkwürdig Joschka Fischer manchmal den Arm bewegt, wie verändert die Stimme von Friedrich Merz klingt und wie ungewohnt fröhlich Hans Eichel zuweilen blickt?"

Ein klammheimlicher Spaß beim Beschreiben der Krise ist dem Autor nicht abzusprechen und sei ihm auch gegönnt, denn er putzt uns ja die trüben Linsen blank. Die Kaste der Politiker hingegen handelt verbissen nach dem Motto: Keiner soll mehr durchsehen. Dafür sorgte ebenso Altbundeskanzler Kohl, der bekanntlich "erfolgreich gegen die Herausgabe jener angelegten" Stasi-Akten klagte, "in denen die privaten Details ohnehin geschwärzt worden sind". Ungern wollen sich die Westpolitiker in ihre Karten gucken lassen, denn das dumme Volk soll nicht wissen, "wie sie in puncto DDR gespielt haben". Da die herrschenden Gutmenschen ohnehin unsere Geschichte erfolgreich auf die zwölfjährige Herrschaft der Nationalsozialisten reduziert haben, kommt es auf weitere Geschichtsaufarbeitung kaum noch an. Kein Wunder, daß beschränkte Mitarbeiter der Gauck-Birthler-Behörde nun rigoros alle Namen in den Akten mit schwarzen Balken versehen, sogar "Gott" wird da nicht verschont. Das ist laut Rathenow "völlig korrekt, weil von Gott keine Einwilligungserklärung einer Nichtschwärzung vorlag".

Ja, das sind Probleme scherzhafter Art unserer von schmerzhafter Diesseitigkeit geprägten Zeit. Im Pluralismus der Werte und Interessen fehlt eine göttliche Autorität, die nicht begreifbar, also nicht angreifbar ist und sich aus einem unumstrittenen Glauben ableitet, der die Lebensbereiche und Sphären des Geistigen fundiert. Die Flucht ins Jenseits der Transzendenz mag uns als Privatmenschen noch möglich sein, bei der öffentlichen Begründung von Thesen und Entscheidungen steht uns dieser Weg wohl kaum noch offen.

Wenn einem so kritischen, liberalen und satirischen Schriftsteller wie Lutz Rathenow die Lust am Humor vergehen will und statt dessen Furcht um die Heimat aufkommt, muß es schon äußerst traurig ums Vaterland bestellt sein: "Der deutsche Bär gibt sich häßlich, in zerfließendes Schwarz-Rot-Gold gewandet. Ein merkwürdiges abstoßendes Gesicht, ein Problembär, der auf ein zerknirschtes Land verweist. Alle Länder werben für sich, Deutschland zieht es vor, sanften Ekel zu verbreiten." Siegmar Faust

Lutz Rathenow: "Fortsetzung folgt. Prosa zum Tage", Verlag Landpresse, Weilerswist 2004, broschiert, 155 Seiten, 14 Euro


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