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04.12.04 / Heimat und Nation stärken / Brandenburgs CDU-Chef Schönbohm geht in die Offensive

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Dezember 2004


Heimat und Nation stärken
Brandenburgs CDU-Chef Schönbohm geht in die Offensive
von Annegret Kühnel

Der brandenburgische Innenminister und CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm galt nach den Landtagswahlen im September, bei denen die Union nur 19 Prozent der Stimmen erreichte, als geschwächt. In Wahrheit ist er unverzichtbar, denn er ist der einzige in der Union, dessen Haltung nicht vorrangig dem reinen Machtkalkül folgt, sondern auf tiefen Überzeugungen ruht und auf Werten, die weit über das Tagesgeschäft hinausweisen.

Das gilt nicht nur für Brandenburg, sondern sogar bundesweit. Schönbohm hat das Zeug, in die Rolle des nationalen Bannerträgers zu schlüpfen, die seit Alfred Dreggers Tod unbesetzt ist.

Als 1998 Friedrich Merz von einer "Leitkultur" sprach, war Schönbohm nahezu der einzige Unionspolitiker, der dem Parteifreund mit Verve beisprang. In einem Zeitungsbeitrag nannte er den Multikulturalismus die letzte ideologische Verteidigungslinie einer abgewirtschafteten Linken. Er kritisierte die Existenz von Wohngegenden, "die so sind, daß man sagen kann: Da befindet man sich nicht mehr in Deutschland."

Schönbohm hat nun in mehreren Interviews nachgelegt und damit alle Annahmen zerstreut, er würde jetzt nur noch als Frühstücksdirektor agieren. Dem Spiegel sagte er, die CDU hätte "Themen wie Heimat und Nation ... schon viel früher propagieren müssen. Wir haben auf diesem Feld Vertrauen und Kompetenz verloren." Nach 1990 sei man den Ängsten im Ausland vor einem "zu selbstbewußten Deutschland" entgegengekommen, was zur Realitätsverweigerung geführt habe.

Die Parallelgesellschaften verglich er mit den mittelalterlichen Ghettos, in welche die Juden gesperrt waren, mit dem Unterschied, daß heute viele Ausländer sich freiwillig in die Ghettos begäben, "weil sie uns als Deutsche verachten. Wer zu uns kommt, muß die deutsche Leitkultur übernehmen. Unsere Geschichte hat sich in über tausend Jahren entwickelt. Wir haben nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch kulturelle Umgangsformen und Gesetze. Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Basis der Gemeinsamkeiten von Ausländern zerstört wird." Die Idee einer "europäischen Identität" hält er für illusorisch, da die EU ihr christliches Erbe verleugne. Er forderte die Union auf, sich dem von Liberalen und Linken geprägten Zeitgeist zu widersetzen.

Wenige Tage später in der Berliner Zeitung ging er noch einen Schritt weiter. Darauf angesprochen, daß Forderungen wie die nach Begrenzung des Ausländeranteils, der Beschleunigung von Asylverfahren und Ausweisung von Kriminellen der DVU-Programmatik entsprächen, erwiderte er kühl: "Ein Teil davon ist inzwischen Allgemeingut. Sogar der Bundeskanzler hat schon Ähnliches gefordert." Im Interview mit der Frankfurter Rundschau erwies er sich als kluger Dialektiker: "Für mich ist die Verfassung das Entscheidende, zumal sie christlich geprägt ist." In Anlehnung an den ersten Bundespräsidenten Theodor Heuß sagte er, Toleranz bedeute nicht Prinzipienlosigkeit.

Damit hat er die üblichen Reflexe ausgelöst. Der DGB-Vizechef von Berlin-Brandenburg, Bernd Rissmann, sprach von "unerträglichen" Äußerungen. Die Grünen sahen darin einen Beleg dafür, wie weit es den Rechtsextremen gelungen sei, ihr Gedankengut ins bürgerliche Lager hineinzutragen. Heftige Kritik kam auch von der SPD. Allerdings hat Ministerpräsident Matthias Platzeck ihn im Landtag offensiv verteidigt. Schönbohms "sehr deutlich zum Ausdruck gebrachter Standpunkt" sei auch die Position der Landesregierung. Platzeck, der sich auf ein schwieriges Regieren eingestellt hat, weiß, daß dabei auf Schönbohm Verlaß ist. An einer Schwächung seines Innenministers kann er kein Interesse haben.

Jörg Schönbohm ist nach wie vor anzumerken, daß er kein typischer Parteipolitiker ist und Politik aus Leidenschaft, nicht als Gelderwerb betreibt. Beruflich muß der 67jährige sich nach einer glänzenden militärischen Karriere nichts mehr beweisen. Er war unter anderem Adjutant des ehemaligen Verteidigungsministers Manfred Wörner (CDU) und im Planungsstab des Verteidigungsministeriums tätig. 1990 wurde er Kommandeur der Bundeswehr in Mitteldeutschland, wo er sich unter den DDR-Militärs wegen seiner fairen Umgangsformen großen Respekt erwarb. Will die Bundes-CDU in nationalpolitischen Fragen Kompetenz zurückgewinnen, wird sie auf Schönbohms Sachverstand und Charakterstärke mehr als bisher zurückgreifen müssen.

"Wer zu uns kommt, muß die deutsche Leitkultur übernehmen."

Rückendeckung für diese Forderung erhielt Jörg Schönbohm (r.) von Ministerpräsident Matthias Platzeck (l., SPD) Foto: pa


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