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04.12.04 / Verlorenes Glück / Trotz erfolgreicher Flucht aus Danzig findet Familie nicht mehr zueinander

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Dezember 2004


Verlorenes Glück
Trotz erfolgreicher Flucht aus Danzig findet Familie nicht mehr zueinander

Ein leichtes, zögerliches Lächeln, so erinnere ich den Augenblick. Fast ein wenig scheu, so als sei sie sich bis zu dem Moment, da sie die eng beschriebenen Seiten zu mir über den Tisch schob, nicht sicher gewesen, ob sie sie loslassen, mir übereignen solle. Es waren 17 Seiten, Format DIN A5." Bei diesen 17 Seiten, handelt es sich um eine Zusammenfassung von Flucht und Vertreibung, dem wichtigsten Lebensabschnitt von Uwe-Karsten Heyes Mutter, ihre tiefsten Gefühle und privatesten Erinnerungen.

Kaum, daß der Vater von Uwe-Karsten, Wolfgang Heye, seine Ausbildung zum Opernsänger erfolgreich beendet hatte, wurde der sensible, künstlerisch begabte Familienvater zur Wehrmacht eingezogen. Die Mutter Ursula Heye ließ ihren Liebsten nur schweren Herzens ziehen und widmete sich der Truppenbetreuung in Danzig. Als sich das Ende des Krieges abzeichnete, begann sie mit ihren Kindern Uwe-Karsten und Barbara die Flucht zu planen.

"Der Widerstand gegen Hitler, er kam zu spät und war dann zu kraftlos, um den eisernen Griff der Nazi-okkupation zu lösen und eine bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches zu verhindern. Der Lauf der Geschichte war nicht aufzuhalten ... In Geschichtsbüchern kann man nachlesen, daß es 60.000 Menschen gewesen sind, die sich im kalten Winter 1945 allein in Gotenhafen zusammendrängten und darauf warteten, auf ein rettendes Schiff zu kommen. Am 30. Januar sollte die nächste Fahrt der ,Gustloff' von Gotenhafen abgehen, über die verminte und durch russische U-Boote gefährdete Ostsee nach Flensburg. Das Schiff war schon überbucht, aber wir bekamen noch Plätze. Wie meine Mutter erfuhr, daß es doch noch einen Zug gab, der Danzig verlassen sollte, ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte die ,Gustloff' uns zwar auf der Passagierliste, nicht aber an Bord." Was daraufhin geschah, dürfte allgemein bekannt sein.

"Das sowjetische U-Boot ,S 13', das die ,Gustloff' unbemerkt verfolgt hatte, landete mehrere Torpedovolltreffer; das Riesenschiff versank innerhalb einer Stunde in der stürmischen, eisigen Ostsee. Über 9.000 Menschen kamen dabei ums Leben."

Nach Kriegsende machen sich Wolfgang und Ursula Heye auf die Suche nacheinander. Ursula bekommt die Nachricht, daß ihr über alles geliebter Mann in Stalingrad vermißt sei, Wolfgang, der sich jedoch bester Gesundheit erfreut, wird darüber informiert, daß sich die Namen seiner Angehörigen auf der Passagierliste der gesunkenen "Gustloff" befanden.

Bei beiden geht das Leben ohne einander weiter. Ursula zieht mühsam, immer um Geld kämpfend, ihre Kinder groß, Wolfgang Heye hingegen heiratet erneut.

Jahre später werden seine Kinder bei ihm an der Türe klingeln, in dem vergeblichen Versuch, in ihm den Vater zu finden, der ihnen all die Jahre gefehlt hat.

Uwe-Karsten Heye beschreibt am Beispiel seiner eigenen Familie wie grausam das Schicksal des Krieges Familien auseinanderreißen und jegliches Glück zunichte machen kann. Er zeigt auf, wie ein Leben wie das seiner Mutter Ursula zur Tragödie werden kann, wenn man sich selbst aufgibt auf der Jagd nach Liebe.

Der Autor selbst, bis 2003 Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung und seit dem Generalkonsul in New York, begibt sich in diesem Buch auf die Suche nach der Begründung und dem Ursprung eines Satzes, den seine Mutter ihm einst über die Beziehung zu seinem Vater sagte, "es waren vier gemeinsame Jahre, vier glückliche Jahre, die ein ganzes Leben aufwiegen". A Ney

Uwe-Karsten Heye: "Vom Glück nur ein Schatten - Eine deutsche Familiengeschichte", Blessing, München 2004, geb., Abb., 192 Seiten, 18 Euro


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