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Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Dezember 2004
Deutschlands Polizei sieht sich seit der EU-Osterweiterung bei der
Bekämpfung des Menschenhandels "zunehmenden Erschwernissen auf europäischer
und bundesdeutscher Ebene gegenüber", klagt Münchens Polizeipräsident
Wilhelm Schmidbauer. Im Vergleich zum Vorjahr habe die Zahl der Prostituierten
aus den EU-Beitrittsländern um rund 50 Prozent zugenommen, "und das ist
meiner Meinung nach erst der Anfang". Die geltenden Bestimmungen ermöglichen eine Ausübung der Prostitution als
"selbständige Erwerbstätigkeit" ohne weitere Erlaubnis. Hinzu kommen
Reiseerleichterungen durch die europäische Visumpolitik. Frauen und Zuhälter
aus den Staaten Ost- und Mitteleuropas machen davon regen Gebrauch. Die Berliner Politik macht der Polizei das Leben ebenfalls schwerer. Fast
drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse
der Prostituierten vom 1. Januar 2002 muß festgestellt werden: "Das Gesetz
verkehrt den eigentlichen Sinn in das Gegenteil. Es stärkt nicht die Position
der zur Prostitution gezwungenen Frauen, sondern die der Zuhälter. Die
Möglichkeiten, auch strafrechtlich gegen sie vorzugehen, wurden stark
eingeschränkt. Nach der neuen, auf dem Prostitutionsgesetz beruhenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Nachweis der Ausbeutung der Dirnen
für die Polizei nur schwer zu führen. Sie muß dem Tatverdächtigen
nachweisen, daß er die Prostituierte gegen ihren Willen in einem persönlichen
oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis hält." Dazu komme die stark
verminderte Aussagebereitschaft der Opfer, die aufgrund der Erfahrungen im
Herkunftsland vor der Polizei Angst haben. Die Polizei kämpft, wie Schmidbauer weiter erläutert, weitgehend vergeblich
auch gegen die Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 3. März
2004, das den Lauschangriff in Teilbereichen für verfassungswidrig erklärte.
Im Polizeijargon heiße das: "Beim Kuß ist Schluß". Sobald das Gespräch
zwischen Zuhälter und Prostituierten auf den Kernbereich privater
Lebensführung komme, müsse das Abhören beendet werden. Schmidbauer: "Mich
erinnert das an den Satz: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß." Der Polizeipräsident befürchtet, daß die Leitsätze des
Bundesverfassungsgerichts in die Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes
fließen: "So dürften künftig die Ausbeutung von Prostituierten und die
Förderung sexueller Handlungen mit Minderjährigen nicht mehr zu den
schwerwiegenden Straftaten zählen." In München werden seit der Osterweiterung und der Verschiebung der
EU-Außengrenzen zunehmend Frauen aus Bulgarien oder der Türkei registriert,
die illegal eingeschleust und zur Prostitution gezwungen werden. In anderen
deutschen Großstädten verstärken vorrangig Frauen aus der Ukraine und
Rußland die Zahl der Prostituierten, "und das mit zunehmender Tendenz".
Norbert Matern |