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11.12.04 / Tage wie mit roter Freude behangen / Vor 75 Jahren starb die noch heute unvergessene Dichterin Frieda Jung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Dezember 2004


Tage wie mit roter Freude behangen
Vor 75 Jahren starb die noch heute unvergessene Dichterin Frieda Jung
von Ruth Geede

Nachfahren der ostpreußischen Dichterin Frieda Jung trafen sich vor kurzem in Mühlheim / Ruhr zu einem regen Gedankenaustausch. Anlaß war der 80. Jahrestag der Diamantenen Hochzeit von Gustav und Magdalene Jung, Urgroßeltern des Bonner Journalisten Eberhard Jung, der dieses Treffen angeregt hatte. Daß die neun Teilnehmer - acht hatten leider absagen müssen - besonders intensiv der Dichterin gedachten, hatte seinen Grund: Der Todestag von Frieda Jung jährt sich nun zum 75. Male. Am 14. Dezember 1929 starb sie im Alter von 64 Jahren in Insterburg.

Sie blieb bis heute unvergessen. Kaum eine Ostpreußen-Anthologie, in der Frieda Jung nicht vertreten ist. Zumeist mit einem ihrer Gedichte wie "Dat Scheenste" oder "Ons Lies-ke", und vor allem ihr "Gebet" (Herr, gib uns helle Augen ...). Die Älteren werden sich daran erinnern, daß diese Gedichte in ihren Lesebüchern standen. Ein unbedingtes Muß im Deutschunterricht war aber ihr bekanntestes und beliebtestes Prosawerk: "In der Morgensonne". Es sind ihre Erinnerungen an eine behütete Kindheit in dem kleinen Dorf Kiaulkehmen, Kreis Gumbinnen, in dem die Dichterin als fünftes Kind des Lehrers August Jung am 4. Juni 1865 geborenen wurde. Es gibt in der ostpreußischen Literatur kein vergleichbares Buch, das mit solch einer Wärme und Liebe zur Heimat und ihren Menschen geschrieben wurde. Das einfache, ja entbehrungsreiche Leben einer Schulmeisterfamilie im alten Ostpreußen wird hier aufgefächert, eingebettet in die Dorfgemeinschaft, von deren Freuden und Leiden sie erzählt. Aber in ihren Erinnerungen überwiegen die heiteren Stunden. Einmal erzählte sie von den roten Quitschen, den Ebereschen, die über den Zaun des Schulgartens hingen: "Die waren mit roter Freude behangen. So hatten die Tage meiner Kindheit ausgesehen!"

Die Nestwärme dieses Elternhauses war die beste Mitgift für ein Leben in Höhen und Tiefen. Der Dichter Jean Paul hat einmal gesagt: "Mit einer Kindheit voller Liebe kann man für ein halbes Leben haushalten!" Bei Frieda Jung reichte es für ein ganzes Leben. Der erste große Schmerz kam mit dem Tod des geliebten Vaters; die 16jährige übernahm den Unterricht für die 22 Dorfkinder. Dann mußte sie diesen engen Heimatkreis verlassen. Eine beginnende Augenschwäche ließ sie auf den angestrebten Lehrerinnenberuf verzichten. Frieda Jung flüchtete in eine Ehe, die sich als unglücklich erwies und nur ein Jahr dauerte. Noch schwerer wog der Tod ihres ersten und einzigen Kindes kurz nach der Geburt.

Es folgten wechselhafte Jahre als Hauslehrerin und Gesellschafterin, zuletzt bei einer sehr eigenwilligen Frau mit schlichtem Gemüt, der sie mit ihrer heiteren Erzählung "Tante Seidel" ein literarisches Denkmal setzte. Etwas Dankbarkeit war wohl auch dabei, denn während dieser Zeit begann Frieda Jung Gedichte zu schreiben, nicht mehr heimlich wie bisher. Sie war 35 Jahre alt, als ihr erster Gedichtband erschien. Nach dem Tod von Tante Seidel konnte sie dann in Buddern bei Angerburg in einem eigenen kleinen Haus als freie Schriftstellerin leben. Es wurden ihre schönsten und fruchtbarsten Jahre, in denen sie Gedichte, Erzählungen und Märchen schrieb, die sie auf vielen Lesungen vortrug.

Nicht nur in Ostpreußen, denn als der Erste Weltkrieg ausbrach und sie beim Russeneinfall fliehen mußte, zog sie durch Mitteldeutschland und berichtete dort über ihre zerstörte Heimat, las ihre Gedichte, die von Vertreibung und Heimweh sprachen. Aber sie konnte - anders als die folgende Generation - in ihr geliebtes Ostpreußen zurückkehren, fand in Insterburg eine letzte Heimstatt, wo sie dann nach schwerer Krankheit vor 75 Jahren starb. Das an ihrem ersten Todestag eingeweihte Grabmal auf dem neuen Friedhof in Insterburg zeigt den Bronzekopf der Dichterin.

Ihr Nachlaß wurde von ihrem Großneffen Walter Jung bis zu dessen Tod vor einigen Jahren sorgsam gehütet, so blieb auch manches Unveröffentlichte erhalten. Auch die Angehörigen der weitverzweigten Familie, die sich jetzt in Mülheim zusammenfanden, sind keine direkten Abkömmlinge von Frieda Jung. Urgroßvater Gustav Jung war ein Bruder von August Jung, dem Vater der Dichterin. Er hatte 1864 in Judtschen Magdalene Girod geheiratet und war nach dem Ersten Weltkrieg in das Ruhrgebiet gezogen. Die Brüder hatten noch neun weitere Geschwister, und die gründeten auch kinderreiche Familien, die ein anderer Nachfahre, Günter Lotzkat, in umfangreichen Ahnentafeln dokumentiert hat.

Nur meine Urgroßmutter Anna Maria Jung habe ich darin nicht gefunden. Aber verwandt seien wir mit Sicherheit - hatte meine Mutter immer behauptet. Das hätte Frieda Jung einmal meinem Bruder bestätigt, als sie bei einer Lesung in seiner Schule, dem Königsberger

Friedrichs-Kolleg, ihn als "meinen Neffen" bezeichnete. Immerhin: Die Lust zum Schreiben, die Liebe zum gedruckten und gesprochenen Wort, die habe ich mir ihr gemein. Zumindestens das verbindet.

Familientreffen: Nachfahren von Frieda Jung (Foto rechts) erinnerten sich an die Dichterin. Fotos (2): privat


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