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11.12.04 / "Reiner Tisch wird gemacht werden" / Vor 60 Jahren warb Winston Churchill vor dem Unterhaus für die Vertreibung der Ostdeutschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Dezember 2004


"Reiner Tisch wird gemacht werden"
Vor 60 Jahren warb Winston Churchill vor dem Unterhaus für die Vertreibung der Ostdeutschen
von Alfred Schickel

"Vertreibung ist Unrecht" - dieser Satz war vor Jahren bei der Vertreibung der Kosovo-Albaner allenthalben zu hören. Er wurde auch als Begründung für das militärische Einschreiten der westlichen Mächte gegen eine derartige gewaltsame Entwurzelung von Menschen auf dem Balkan angeführt. Schließlich galt es dabei einen mehrfachen Bruch von Menschenrechten zu sühnen und für die Zukunft zu verhüten. Anders als die deutschen Vertriebenen wurden die albanischen wie andere Heimatvertriebene unserer Zeit auch nicht als "Ewig-Gestrige", "Revanchisten" oder "Friedensstörer" verunglimpft. Vor diesem schwer erträglichen Messen mit unterschiedlichen Maßstäben, dem sogenannten Double Standard, könnte die genauere Kenntnis der jüngeren Geschichte schützen. Sie hülfe zugleich, vereinzelte Drohgebärden als nicht ernst zu nehmenden Bluff zu durchschauen und damit eine weitere Eskalierung zu vermeiden.

Die Erinnerung an die Unterhausrede Winston Churchills am 15. Dezember 1944 bietet dafür ein einprägsames Beispiel. Der britische Kriegspremier liefert mit seinen Ausführungen vor der zweiten Kammer des britischen Parlaments den nachgeborenen Polen und den deutschen Ostvertriebenen gleichermaßen Argumente, den Polen, welche die Verantwortung für die Vertreibung ungeachtet eigener "wilder Vertreibungen" von sich zu den Hauptsiegermächten weg schieben, mit den Worten: "Die Umsiedlung von mehreren Millionen Menschen müßte vom Osten nach dem Westen oder Norden durchgeführt werden, ebenso wie die Vertreibung der Deutschen - denn das wurde vorgeschlagen: Völlige Vertreibung der Deutschen - aus den Gebieten, die Polen im Westen gewinnt." Und als ob er mit diesen harten Worten nicht schon genug an Kaltherzigkeit gezeigt hätte, spielte Churchill die große Zahl der "umzusiedelnden" Menschen mit dem Hinweis herunter, daß ja schon "sechs bis sieben Millionen Deutsche in diesem schrecklichen Krieg getötet" worden seien und weitere sterben würden "in den Kämpfen des kommenden Frühjahrs und Sommers ..., denn wir müssen uns darauf gefaßt machen, daß in dieser Zeit die schwersten Kämpfe dieses Krieges auszufechten sein werden".

In der Tat forderten die Ereignisse zwischen Dezember 1944 und Mai 1945 von den Deutschen noch einen hohen Blutzoll. Und zwar nicht allein an gefallenen Soldaten an den Fronten, sondern vor allem in den vom alliierten Bombenkrieg heimgesuchten Städten. Bekanntlich waren die Hunderttausende von Toten von Dresden, Würzburg, Pforzheim oder Swinemünde tatsächlich erst in den letzten sechs Kriegsmonaten zu beklagen.

US-Präsident Roosevelt kündigte seinem Bundesgenossen Stalin diese "erbarmungslose Luftkriegsführung gegen Deutschland" am 8. Februar 1945 in einer persönlichen Note an. Wenige Tage später demonstrierte seine Air Force am Beispiel der Zerstörung Dresdens die Ernsthaftigkeit dieser Ankündigung. Roosevelts Freund Churchill hatte diese Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung schon Jahre zuvor in seine Planungen aufgenommen. Seinem Mitarbeiter in der Downing Street, John Colville, hatte er am 8. Juli 1940 anvertraut: "Es gibt nur ein Mittel, das ihn [Hitler] in die Knie zwingen wird, und das ist eine totale Verwüstung, eine Ausrottung der Nazi-Heimat durch massive Bombenangriffe von hier aus." Der später von ihm halb verstoßene "Bomber-Harris" übernahm bekanntlich dieses Zerstörungswerk.

Churchill wirkte jedoch nicht nur auf den amerikanischen Präsidenten "beispielgebend", sondern in der verbalen "Taxierung" des Gegners auch auf den polnischen Exil-Ministerpräsidenten Mikolajczyk. Obwohl er diesen in einer dramatischen Auseinandersetzung einmal "reif für die Irrenanstalt" gescholten hatte, blieb er in der Klassifizierung der Deutschen für den polnischen Premier der Ton angebende Mann. Das wurde besonders in einer Ansprache deutlich, die Mikolajczyk 1944 über Radio an das polnische Volk hielt. Darin bezeichnete er den deutschen Gegner als "Untier", welches man daran hindern werde, "die Welt durch neue Aggressionsakte wieder zu bedrohen".

Mit derartigen verbalen Verrohungen hielt auch Sowjetdiktator Stalin nicht hinterm Berg, als er die polnische "Heimatarmee" nach ihrem Aufstand im Sommer 1944 als "verbrecherische Elemente" beschimpfte und sie schlußendlich ihrem Schicksal überließ, nicht ahnend, daß das "deutsche Untier", SS-General von dem Bach-Zelewski, die polnischen Aufständischen nachträglich als kriegsrechtliche Kombattanten anerkannte und nicht als Partisanen vor Erschießungs-

kommandos führen ließ. Diese ritterliche Einstellung hielt Churchill jedoch nicht davon ab, zwei Monate später den Deutschen eine "völlige Vertreibung" anzukündigen und den Polen die dann menschenleeren Gebiete im "Westen und Norden" zu verheißen. Für die solchermaßen durch Mikolajczyks und Churchills Formulierungen "motivierten" Polen, bedeutete dies "Persilschein" und "freie Bahn" zur rücksichtslosen Vertreibung der Ostdeutschen im nachfolgenden Frühjahr 1945.

Zu welchen Ausmaßen und Exzessen sie sich dabei hinreißen ließen, überliefert ein geheimer US-amerikanischer Militärbericht vom 18. Oktober 1945. Darin heißt es: "In Schlesien wird den Deutschen befohlen, ihre Heimstätten zu verlassen und ‚Neu-Polen' zu räumen. Viele, die nicht in der Lage sind, der Ausweisung Folge zu leisten, werden bei geringer Verpflegung und dürftiger Sanitär-Betreuung in Lagern festgehalten. Die Krankheits- und Todesraten sind in den Lagern äußerst hoch. Deutsche, die versuchen, ihre Heimstatt und ihre Ländereien zu behalten, werden dermaßen terrorisiert, daß sie schließlich ‚freiwillig' ihre Höfe räumen".

Im Unterschied zur hiesigen politischen Klasse kennt man an der Weichsel offenbar auch den Teil der Churchill-Rede, in dem der britische Premier darlegt, welchen vorteilhaften Gebietstausch die Polen mit der Anerkennung der Curzon-Linie und der Entschädigung durch den Erwerb der deutschen Ostgebiete machen würden. Hierbei verwies Churchill auf die bereits im Jahre 1919 von den Westmächten empfohlene Grenzlinie (Curzon-Linie) und betonte, daß "die Russen gerecht und richtig behandelt werden, wenn man ihre Forderung nach einer Ostgrenze, die mit der beschriebenen Curzon-Linie identisch ist, erfüllt". Churchill pries Polens "Gebietszuwachs im Westen und Norden" als "viel wertvoller" und "viel höher entwickelte Gebiete" umfassend als den "Verlust im Osten". Hingegen würden die Polen mit der Anerkennung der Curzon-Linie als ihrer Ostgrenze nur Landstriche von der Qualität der Pripjetsümpfe verlieren, also letztlich einen sehr guten Tausch machen.

Diese Bewertung wurde im übrigen auch von US-amerikanischen Experten geteilt. Sie paßt jedoch nicht in die politische Linie Warschaus, versucht man doch an der Weichsel, die 1945 an die Sowjetunion abgetretenen Gebiete wertmäßig mit den deutschen Ostgebieten gleichzusetzen, um gegebenenfalls noch eigene Wiedergutmachungsforderungen erheben zu können. Mit diesem Winkelzug, wollte das polnische Parlament unlängst das Abschwören von deutschen Restitutionsforderungen erreichen und damit hat es in Berlin offensichtlich auch Wirkung erzielt, wie das Verhalten der deutschen Spitzenpolitiker bewies.

Winston Churchill: Für den Karlspreisträger war "die Vertreibung ... das befriedigendste und dauerhafteste Mittel". Foto: Archiv

 

Auszug aus Winston Churchills Unterhausrede vom 15. Dezember 1944

Ich kann mich nicht der Ansicht anschließen, daß die Regelungen, die für die Grenzen des neuen Polen vorgeschlagen wurden, nicht wohlbegründet und nicht befriedigend seien, oder daß sie Polen nicht den "Ruheplatz" geben würden, von dem ich dem Haus in Februar gesprochen habe. Wenn Polen Lemberg und die umliegenden Gebiete im Süden entsprechend der als Curzon-Linie A bekannten Grenzziehung abtritt ... und diese Gebiete zur Ukraine geschlagen werden, dann gewinnt es im Norden ganz Ostpreußen, westlich und südlich der Festung Königsberg, einschließlich der großen Stadt Danzig mit ihrem Hafen. Danzig, eine der schönsten Städte und einer der schönsten Häfen in der ganzen Welt, das seit Jahrhunderten als großer Sammelplatz des baltischen Handels und der Welt bekannt ist. Alles das wird Polen gehören statt des gefährdeten und künstlichen Korridors, der nach dem letzten Krieg mit soviel Mühe hergestellt wurde, und es wird mehr als 200 Meilen Küste an der Ostsee besitzen. Es steht den Polen frei, was Rußland und Großbritannien betrifft, ihr Gebiet nach Westen auf Kosten Deutschlands auszudehnen. Ich möchte nicht auf nähere Details eingehen, aber den Gebietserweiterungen, die von Großbritannien und Rußland, verbunden wie beide durch den 20jährigen Bündnisvertrag sind, unterstützt werden, kommt höchste Bedeutung zu. Daher ist der Gebietszuwachs im Westen und Norden viel wertvoller und er umfaßt auch viel höher entwickelte Gebiete als der Verlust im Osten. Wir hören, ein Drittel Polens müsse abgetreten werden. Da muß ich aber daran erinnern, daß zu diesem Drittel auch das weitgestreckte Gebiet der Pripjetsümpfe gehört, eine ganz öde Gegend, die zwar die Anzahl Quadratkilometer der Seite erhöht, die sie gewinnt, ohne aber zum Reichtum des Landes etwas hinzuzufügen.

Damit habe ich dem Haus in Umrissen das Angebot gezeigt, das die Russen, denen noch immer die Hauptlast der Befreiung zufällt, dem polnischen Volk machen. Ich kann nicht glauben, daß ein derartiges Angebot von Polen verworfen werden wird. Natürlich würde ein Bevölkerungsaustausch im Osten und Norden die Folge sein. Die Umsiedlung von mehreren Millionen Menschen müßte vom Osten nach dem Westen oder Norden durchgeführt werden, ebenso wie die Vertreibung der Deutschen - denn das wurde vorgeschlagen: Völlige Vertreibung der Deutschen - aus den Gebieten, die Polen im Westen gewinnt. Denn die Vertreibung ist, soweit wir in der Lage sind es zu überschauen, das befriedigendste und dauerhafteste Mittel. Es wird keine Mischung der Bevölkerung geben, wodurch endlose Unannehmlichkeiten entstehen, wie zum Beispiel im Fall von Elsaß-Lothringen. Reiner Tisch wird gemacht werden. Mich beunruhigt die Aussicht des Bevölkerungsaustausches ebensowenig wie die großen Umsiedlungen, die unter den modernen Bedingungen viel leichter möglich sind als je zuvor.

Der Bevölkerungsaustausch, der nach dem letzten Kriege zwischen Griechenland und der Türkei stattfand, war in vielerlei Hinsicht erfolgreich und hat zu freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland geführt. Der Austausch, der zuerst unmöglich schien und von dem man sagte, er würde das türkische Anatolien vieler notwendiger Dienste berauben und Griechenland könne bei seiner Größe und seiner Bevölkerung niemals die zusätzliche Bevölkerung assimilieren und ernähren - ich sage, dieser Austausch löste Probleme, die früher Anlaß zu ständigen Reibungen, Kriegen und Kriegsgerüchten gegeben hätten. Ich sehe auch nicht ein, warum in Deutschland kein Platz für die Bevölkerung Ostpreußens und der anderen von mir erwähnten Gebiete sein sollte. Schließlich wurden bereits sechs bis sieben Millionen Deutsche in diesem schrecklichen Krieg getötet, in den sie zum zweiten Mal in einer Generation Europa ohne Zaudern gestürzt haben. Gegenwärtig, heißt es, würden zehn bis zwölf Millionen Gefangene oder Ausländer in Deutschland als Sklaven gehalten, die, wie wir hoffen, ihrem Heim und ihrem Land, sobald der Sieg errungen wurde, zurückgegeben werden. Überdies ist zu erwarten, daß noch mehr Deutsche in den Kämpfen des kommenden Frühjahrs und Sommers getötet werden, denn wir müssen uns darauf gefaßt machen, daß in dieser Zeit die schwersten Kämpfe dieses Krieges auszufechten sein werden.


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