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11.12.04 / Anknüpfen an pietistische Traditionen / Interview mit dem litauischen Bischof Mindaugas Sabutis anläßlich seines Besuchs der Gemeinde Nidden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Dezember 2004


Anknüpfen an pietistische Traditionen
Interview mit dem litauischen Bischof Mindaugas Sabutis anläßlich seines Besuchs der Gemeinde Nidden

Herr Bischof, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum Bischof. Für wie lange sind Sie gewählt? Wie groß ist Ihre Kirche?

Sabutis: Ein Bischof wird bei uns auf Lebenszeit gewählt, allerdings muß er alle fünf Jahre durch die Synode in seinem Amt bestätigt werden. Wir haben in Litauen 54 Gemeinden mit 20 Pastoren. Die Evangelisch-lutherische Kirche hat 19.600 Gemeindemitglieder. Das sind 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Litauens.

Sie sind Bischof einer Diasporakirche. Wie viele Einwohner hat Litauen, wie viele sind katholisch?

Sabutis: Litauen hat eine Bevölkerung von 3,4 Millionen Menschen. Der katholischen Kirche gehören 80 Prozent, den Orthodoxen sechs Prozent an. Unsere Evangelisch-lutherische Kirche steht an dritter Stelle, danach folgen die Reformierten. Es gibt mit ihnen eine gute Zusammenarbeit. Unsere Theologen werden an einer gemeinsamen theologischen Fakultät ausgebildet, ebenso arbeiten wir in der Jugendarbeit zusammen.

Wie gestaltet sich in Litauen Ökumene?

Sabutis: Ökumene ist schwierig. Das Verständnis füreinander ist gering. Ein Bürgermeister sprach kürzlich von "Christen und Lutheranern".

Wie sieht es mit der weltweiten Ökumene aus, und wie ist das Verhältnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland?

Sabutis: Unsere ältesten Beziehungen bestehen seit 1968 zum Lutherischen Weltbund. Unsere Kirche ist Mitglied der Leuenberger Kirchengemeinschaft. Seit 1995 haben wir uns der Porwoo-Deklaration, dem Zusammenschluß nordeuropäischer Lutheraner mit den Anglikanern, angeschlossen.

Unsere Kirche pflegt seit Jahren besondere Beziehungen zur nordelbischen und zur lippischen Kirche in Deutschland. Einige unserer Pfarrer haben mit ihren Gemeinden direkte persönliche Kontakte zu Gemeinden in Deutschland. Ferner bestehen gute Verbindungen zum Martin-Luther-Bund, zum Gustav-Adolf-Werk und natürlich zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Seit Jahren gibt es auch Kontakte zur amerikanischen Missouri-Synode. Den Beitritt unseres Landes zur EU bewerte ich sehr positiv.

In der Bundesrepublik Deutschland gehen die kirchlichen Einnahmen zurück; wie sieht die finanzielle Situation in Ihrer Kirche aus?

Sabutis: Hilfe und Unterstützung für unsere Kirche und ihre Gemeinden sind uns sehr wichtig. Vor 15 Jahren bestanden nur 20 Gemeinden mit sechs Pastoren. Zwischenzeitlich konnten wir 15 Kirchen renovieren. Insgesamt sind wir eine wachsende Kirche. Das trifft aber nicht immer für unsere dörflichen Gemeinden zu.

Wie werden litauische Pfarrer besoldet?

Sabutis: Fünf unserer Pfarrer beziehen ein Monatsgehalt. Andere haben ihre Einnahmen nur durch anfallende Kasualien (Taufen, Trauungen, Beerdigungen). Mehrere Pfarrer sind für drei bis vier Gemeinden zuständig. Sie müssen viele Kilometer zurücklegen, um zu ihnen zu kommen. Darunter leidet gelegentlich die Arbeit.

Sie sind nicht nur Bischof, sondern auch Pfarrer von Vilnius. Kommt Ihre Gemeinde durch Ihr Doppelamt zu kurz?

Sabutis: Wenn ich in meiner Eigenschaft als Bischof unterwegs sein muß, brauche ich für den Gottesdienst in Vilnius eine Vertretung. Ich bin darauf angewiesen, daß mich Pfarrkollegen vertreten.

Was bietet Ihre Kirche jungen Menschen? Wie viele Konfirmanden gibt es?

Sabutis: Für unsere jungen Gemeindemitglieder veranstalten wir in jedem Sommer sieben Jugendcamps und zwar für verschiedene Altersgruppen. Zwischen 200 bis 300 junge Menschen werden jährlich in unserer Kirche konfirmiert.

Herr Bischof, Sie sind erst seit kurzem im Amt. Was werden Ihre Schwerpunkte sein?

Sabutis: Zwischen den geistlichen und den administrativen Aufgaben ist zu unterscheiden. Beginnen wir bei letzteren.

Ein vordringliches Projekt ist, einen Fond zu gründen, aus dem Pfarrgehälter und Pensionen künftig gezahlt werden können. Etwa zehn Prozent der einzuzahlenden Gelder kann unsere Kirche leisten. Wir werden Hilfe von außen erbitten müssen. Ein solcher Fond hat einen psychologischen Grund. Wenn die Pfarrgehälter garantiert sind, gewinnen unsere Pfarrer Freiheit und eine gewisse Unabhängigkeit. Ich hoffe, daß dies in einem Zeitraum von etwa 15 Jahren erreicht ist.

Für unsere diakonische Arbeit werden wir eine Dachorganisation bilden. Wir werden auch versuchen, die Diakonie in unserer Kirche allen Gemeindemitgliedern verständlicher zu machen. Mir liegt viel an Öffentlichkeitsarbeit. Unsere Kirche muß mit ihren Aufgaben und Diensten in Litauen bekannt werden. Wir legen Wert auf die Kommunikation in unserer Kirche sowie zwischen Kirche und Gesellschaft.

Die geistlichen Aufgaben unserer Kirche sind herauszustellen. Wir Pfarrer und auch der Bischof sind nicht die Herren der Kirche. Kirche ist mehr als die Gesellschaft oder irgend eine Partei. Gott steht über der Kirche, er ist mehr als die Kirche. Zu unserer kirchlichen Arbeit gehört, daß wir Mission treiben und Seelsorge. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges waren unsere Gemeinden pietistisch geprägt. Gemeindemitglieder trafen sich zu Hausgemeinden und Hausgebeten. Wir wollen versuchen, diese Tradition wieder aufzunehmen und neu zu beleben.

Wie stehen Sie zur Frauenordination?

Sabutis: Diese Frage stellt sich uns nicht. Wir haben keine Kandidatinnen. Frauenordination ist in unserer Kirche keine Realität, und wir nehmen die Aussagen des Apostels Paulus ernst. Außerdem achten wir darauf, daß die ökumenischen Beziehungen nicht gestört werden.

Die Evangelische Kirche in Deutschland führt auf der Kurischen Nehrung Urlauberseelsorge in den Sommermonaten durch deutsche Pfarrer durch. Sehen Sie Möglichkeiten, diese Urlauberseelsorge - zum Beispiel in Vilnius - zu erweitern?

Sabutis: Viele deutsche Urlauber und Touristen kommen auf die Kurische Nehrung. Dort ist der richtige Platz für die Urlauberseelsorge. In Vilnius haben wir beispielsweise nur Tagesgäste, so daß sich dieses Angebot nicht lohnt.

Eine persönliche Frage: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

Sabutis: Ja, ich bin verheiratet. Meine Frau ist ebenfalls Theologin. Kinder haben wir nicht.

Herr Bischof, haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch.

 

Die Fragen stellte Pfarrer i.R. Klaus Dieter Härtel, den die Evangelische Kirche in Deutschland - Kirchliches Außenamt - dieses Jahr schon zum vierten Mal zur Urlauberseelsorge auf die Kurische Nehrung nach Nidden entsandte. Mit einem litauischen Kollegen feierte er in Nidden und Schwarzort acht litauisch-deutsche Gottesdienste. Er leitete vier deutschsprachige Wochenendgottesdienste in Nidden sowie einen Gottesdienst für die deutschsprachige Gemeinde in Memel. Darüber hinaus traute er, ebenfalls mit einem litauischen Kollegen, ein litauisch-deutsches Ehepaar in Heydekrug. Zum Dienst gehörte, jeden Vormittag für Gespräche mit Reisegruppen und Besuchern in der Fischerkirche in Nidden zur Verfügung zu stehen.

 

Bischof Mindaugas Sabutis (l.) im Gespräch mit Pfarrer i.R. Klaus Dieter Härtel: Der erst 29 Jahre alte Litauer wurde im Frühjahr dieses Jahres von der Evangelisch-lutherischen Kirche seines Landes zu deren neuem Bischof gewählt. Foto: Härtel


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