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18.12.04 / Angst vor dem Volk

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. Dezember 2004


Hans-Jürgen Mahlitz:
Angst vor dem Volk

Haben wir diesen Spruch nicht schon mal gehört? "Das ist zu sensibel! Das darf auf keinen Fall zum Wahlkampfthema werden!" Bislang war in jedem Wahlkampf irgendein Thema "zu sensibel", als daß man es dem angeblich mündigen Wähler hätte überlassen können. Und heute geht die politische Korrektheit sogar so weit, daß Wahlkampfthemen tabuisiert werden, obwohl noch lange kein Wahlkampf ist, zumindest nicht auf Bundesebene.

Es ist schon reichlich absurd: In diesen Tagen wird in Brüssel der rote Teppich für Ankara ausgerollt - keineswegs "ergebnisoffen", sondern als "klares Signal mit dem Ziel des Beitritts", wie der Bundeskanzler erst vor wenigen Tagen unmißverständlich feststellte. Im Wahl-Sommer 2006 aber, in gut anderthalb Jahren also, soll der EU-Beitritt der Türkei kein Thema mehr sein.

Wovor haben Schröder und Genossen eigentlich Angst? Vor dem "Stammtisch"? Wer soll das denn sein, dieser "Stammtisch"? Einfältige Menschen, die sich in verqualmten Wirtshäusern den zweifelhaften Freuden des Alkoholkonsums hingeben?

Erstens sind längst nicht alle Stammtische so, und zweitens meinen Politiker etwas ganz anderes, wenn sie vom "Stammtisch" reden. Sie meinen - das Volk! Davor haben sie Angst: daß dieses Volk ihre Politik nicht mehr mag und sie bei nächster Gelegenheit abwählt.

Im konkreten Falle ist diese Angst nicht unbegründet. Nach jüngsten Umfragen lehnen 55 Prozent der Deutschen eine Aufnahme der Türkei in die EU strikt ab; nur 33 Prozent sind dafür. Und gerade den Gegnern einer Vollmitgliedschaft ist diese Frage so wichtig, daß sie - wenn sie schon nicht direkt darüber mitbestimmen dürfen - ersatzweise ihr Votum bei der nächsten Bundestagswahl daran orientieren wollen.

Aus Sicht der rot-grünen Bundesregierung kann das gefährlich werden. Sie kann ohnehin kaum hoffen, bis 2006 aus dem Stimmungstief wegen Wirtschaftsflaute, Arbeitslosigkeit und Reformlasten herauszukommen. Da kann man Volkes Unmut wegen Türken, Zuwanderung usw. nun gar nicht gebrauchen. Da würde ja nicht einmal ein Hochwasser, kombiniert mit einem amerikanischen Angriff auf den Iran oder wen auch immer, die Wahlniederlage abwenden können.

Also muß das leidige Thema schnellstmöglich wieder zum Tabu erklärt werden. Die Multikulti-Apostel gehen von folgendem Szenarium aus: Jetzt wird die Grundsatzentscheidung getroffen, mit ein paar formellen Einschränkungen, die aber nur dazu dienen, die Beitrittsgegner ruhigzustellen. Im Frühjahr 2005 beginnen weitestgehend nicht-öffentliche Beitrittsverhandlungen. Da sich danach für lange Zeit nichts Spektakuläres mehr tut, gerät die Angelegenheit allmählich in Vergessenheit.

Wenn sich dann alle brav an das von politisch korrekten Gutmenschen verhängte Wahlkampftabu halten, passiert vielleicht ein ähnliches Wunder wie 2002: Gerhard Schröder stellt weiter den Kanzler dar, "Joschka" Fischer bleibt - in seiner Paraderolle als weltweit teuerster Stirnrunzler - Deutschlands "beliebtester Politiker". Und wenn die Türken erst einmal drin sind in der EU, wird man sie eh nicht mehr los; diesbezüglich haben wir in Deutschland ja langjährige Erfahrungen.


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