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18.12.04 / "Material läßt keine Phrase zu" / Das Stadtmuseum Berlin zeigt zwei Ausstellungen zum Thema Eisenguß

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. Dezember 2004


"Material läßt keine Phrase zu"
Das Stadtmuseum Berlin zeigt zwei Ausstellungen zum Thema Eisenguß

Kunstwerke aus Eisen - ja, gibt's denn so was? Eisen, das ist doch ein Material, das eher den Ingenieur als den Künstler fasziniert. Eisen, das ist "unedel", "armselig". Und doch fanden sich immer wieder Bildhauer, die sich mit diesem Werkstoff einließen, Ewald Mataré zum Beispiel, und die aus Eisen ganz besondere Werke schufen. Zu den zeitgenössischen Künstlern, die ihre Werke aus Eisenguß fertigen, zählen neben der Berlinerin Gertraude Zebe (siehe PAZ 49, Seite 9) Bildhauer wie Joachim Dunkel, Rolf Szymanski, Stefan Reichmann, Hans Scheib und Anna Franziska Schwarzbach, um nur einige zu nennen. Sie gehören zu den mehr als 20 Künstlern aus Berlin, die jetzt mit neuen Werken in der Ausstellung "Skulpturen in Eisen - Berliner Bildhauer heute" im Stadtmuseum Berlin - Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, vertreten sind (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr; bis 3. April 2005).

Schon zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wies Martin Sperlich, der aus dem ostpreußischen Darkehmen stammende und im Sommer 2003 verstorbene langjährige Herr über die Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin, auf die Bedeutung des Eisenkunstgusses in der zeitgenössischen Kunst hin: "Dieses Material entzieht sich den Zeitstilen und Moden und fordert die ,Bildhauerfaust' heraus, nicht anders, als wäre in Stein und Holz zu hauen, dieses Material läßt keine Phrase zu." In Berlin sind nun Plastiken mit sehr unterschiedlichen Handschriften zu sehen, figürliche, aber auch abstrakte. Die Künstler bedienen sich der reizvollen Oberfläche wie auch der möglichen Formenvielfalt. Und so mancher mag auch eine Reverenz, eine Verbeugung darin sehen, eine Verbeugung vor dem "fer de berlin", dem "Berliner Eisen", das einst als kunsthandwerklich einzigartiger Beitrag im 19. Jahrhundert Weltgeltung erlangte. Aus Eisen schufen Künstler Gebrauchs- und Ziergegenstände, ja sogar Schmuck; sie schufen gußeiserne Bauteile, Brücken, Denkmäler, die das Stadtbild Berlins bis heute prägen.

200 Jahre sind vergangen, daß in Berlin in einem bereits vorhandenen Werkstattgebäude an der Invalidenstraße die Gußeisenproduktion aufgenommen wurde. Schon 1796 war in Gleiwitz der erste Kokshochofen in Europa in Betrieb genommen worden; 1798 nahm man dort die ersten Kunstgüsse vor. In Berlin griff man zunächst auf die Erfahrungen zurück, die man bei der Errichtung der schlesischen Gießereien gemacht hatte, und erst im Oktober 1809 galt die Eisengießerei-Anlage in Berlin als nahezu vollendet. "Diese Anstalt ist eins der wichtigsten, nützlichsten und sehenwerthesten Etablissements der Stadt Berlin", lobte Heinrich Weber in seinem "Wegweiser durch die wichtigsten technischen Werkstätten der Residenz Berlin" (1820) die Einrichtung. "Sie ist diejenige Werkstatt, woraus die kunstreichsten Gebilde zur Erhaltung des Andenkens berühmter Mitbürger, die bestimmt sind, der Ewigkeit zu trotzen, hervorgehen, und woraus zugleich die lieblichsten Gegenstände zur Zierde und zum Schmuck des schönen Geschlechts geliefert werden, welches deren Gebrauch, ungeachtet des geringen Werts ihres Materials, nicht verschmäht, weil die darauf verwandte Kunst, und die ihm ertheilte gefällige Form denselben unendlich erhöhet."

Eine weitere Sonderausstellung des Stadtmuseums Berlin gibt jetzt Einblick in die Geschichte der Königlich Preußischen Eisengießerei Berlin (KPEG) und zeigt die unendliche Vielfalt gußeiserner Erzeugnisse, darunter sind auch bisher noch nicht ausgestellte Exponate der Sammlung (ebenfalls bis zum 3. April).

Einen besonderen Aufschwung erlebte die Gießerei nach 1813, als mit dem Ende der Napoelonischen Besatzung das Bauwesen neuen Auftrieb bekam. Ein herber Rückschlag war dann allerdings ein Brand in der Revolutionsnacht vom 18. zum 19. März 1848, der Modelle, Formen, Unterlagen und sogar einen Teil der Gebäude vernichtete. Nach dem Wiederaufbau konnte man sich nicht so recht erholen, der Zenit in der Eisengießerei war überschritten; auch hatte sich durch den Bronze- und Zinkguß sowie durch Metallegierungen ernstzunehmende Konkurrenz eingestellt. Am 5. Januar 1874 erfolgte der letzte Guß in der Invalidenstraße.

Unvergängliche Kunstwerke aber künden noch heute von der Meisterschaft, die Bildhauer, Modelleure und Ziseleure erreichten. Namen wie Erdmann Theodor Kalide, Carl Eduard August Kiss, Christian Daniel Rauch, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Fried-rich August Stüler oder Christian Friedrich Tieck sind auch mit Kunstwerken in Eisen verbunden. So gilt das Monument auf dem Kreuzberg von Schinkel als Symbol für die gotisierende Gußeisenarchitektur im 19. Jahrhundert. Das Nationaldenkmal für die Befreiungskriege 1813 bis 1815 ist das Hauptwerk und die bedeutendste in Berlin erhaltene Arbeit der KPEG. Gußeiserne Reduktionen der im Berliner Stadtbild aufgestellten Denkmäler fanden regen Zuspruch und gelangten so in private Haushalte, aber auch Grabkreuze und Grabmale im gotisierenden Stil waren sehr gefragt.

Selbst Möbel für den Garten waren beliebt wegen ihrer Beständigkeit gegen Witterungseinflüsse. Entwürfe lieferte kein Geringerer als Schinkel. "Vollständig aus Eisen bestehende Möbel wurden für Schinkel zu einer besonderen Herausforderung", so Fachleute aus dem Museum, "denn hierbei ging es nicht um eine identische Übertragung der Formen der Holzmöbel in Metall, sondern um eine Anpassung der Gesamtform an die Gußform. Den Ausgangspunkt für seine Möbelentwürfe sah Schinkel stets in den Möglichkeiten, die das Eisen und die Technik des Gießens ihm vorgaben."

Reliefs nach Bildvorlagen, Medaillen und Porträtmedaillons sind ein weiterer Zweig der Kunstgußproduktion gewesen. Modelleuren wie Leonhard Posch gelangen fotografisch exakt anmutende Porträts auf kleinstem Raum. So schuf er bereits 1805/06 die Bildnisse von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise. Ein besonderer "Renner" aber waren Schmuckstücke aus Eisen; sie machten das "fer de berlin" erst berühmt. Die filigranen Schöpfungen entstanden aus besonders dünnflüssigem Eisen, das bis heute unerreicht ist. Modelle aus Messing oder Silber wurden in Formsand geklopft, der sich durch hohe Feinkörnigkeit auszeichnete. Über feine Kanäle und Verästelungen gelangte das flüssige Eisen in die Form. Durch die anschließende Feinarbeit, durch Polieren und Zusammenfügen und durch einen Firnis aus Ruß, Leinöl und anderen Zutaten erhielten die Stücke schließlich ihre typische Form. So eigneten sie sich durch ihre schlichte Ausstrahlung und die schwarze Farbe gut als Trauerschmuck. Als Königin Luise 1810 starb, trugen denn auch die Damen, die etwas auf sich hielten, Eisenschmuck aus der KPEG. Bald aber galt er als passende Ergänzung zur klassischen schlichten Kleidermode der damaligen Zeit. Dem Aufruf der preußischen Prinzessin Marianne, jede wertvolle Kleinigkeit zum Wohl des Vaterlandes zu opfern, waren 1813 viele Frauen gefolgt und hatten ihre goldenen Eheringe und anderen Schmuck abgegeben, um die Staatskasse für den Krieg gegen Napoleon zu füllen. "Gold gab ich für Eisen" ist noch heute ein bekannter Ausspruch. Das Tragen von Eisenschmuck war so zu einem patriotischen Bekenntnis geworden. Heute sind dies begehrte Sammlerstücke.

"Niemand wird die Werkstätten und Magazine derselben unbefriedigt verlassen", schrieb Heinrich Weber in seinem "Wegweiser" begeistert, "vielmehr wird jeder, der das nicht eben entfernt von der Stadt liegende Etablissement besucht, für den gemachten Weg, durch Bereicherung seiner Kenntnisse sich reichlich belohnt sehen." Das mag denn auch für die beiden Sonderausstellungen im Stadtmuseum Berlin gelten. Silke Osman

Berliner Eisen: Moderne Kunstwerke wie die "Anette" von Stefan Reichmann oder die durchbrochene Schale mit Rankenwerk aus der Zeit um 1830 (links) zeigen die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten. Fotos (2): Stadtmuseum Berlin


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