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18.12.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. Dezember 2004


Tätige Ruhe / Manche Dinge gibt's nur in der Politik
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die erfrischende Art, mit welcher der Herr Arentz seinen Zusatzverdienst von RWE rechtfertigt, hat selbst Hartgesottene kurzfristig aus der Fassung gebracht. Soweit waren wir noch nicht mit unserer Vorstellungskraft davon, was Politiker alles fertigbringen. Die nordrhein-westfälische SPD verhielt sich da viel professioneller. Über Jahrzehnte gut beschirmt vom Friedel-Neuber-Netz um die West-LB, aus dem Geschenke in Fülle rieselten, weiß sie, wie der Laden läuft und war umgehend "empört". Das Gehakel der Parteien erschien von der Zuschauertribüne aus wie ein moralischer Streit unter Knastbrüdern: Wer hat wohl mehr auf dem Kerbholz, du oder ich? Wie in guten Krimis kann der Laie bei solchen Zankereien immer etwas darüber erfahren, wie es in der Halbwelt so zugeht und überdies ein paar Fachbegriffe lernen.

In solchen "Kreisen" gibt es nämlich Sachen, die gibt's gar nicht - im normalen Leben zumindest. Für uns gilt: Wir sind entweder tätig oder wir ruhen. Beides zusammen geht nur im Traum. Wer allerdings rechtzeitig geträumt hat, Politiker zu werden, der kann den Traum Wirklichkeit werden lassen. CDU-General Laurenz Meyer bekommt für eine "ruhende Tätigkeit" bei den RWE nicht soviel wie Arentz, aber immerhin 1.400 Euro Stromzuschuß im Jahr. Damit wird erklärlich, warum der Mann immer ein bißchen tranig wirkt. Ein Teil von ihm "ruht", also schläft ununterbrochen bei den RWE. Die Grünen sind bei der Vergabe der Schlafplätze offenbar schlecht weggekommen und wollen genau wissen, wer sonst noch alles mit einem Bein im Bett irgendwelcher Konzerne liegt.

Eine wichtige Voraussetzung für den Politikerberuf ist die Fähigkeit, im Schlaf laut sprechen zu können, damit keiner merkt, daß man ruht und daher nichts bewegt. In der Föderalismusreform-Debatte steigt derzeit der Geräuschpegel ebenso schnell an wie die Gewißheit wächst, daß am Ende fast alles genauso weiterdösen wird, wie es vor Urzeiten mal ins Bett gelegt wurde, - nur ein wenig anders sortiert, schließlich muß man der Öffentlichkeit ja "was vorweisen".

Doch die Angst, welche die Forderung nach einer "Reform des Föderalismus" zunächst ausgelöst hatte, die ist glücklicherweise verflogen. Es hätte böse ausgehen können! Was wäre passiert, wenn bei der angedrohten "Durchforstung der Zuständigkeiten" zutage getreten wäre, das wir einige der paar tausend Institutionen, die in den unergründlichen Gewölben des deutschen Föderalismus eine wohlbestallte Heimstatt gefunden haben, überflüssig sind wie die Kultusministerkonferenz oder die Bundesagentur für Arbeit? Die Rechnungshöfe hätten womöglich ein Massaker gefordert! Erleichtert stellen wir heute fest, daß die Verantwortlichen diese Gefahr abgewendet haben. Sie eröffneten einen gemütlichen Flohmarkt, von dem jeder mit genauso vielen Schätzen wieder heimkehrt, wie er dort zuvor unter die anderen Leute gebracht hat: Wenn etwas von den Ländern auf den Bund verlagert wird, bekommen die Länder genauso viel zurück und umgekehrt.

Für neu erweckte Patrioten ist dieses Ergebnis von besonderem Reiz. 1990 blickten Menschen mit viel Ahnung von Geschichte bekümmert auf die Landkarte und sahen vor sich "das kleinste Deutschland, das es je gab" (Herbert Czaja). Die anderen, die zwar keine Ahnung, dafür aber um so mehr Meinung zur Geschichte hatten, entdeckten hingegen ganz etwas anderes: "Großdeutschland" sei wiedererstanden! Nun steht fest: Die mit der "Meinung" hatten recht. Gut, vom geographischen Umfang her ist das Land an allen Ecken schwer amputiert. Aber die innere Gestalt der Bundesrepublik kann sich ohne Probleme messen mit dem großen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nach dem (ersten) 30jährigen Krieg. Wie damals sorgt auch heute ein gewaltiges Gestrüpp von Rechten und Vorrechten, von Zugehörigkeiten und Eigenständigkeiten größerer, kleinerer und kleinster Machtzentren dafür, daß alles so bleibt, wie es ist.

So fanden und finden es auch unsere Nachbarn am besten, denen das vielgestaltige, in "ruhender Tätigkeit" verharrende Deutschland weit eher behagte als der von Dynamik strotzende preußische Bismarck-Staat, von dem sie gleich nach seiner Gründung einen Schluckauf bekamen. Und die Beziehungen zu unseren Nachbarn sind uns wichtig, wir sind ein weltoffenes Land.

Damit die Nachbarn unsere Weltoffenheit auch besichtigen können, hatte Außenminister Fischer seinen damaligen grünen Staatsminister Ludger Vollmer angewiesen, die lästigen Einreisebeschränkungen für Nicht-EU-Bürger praktisch abzuschaffen - doch die Regelung galt leider nur zwei Jahre.

Die Union war sowieso dagegen und spricht von "Chaos", das nur den "Schleusern" genützt habe. Dabei hatte alles seine (eigene) Ordnung und lief wie geschmiert. Seit Einführung der neuen Freiheit im Juni 2000 wurden in der deutschen Botschaft in Kiew die reiselustigen Erntehelfer, Bauarbeiter, leibeigenen Lustmädchen und Vertreter für Rauschmittelbedarf nur noch durchgewinkt. Draußen vor der Tür verkaufte die Mafia Platzkarten für die vorderen Ränge in der Schlange. An die Stelle der Einladungen aus Deutschland, die man sonst für ein Visum vorlegen mußte, trat der "Reiseschutzpaß", den eine Privatfirma ausstellte und den die sonst knickerigen Botschaftsangestellten laut Weisung des Außenamts anzuerkennen hatten. Auf die Firma hat sich das Haus Fischer verlassen können, sie war ja kein Neuling im Geschäft. Gegen Mitarbeiter des "Reiseunternehmens" hatte die Kripo damals bereits ermittelt wegen Schleusung, Betrug und Geldwäsche. Allein 2001 bekamen so 300.000 Ukrainer ihr Visum. Eine stolze Bilanz, findet Ludger Vollmer. Er würde es wieder so machen, denn "vor meinem Erlaß gab es Willkür und Schikane, danach Sicherheit und Freiheit". Leider nahm die Kripo 2002 dann erneut Ermittlungen gegen den Kopf einer Schleuserbande auf, der Mitarbeiter der vertrauten Reisefirma war. Daher mußte der "Vollmer-Erlaß" in jenem Jahr zurückgenommen werden. Schweren Herzens, wie der Ex-Staatsminister beklagt.

Da ging ein gehöriges Stück Weltoffenheit verloren, was die Eile begründet, mit der die Bundesregierung den EU-Beitritt der Türkei betreibt. Von dort könnte millionenfacher Ersatz kommen für die vielen Ukrainer, die es während der schönen Vollmer-Zeit nicht nach Deutschland geschafft haben.

Vorsorgliche Bereinigung Zeichnung: Götz Wiedenroth


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