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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Der Bund steht für seine Hauptstadt in der Pflicht. Diese Feststellung ist
banal, in Deutschland aber keine Selbstverständlichkeit. Im Zuge der
Föderalismusreform könnte sie jedoch Eingang ins Grundgesetz finden. „Hauptstadt
der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates
in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere wird durch ein Bundesgesetz
geregelt.“
Das klingt vage und ist ein verwässerter Kompromiß zwischen Bund und Ländern,
aber besser als nichts. Ursprünglich wollte der Regierende Bürgermeister Klaus
Wowereit (SPD) eine Auflistung konkreter Bundespflichten verankert wissen. Die
hauptstadtbezogene Infrastruktur, die kulturelle Repräsentation sowie
nationalgeschichtlich bedeutsame Einrichtungen sollten durch den Bund finanziert
werden.
Die Entscheidung der beiden Verhandlungsführer in der Föderalismuskommission,
Edmund Stoiber und Franz Müntefering, den zweiten Satz des Kompromißentwurfs,
der die Verantwortung für die Repräsentation dem Bund zuweist, ersatzlos zu
streichen, hatte in Berlin Entsetzen ausgelöst. Der Bund wiederum versuchte
lange Zeit, sich unter Hinweis auf die 400 Millionen Euro, mit denen er die
Kultur in Berlin unterstützt, aus der Verantwortung zu stehlen. Das meiste davon
aber fließt in die Sanierung der Museumsinsel. Der Bund finanziert auch das
Jüdische Museum und die Internationalen Filmfestspiele, die als drittes großes
Filmfestival neben Cannes und Venedig eine Visitenkarte Deutschlands darstellen.
Hinzu kommt die Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, in der die Akademien aus
Berlin (West) und der DDR zusammengeschlossen sind. Gerade das DDR-Erbe kann
nicht als exklusive Angelegenheit Berlins behandelt werden.
Für die Polizeidienste überweist der Bund an Berlin 38,7 Millionen Euro. Nach
Senatsangaben wären im Jahr jedoch rund 105 Millionen nötig. Das ist
realistisch, denn jährlich gibt es hier 3.000 Demonstrationen, viele davon mit
Teilnehmern aus ganz Deutschland. Wenn wütende Bauern mit ihren Traktoren die
Berliner Innenstadt lahmlegen, ist das wirklich kein originär Berliner Ereignis,
es verursacht aber enorme logistische Anstrengungen und Kosten. Gerade wird
beklagt, daß ausländische Botschaften, etwa die afghanische, zu wenig geschützt
seien, andererseits ist die Berliner Polizei an die Grenze ihrer Möglichkeiten
gekommen.
Zunächst hatte es den Anschein, als habe Klaus Wowereit während der
Verhandlungen einen schweren taktischen Fehler begangen, als er den Vorschlag
von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) unterstützte, die Rolle des
Bundeskriminalamtes (BKA) zu stärken. Von Schily ist bekannt, daß er das BKA am
liebsten ganz in Berlin konzentrieren will. Vor einem Jahr war sein Vorstoß, die
BKA-Behörden in Wiesbaden (Hessen) und Meckenheim bei Bonn
(Nord-rhein-Westfalen) nach Berlin zu holen, am Widerstand der Länder
gescheitert.
Wowereits Unterstützung für Schily brachte die anderen Ministerpräsidenten
dementsprechend gegen ihn auf. Weder im Bund noch im Kreis der
Ministerpräsidenten werde er ernst genommen, höhnte die Opposition, als die
Entscheidung von Müntefering und Stoiber bekannt wurde. Drei Tage später
stellten sich die Ministerpräsidenten indessen überraschend hinter die
Hauptstadtklausel. Hintergrund soll eine Geheimabsprache zwischen Wowereit und
der Bundesregierung sein. Diese soll ihm Unterstützung für die Klausel
zugesichert haben. Im Gegenzug will sich Wowereit bei seinen Länderkollegen
weiter für die Kom- petenzausweitung des BKA einsetzen. Warum lassen sich die
Landesfürsten darauf ein? Nun, weil solche Kungeleien zwischen dem Bund und
einzelnen Ländern allgemein üblich sind und dieses Instrument nicht beschädigt
werden soll.
Es bleibt ein prinzipielles Problem. Noch weiß Deutschland nicht, was für eine
und wieviel Hauptstadt es haben will. Die Länder fürchten, daß ein gesteigerter
Aufwand in Berlin ihre Bedeutung verringern würde. Ein Problem ist auch der
Berliner Landesstatus. Andere Hauptstädte genießen einen Sonderstatus als
Bundesdistrikt und sind so den Eifersüchteleien der Parteien und Provinzen
untereinander enthoben – Berlin nicht. Und da es in Berlin eine strukturelle
linke Mehrheit gibt, haben die Unionsländer erst recht kein Interesse daran,
diese zu päppeln, damit sie ihnen anschließend im Bundesrat auf die Füße fällt.
Die jetzige Entscheidung kann somit nur ein erster Schritt sein auf dem Weg zu
einem vernünftigen Status für Berlin.
3.000 Demonstrationen im Jahr führen die Berliner Polizei an den Rand des
Leistbaren – doch der Bund zahlt nur 38,7 Millionen:
Anti-Hartz-Demo in der Hauptstadt vergangenen Sommer
Foto: ddp |