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25.12.04 / Das Lied der Deutschen / Wegbegleiter durch Höhen und Tiefen unserer Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004


Gedanken zur Zeit:
Das Lied der Deutschen / Wegbegleiter durch Höhen und Tiefen unserer Geschichte
von Wilfried Böhm

Die Irrungen und Wirrungen um die deutschen Nationalsymbole, insbesondere um die Hymne, entbehren nicht der Peinlichkeit, insbesondere beim Blick auf die Selbstverständlichkeit, mit der andere Völker mit ihren Nationalhymnen umgehen, auch wenn deren Texte nicht aktuellem politisch korrektem Gehabe entsprechen.

Vor wenigen Monaten erst – die PAZ berichtete darüber – schritten Beamte – also „Diener des Staates“ – im niedersächsischen Lüneburg polizeilich ein, als beim Singen des Deutschlandliedes auch die beiden ersten Strophen erklangen. Im Zusammenhang damit wurde eine Tonbandkassette mit der Nationalhymne beschlagnahmt. Ähnliches ist schon früher in anderen Bundesländern geschehen. Prompt hob das Amtsgericht Lüneburg diese Beschlagnahme auf, „weil diese jeder Grundlage entbehre“. Das Gericht stellte fest, daß das „Lied der Deutschen“ kein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation sei, wovon die zuständige Polizei ausgegangen war, sondern ein nationales Symbol, welches unter dem Schutz vor Verunglimpfungen stehe. Das Gericht zeigte sich „zugegebenermaßen überrascht, daß nach Einschätzung der Polizei in Deutschland das Absingen der Nationalhymne offenbar als Verwirklichung eines Strafbestandes angesehen wird“.

Ein Blick in das Strafgesetzbuch (Paragraph 90 a) zeigt hingegen, daß derjenige, der in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften die Farben, die Flagge, das Wappen und die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft, „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ wird.

Von den drei Nationalsymbolen, nämlich Bundesfarben, Bundeswappen und Nationalhymne, sind jedoch nur die Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold im Grundgesetz festgelegt: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold“ (Art. 22 GG).

Diese Farben können auch aus dem Adler als Wappentier des heutigen Bundeswappens herausgelesen werden. Der Adler geht auf das Herrschaftszeichen der römischen Kaiser und das Wappentier der deutschen Kaiser zurück. „Schwarzer Adler auf goldenem Feld mit gelben Schnabel und Füßen und roter Zunge“, so sah es die Bundesversammlung der Märzrevolution 1848, wobei es den Liberalen mehr um die Dreifarbigkeit, die Trikolore Schwarz-Rot-Gold ging, die sie als Flagge des Deutschen Bundes wollten.

Der einköpfige Adler wurde Staatswappen des 1871 gegründeten Deutschen Reiches, begleitet vom Schwarz-Weiß-Rot als Flagge des Reiches.

1919 wurde der Adler von der Weimarer Republik übernommen. Der erste Bundespräsident Theodor Heuss bestimmte 1950 den Adler zum Staatswappen der Bundesrepublik Deutschland.

Auch in der Frage nach der Nationalhymne war bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland der Bundespräsident gefragt, denn das Grundgesetz gab und gibt darauf keine Antwort. Es ging ihm nicht anders als dem ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert, der am dritten Verfassungstag der Weimarer Republik, am 22. August 1922, das Deutschlandlied zur Nationalhymne erklärt hatte. Im vorausgegangenen Kaiserreich war die Hymne „Heil Dir im Siegerkranz“ gesungen worden, nicht als „Nationalhymne“, sondern dem Charakter des Staates entsprechend als „Kaiserhymne“.

Vor dem Ersten Weltkrieg war das „Lied der Deutschen“ als viel gesungenes patriotisches Volkslied bekannt. Den Text hatte Hoffmann von Fallersleben, ein schwarz-rot-goldener Demokrat, am 26. August 1841 auf der damals noch britischen Insel Helgoland gedichtet und darüber gesagt: „Wenn ich dann so einsam wanderte auf der Klippe, nichts als Meer und Himmel um mich sah, da ward mir so eigen zumute, ich mußte dichten …“ Die Melodie war zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt; Joseph Haydn hatte sie 1797 niedergeschrieben, als österreichische Kaiserhymne.

Mit der Idee der Nation waren die Nationalhymnen gekommen: die Marseillaise als französischer Revolutionsgesang, mit „God save the King“ das britische Königslied. Österreichs Kaiser Franz hatte Haydn aufgefordert: „Schaffe er mir auch ein Lied“, und so entstand „Gott erhalte Franz den Kaiser“. Es war kein Freiheitslied, sondern ein Fürbittegebet für den Monarchen, erstmals gesungen am 12. Februar 1797 zum Geburtstag des Kaisers. Die Melodie erinnerte an ein damals populäres serbisches Volkslied und fand später Eingang in Haydns großartiges Kaiserquartett.

Nach dem Ersten Weltkrieg, 125 Jahre später also, nahm in Deutschland der erste Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) wieder die schwarz-rot-goldene Tradition der Revolution von 1848 auf und knüpfte an Hoffmann von Fallersleben an. Wörtlich erklärte Ebert in der Proklamation des Liedes zur Nationalhymne: „Einigkeit und Recht und Freiheit! Dieser Dreiklang aus dem Liede des Dichters gab in Zeiten innerer Zersplitterung und Unterdrückung der Sehnsucht aller Deutschen Ausdruck; er soll auch jetzt unseren harten Weg zu einer besseren Zukunft begleiten …“

Die Nationalsozialisten vergewaltigten nach ihrer Machtübernahme das Deutschlandlied, indem sie es auf seine erste Strophe reduzierten und ihm eines ihrer Parteilieder („Die Fahne hoch“) anhängten, mit dem es als „Nationalhymne“ im Marsch-Rhythmus gespielt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von den Alliierten verboten.

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland herrschte eine Art „Hymnennotstand“. Als „Ersatzhymne“ sang man Schillers „Freude schöner Götterfunken“ oder das Turnerlied „Ich hab’ mich ergeben“. Schließlich wurde bei einer Sportveranstaltung der Karnevalsschlager „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ gespielt. Bundeskanzler Konrad Adenauer drängte am 29. April 1952 den Bundespräsidenten Theodor Heuß mit seiner „erneuten Bitte“, das Hoffmann-Haydnsche Lied als Nationalhymne anzuerkennen. Heuß hatte versucht, einer neuen Hymne den Weg zu bereiten (Rudolf Alexander Schröders „Land des Glaubens, Land der Väter“), scheiterte aber damit.

In seinem Antwortbrief vom 2. Mai 1952 entsprach der Bundespräsident dem Wunsch des Bundeskanzlers. Das Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung erklärte am 6. Mai 1952, damit sei das Deutschlandlied „wieder als Nationalhymne anerkannt worden“. Nach dem Wortlaut der Briefe sollten eindeutig alle drei Strophen des Deutschlandliedes die Hymne bilden. Doch Adenauer hatte seinen Brief mit der Formulierung beendet: „Bei staatlichen Anlässen soll die dritte Strophe gesungen werden“.

Sowohl beim Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 als auch in den sibirischen Arbeitslagern wurde das Deutschlandlied gesungen und geehrt, wie viele ergreifende Schilderungen berichten. Im Westen Deutschlands allerdings hörte man es immer seltener. Eine rühmliche Ausnahme bildete das ZDF-Magazin Gerhard Löwenthals.

Bürgerinitiativen, die der Nationalhymne einen Platz im Leben der Deutschen schaffen wollten, wie er in anderen Demokratien selbstverständlich ist, fanden Förderung vor allem beim Bundespräsidenten Karl Carstens. Aber wenn das Lied im Schulunterricht überhaupt auftauchte, wurde es „kritisch hinterfragt“.

Als am 9. November 1989 die friedliche Revolution die Öffnung der Berliner Mauer erzwang und die Nachricht davon den Bundestag in Bonn erreichte, erhoben sich die Abgeordneten (darunter auch der Autor dieses Beitrags / Anm. d. Red.) spontan – zunächst in den hinteren Reihen der rechten Seite des Hauses – und stimmten „Einigkeit und Recht und Freiheit“ an. Nur einige Grüne flohen aus dem Plenum.

Doch bald verschwanden die schwarz-rot-goldenen Fahnen und die Nationalhymne wieder in der Rumpelkammer, um eine „Renationalisierung“ zu vermeiden. Die politische Fahrt ins Blaue und der Griff nach den goldenen Sternen Europas wurden bevorzugt, während für die anderen europäischen Staaten ihre Fahnen und Hymnen selbstverständlicher Ausdruck ihres demokratischen Staatsbewußtseins blieben.

Zum Thema „Nationalhymne“ bezog sich 1991 ein erneuter Briefwechsel zwischen dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler auf die Briefe aus dem Jahr 1952. Dabei stellte Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 19. August 1991 fest, die dritte Strophe des Liedes habe „sich als Symbol bewährt“ Sie werde „im In- und Ausland gespielt, gesungen und geachtet“ und sei „die Nationalhymne für das deutsche Volk“. Bundeskanzler Helmut Kohl antwortete am 23. August: „Der Wille der Deutschen zu Einheit und freier Selbstbestimmung ist die zentrale Aussage der dritten Strophe des Deutschlandliedes. Deshalb stimme ich Ihnen namens der Bundesregierung zu, daß sie Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland ist.“ Durch diesen Text wurde ausdrück-lich nur die dritte Strophe zur deutschen Nationalhymne. Von den beiden ersten Strophen ist nicht die Rede. Allerdings trägt dieser Briefwechsel im Bulletin vom 27. August die Überschrift „Das Deutschlandlied ist Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland“. Dieser zweite Briefwechsel zwischen dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler wird beim Thema „Nationalhymne“ meistens nicht in Betracht gezogen, hat aber entsprechend der deutschen Verfassungstradition seine eigene Bedeutung.

Fest steht: Das Lied von Hoffmann von Fallersleben begleitet unser Volk seit über 160 Jahren durch alle Höhen und Tiefen seiner Geschichte. Gelebter Patriotismus darf Symbole nicht verschmähen, muß sie den Bürgern erläutern und diese so mit ihnen vertraut machen. Denn mit Symbolen und durch sie sagen wir ja zu uns selbst, zu unserem demokratischen Staat – und zur europäischen Normalität.

Faksimile der Originalhandschrift von Hoffmann von Fallersleben


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