Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Imposant thront der Dom hellerleuchtet über dem Weihnachtsmarkt. Das ebenfalls angestrahlte Riesenrad links
des Domes stellt einen reizvollen Kontrast dar. Unten am Fuße der beiden
Giganten tummeln sich Hunderte von Menschen, die das Angebot der unzähligen
Buden des Weihnachtsmarktes nutzen. Alles ist getaucht in ein Meer aus kleinen
Lämpchen, und es duftet nach Glühwein, Thüringer Würstchen und gebrannten
Mandeln.
Der Erfurter Weihnachtsmarkt gehört wohl zu den schönsten Deutschlands. Die
mittelalterliche, dank attraktiver Geschäfte belebte Altstadt Erfurts um den
Domplatz bietet eine ideale Kulisse für eine stimmungsvolle Vorweihnachtszeit.
Traditionelles Handwerk und Thüringer Spezialitäten sind ebenso zu finden wie
eine riesige, lichtergeschmückte Weih-nachtstanne mit Krippenhaus und
handgeschnitzten Figuren. Das monumentale Ensemble von Dom und Severikirche mit
der über 500 Jahre alten, weltberühmten Glocke Gloriosa machen zusammen mit den
reizvollen Fachwerkhäusern und kleinen Kirchen das 1250 Jahre alte Erfurt zu
einem Spiegel deutscher Geschichte.
Erfurts Liste an steinernen Zeugen der Vergangenheit ist groß. Mit dem Dom und
der Severikirche dürfte wohl die Krämerbrücke um den Rang des Wahrzeichens der
Stadt ringen. Die längste mit noch bewohnten Häusern bebaute Brücke Europas ist
gute 700 Jahre alt und war einst ein wichtiger Treffpunkt der Familie von Johann
Sebastian Bach. Der Komponist wurde 1685 zwar im nahegelegenen Eisenach geboren,
doch einige Familienmitglieder Künstlerfamilie hatten ihre Wohnung in einem der
Häuser auf der Krämerbrücke.
Bis heute wird Erfurt gern als „thüringerisches Rom“ bezeichnet, ein Beiname,
den die Stadt von niemand Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe verliehen
bekommen hat. Der Dichterfürst reiste dienstlich wie privat häufig nach Erfurt.
Dort traf er sich auch 1808 mit Napoleon und wohnte der Uraufführung von
Fried-rich Schillers „Don Carlos“ bei.
Die eigentliche Wirkungsstätte der beiden Dramatiker war jedoch nicht Erfurt,
sondern das keine 50 Kilometer entfernt liegende Weimar. Dort hatten Herzog Carl
August und seine Mutter Anna Amalia eine Atmosphäre für die Denker geschaffen,
die einmalig für die damalige Zeit war. Hier entstand dank dieser Grundhaltung
der Herrscher die „Weimarer Klassik“, die bis heute die deutsche
Kulturlandschaft prägt.
Von Weimars kultureller Blüte zeugen noch heute zahlreiche Bauwerke, Museen,
Theater und Galerien, die auf vergleichsweise engem Raum angesiedelt sind. Fast
an jeder Ecke ist etwas zu finden, das an Goethe oder andere Geistesgrößen
erinnert. Auch im Bereich der bildenden Kunst hat die Stadt einiges zu bieten.
So beeinflußte Walter Gropius, der Gründer des Staatlichen Bauhauses Weimar, das
Kunstverständnis in Europa noch im vergangenen Jahrhundert von Weimar aus.
Nicht ohne Grund wurde Weimar 1999 zur „Kulturstadt Europas“ erkoren, damals
erstrahlte die in DDR-Zeiten ein wenig vernachlässigte Stadt in neuem Glanze,
doch danach wurde es wieder still um sie. Erst der Brand in der
Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek gleich neben dem Weimarer Stadtschloß lenkte den
Blick wieder auf diesen symbolträchtigen Ort deutscher und europäischer
Geschichte. Geschockt schaute die Nation auf den zu Asche gewordenen Teil der
bedeutenden Sondersammlungen und den zerstörten historischen Rokokosaal.
Letzterer wird wieder zu rekonstruieren sein, doch zahlreiche der nahezu 900.000
Bände der zu den weltweit führenden Forschungsbibliotheken für Literatur- und
Geistesgeschichte zählenden Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek sind unwiederbringlich verloren.
Ende November drang eine weitere kulturelle Schreckensmeldung an die
Öffentlichkeit. Bei der Explosion einer Weihnachtsmarktbude war das historische
Wohnhaus des Friedrich Schiller, in dem er von 1802 bis zu seinem frühen Tode im
Alter von nur 46 Jahren 1805 lebte, beschädigt worden. Fensterscheiben gingen zu
Bruch, Rahmen wurden herausgerissen. Außerdem wurden die Eingangstür und das
Dach beschädigt. Im Haus wurden Grafiken und ein Spiegel aus Schillers Besitz
beschädigt. Der Schaden beträgt nach einer Schätzung der Stiftung Weimarer
Klassik etwa 50.000 Euro. Gegen die finanziellen und ideellen Schäden der
Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek ist dies jedoch eine Kleinigkeit.
Da Schillers Wohnhaus einige Wochen für Touristen geschlossen war, weil es für
das Schillerjahr 2005 renoviert werden mußte, konzentrierte sich der
Besucherstrom auf das Haus am Frauenplan, wo Goethe von 1782 bis 1832 seinen
Wohnsitz hatte. Das Gebäude ist eine Stätte des lebendigen Schaffens eines
Mannes, der als Dichter, Staatsmann, Wissenschaftler und Sammler wirkte. Ob
Literatur, Zeichnungen, Keramiken, Plastiken, Münzen oder die aus 18.000 Stücken
bestehende mineralogische Sammlung; das Genie Goethe hat für die nach ihm
kommenden Generationen zahlreiche Zeugnisse seines Schaffens und seiner
Interessen zurückgelassen. Ein im Haus am Frauenplan gezeigter Film geht
eindringlich auf des Künstlers Vielseitigkeit, aber auch dessen ausgeprägtes Ego
ein. Im eindrucksvollen Park an der Ilm findet sich mit Goethes Gartenhaus,
seinem ersten eigenen Wohnsitz in Weimar, ein weiteres attraktives Ziel für
Freunde des Dichters und Denkers. Weitere Museen und Archive laden in dieser
Stadt ein zum Wandeln auf Goethes und Schillers Spuren.
Für jene, die sich zu den Kulturmuffeln zählen, aber dennoch etwas über die
Stadt erfahren möchten, ist das „Weimar Haus“ die richtige Adresse. Dort wird
der Besucher in einer Multimediazeitreise durch Weimarer Geschichte mit
Originalkulissen, Wachsfiguren und Spezialeffekten geführt. Wenn die
Unterhaltung auf den 600 Quadratmetern auch im Vordergrund steht, so ist es doch
den Machern dieser Show gelungen zu verhindern, daß vor lauter Vergnügen der
Informationsgehalt vollständig verflacht. Nachdem der Besucher in einen
nachgestellten dunklen Wald geführt wurde, erklärt eine angenehm klingende
Männerstimme die Geschichte der Besiedlung Thüringens durch die Thuringa. Die
nächsten beiden Etappen der Zeitreise führen ins Mittelalter. Was der Besucher
sonst mühselig auf Tafeln lesen müßte, erzählt ihm die Stimme, während
Scheinwerfer interessante Kulissen in Szene setzen. Einen Raum weiter stellt
sich der Redner vor; und für einen Moment vermeint der Museumsbesucher
tatsächlich Goethe zu sehen, so echt wirkt die computer-animierte Figur am Ende
einer schmalen Gasse. Danach lädt „Goethe“ zu einer Tischgesellschaft mit Anna
Amalia, Carl August, Schiller, Herder und Wieland. Einen Raum weiter brechen
Napoleons Truppen über die Stadt herein, und das Publikum hört
von allen Seiten Schlachtenlärm.
Mit Kultur endet schließlich der
aktionsreiche, aber durchaus informative Rundgang: Raschelnde Kleider, leises
Getuschel stimmen ein auf die Vorstellung von Goethes „Faust“ im Theater ...
Rebecca Bellano
Beeindruckend: Erfurter Weihnachtsmarkt Foto: Tourismus Gesellschaft Erfurt |