Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Sie kennen das sicher auch. Kaum neigt sich das Jahr dem Ende zu, sind sie in
aller Munde: die guten Vorsätze. Im nächsten Jahr höre ich bestimmt auf zu
rauchen, ich werde mich nur noch gesund ernähren und mindestens fünf Kilo
abnehmen. Ich werde versuchen, ordentlicher zu sein und nicht mehr hinter dem
Rücken meiner Nachbarin über sie herziehen. So oder ähnlich werden alle Jahre
wieder die besten Vorsätze gefaßt, von denen leider schon in der Silvesternacht,
beim Knallen der Sektkorken, die meisten guten Wünsche bereits vergessen sind.
Gute Vorsätze sind leider sehr kurzlebig. Sie haben nur den Vorteil, daß sie
jederzeit wieder neu gefaßt werden können. Und so veranstaltete auch ich jedes
Jahr die gleiche Übung.
Wild entschlossen kaufte ich mir einen schicken Jogginganzug und grüßte Frau
Müller freundlich, als ich ihr im Treppenhaus begegnete. Am Abend des 2. Januar
sah meine Wohnung aus, wie aus einem Möbelkatalog. Jedes Teil stand ordentlich
an seinem Platz. Ich war sehr stolz, und zog mich für einen ausgedehnten
Waldlauf um. Völlig außer Atem, mit nassen Haaren und lehmverschmierten Schuhen
kam ich zwei Stunden später in meine Musterwohnung zurück. Auf dem Weg ins Bad
steckte ich mir einen Schokoriegel in den Mund. Ich hatte zwar auch frisches
Gemüse und Obst in Mengen eingekauft, aber ich brauchte jetzt unbedingt
Schokolade.
Morgen würde ich mir dann einen richtig gesunden Salat machen. Die schmutzigen
Turnschuhe stellte ich erst einmal in die Badewanne und der Jogginganzug landete
auf dem Fußboden. Nachdem ich ausgiebig geduscht hatte, holte ich mir den
zweiten Schokoriegel, stellte den Fernseher an und machte es mir in meinem
Lieblingssessel bequem. Noch war die Welt für mich in Ordnung.
Mein schlechtes Gewissen meldete sich erst, als ich später mit meiner Schwester
Angelika telefonierte und ihr ausgiebig erzählte, daß ich morgens im Supermarkt
Frau Müller mit einer Sechserpackung Kondome erwischt hatte. „Die arme Frau
Müller bekam einen hochroten Kopf, und ich sah ihr grinsend nach, während ich
zur Kasse ging.“
Angelika fand die Situation gar nicht so lustig, aber sie kannte ja auch Frau
Müller nicht. Immerhin meldete sich nach diesem Gespräch mein schlechtes
Gewissen bei mir. Warum sollte sich Frau Müller nicht einen schönen Abend
machen, dachte ich und schob mit dem Fuß den Jogginganzug zur Seite, der immer
noch im Bad auf den Fliesen lag. Ich konnte es einfach nicht lassen. Was hatte
ich mir vorgenommen? Ärgerlich öffnete ich die Keksdose. Ich werde mir erst
einen Kaffee kochen und dann die Turnschuhe säubern, dachte ich, während ich in
die Küche ging. Mein Blick fiel auf den Obstkorb. Die Bananen mußten bald
gegessen werden, sie bekamen schon braune Stellen. Ich schob mir noch einen Keks
in den Mund und stellte die Kaffeemaschine an. Die Turnschuhe in der Badewanne
und den lehmverschmierten Jogginganzug hatte ich längst wieder vergessen.
Am nächsten Morgen legte ich den welken Kopfsalat in das Vogelhäuschen auf dem
Balkon und machte mir von den braunen Bananen einen zuckersüßen Milchshake. Ich
schaffte es immerhin, den Jogginganzug vom Boden aufzuheben und ihn auf den Rand
des Waschbeckens zu legen, während die Schuhe immer noch in der Badewanne
standen. Später im Büro erzählte ich meiner Arbeitskollegin lachend die
Geschichte mit Frau Müller und den Kondomen.
Ja, so ist das mit den guten Vorsätzen. Am Jahresende werden schnell viele Worte
gemacht, doch um diese Worte in die Tat umzusetzen, braucht es wohl etwas
länger. Vielleicht werde ich es ja auch irgendwann einmal schaffen, gesund zu
leben, Sport zu treiben und Frau Müller auf einen Kaffee einzuladen. – Sie
wollen wissen, wie mein Vorsatz für das nächste Jahr lautet? „Ich werde niemals
mehr gute Vorsätze fassen.“ |