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25.12.04 / "Leipziger Allerlei" / Erster Versuch eines deutschen Handbuches gewagt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004


"Leipziger Allerlei"
Erster Versuch eines deutschen Handbuches gewagt

Einst war der Germanist Johannes Thiele in Amerika, dort sah er ein „patriots handbook“ und dachte sich, so etwas müßte es auch für die Deutschen geben.

Es war die Zeit der stets wiederkehrenden Debatten um Patriotismus und Leitkultur und der bildungsbürgerlichen Kanonices über alles, was man wissen muß.

So wollte auch Thiele einen Kanon schaffen für alle wichtigen deutschen Texte. Heraus kam ein edel gestaltetes, voluminöses Werk, „ein in Noblesse verpackter Vierpfünder“, wie eine Zeitung titelte, das gebührend im Hotel Adlon präsentiert wurde. Doch unter der schönen Verpackung schwelten auch all die Probleme, die man mit einem Kanon hat: Was gehört dazu und was nicht?

Thiele richtete da ein „Leipziger Allerlei“ an. Germanistische Schulbuchklassiker neben Philosophie und den Heroen der Literatur, doch auch Erich Mühsam und Remarque. Dann aber auch die wichtigsten Verfassungstexte und politischen Reden, wie etwa die Ruck-Rede von Roman Herzog oder die Rede Ernst von Weizsäckers zum 8. Mai. Hier erhebt sich schon gleich der Einwand, ob wohl hier ein Standardwerk der politischen Korrektheit vorgelegt werden sollte und warum nicht auch die Paulskirchenrede von Martin Walser? Von Büchmanns geflügelten Worten zeigte sich der Herausgeber auch inspiriert, indem er die wichtigsten deutschen Sprichworte in seinem Buch versammelte. Ausschnitte aus Märchen, Dramen, Romanen und Gedichten komplettieren die Sammlung. Aus allen Zeiten und deutschen Staaten findet Thiele geeignete Texte. „Das ganze Deutschland soll es eben sein“, wie ein Gedichtsrefrain von Ernst Moritz Arndt lautet.

Dahinter könnte man Beliebigkeit vermuten, wie es aber bei den disparaten Deutschen nicht anders denkbar ist. Es ist ein wenig beckmesserhaft vorzuwerfen, was alles fehlt oder was gänzlich überflüssig ist, denn etwas Entscheidendes verspricht das Buch, nämlich ein „work in progress“, im Internet soll nämlich das Buch fort- und umgeschrieben werden können durch enthusiastische oder kritische „user“. Damit könnte es das werden, was es bislang nur ansatzweise verspricht, ein Zeitgeistspiegel der Deutschen in allen seinen Facetten. Das große Verdienst des Buches liegt nicht in seiner Vollendung, sondern darin, daß es überhaupt gewagt wurde, und schon heute ist es als grundsätzliches Nachschlagewerk für Redaktionen und Bibliotheken unerläßlich. Sollte das Buch im Internet fortgeschrieben werden, könnte es wie Wikipedia zu einer deutschen Enzyklopädie werden und die Deutschen bekämen das, was die Franzosen schon lange haben: einen wirklichen nationalen Kanon. Holger von Dobeneck

Johannes Thiele (Hrsg.): „Das Buch der Deutschen – Alles, was man kennen muß“, Lübbe, Bergisch Gladbach 2004, geb., 832 Seiten, 24,90 Euro


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