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25.12.04 / Das ewig Licht geht da herein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004


Das ewig Licht geht da herein
von Otto W. Leitner

Groß ist die Kraft unserer deutschen Sprache. Sie wächst an den Aussagen, die sie zu machen hat, und an den Gegenständen, welche sie beschreibt. Mit einem einzigen Wort kann sie Menschen so fest binden, daß sie in letzter Gemeinschaft das Leben wagen, mit einem Satz kann sie bauen oder zerstören, beglücken oder enttäuschen. Nie ist sie schöner, als wenn sie von den Dingen spricht, welche aus der Welt Gottes kommen. „Es begab sich aber zu der Zeit ...“, so fängt eine Geschichte an, die in die Menschheit eingegangen ist und bestimmend ist für alle Zeit. Es gehört sicher zu den besten Beobachtungen über die Weihnachtsgeschichte, daß sie einfach ein sprachliches Meisterwerk ist. Wie hinter jedem Meisterwerk Anruf steht aus geheimnisschweren Bezirken, Anruf, der dann die Feder führt oder den Pinsel, Meißel und Hammer und alles Gerät der Schnitzkunst, so steht hinter der Weihnachtsgeschichte Wille und Werk des lebendigen Gottes. In lauter hellen Vokalen geht die Botschaft der Engel einher: Siehe, ich verkündige euch große Freude, und der Jubel über das weltenwendende Ereignis ist in jedem Wort.

Die Sprache des weihnachtlichen Berichtes setzt sich fort in dem vielfachen Lobpreis unserer deutschen Weihnachtslieder. „Den aller Weltkreis nie beschloß, der liegt in Mariens Schoß!“, „Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein neuen Schein!“, „Es ist ein Ros’ entsprungen aus einer Wurzel zart!“ Diese Lieder sind wie kostbare Hüllen, und noch kostbarer ist, was sie singen und sagen.

Das ewig Licht geht da herein. Allerlei Lichter leuchten an unserem Wege, keinem können wir ewiges Sein zusprechen, so gerne wir es möchten. Das Licht im Auge des liebsten Menschen ist uns Glück und Verheißung, solange wir beisammen sind. Aus Kinderaugen strahlt ein Leuchten der Freude und Geborgenheit. Es funkeln die Sternen-Welten in unseren Nächten, und nicht nur Immanuel Kant ward von Bewunderung voll, wenn er aus seinem stillen Studierzimmer in der Nähe des Königsberger Schlosses den gestirnten Himmel über sich sah. Sonnenschein und des Mondes Licht, wir können ohne sie nicht sein und ahnen doch hinter ihnen Mächte und Möglichkeiten, welche sie aufheben können.

Die Stunde, in welcher eines der genannten Lichter zu leuchten anfing, waren uns in unserer Kindheit Tagen besonders eindrucksvoll. Der Verfasser kommt noch aus der Zeit der guten alten Petroleumlampe, wie sorgfältig wurde sie gereinigt und aufgefüllt, und das Hantieren mit Docht und Zylinder war umständlich genug und voller Spannung hin zu dem Augenblick, da der Lampe traulicher Schein die Stube erhellte. Der Zauber des Lichtes wurde aber am tiefsten empfunden, wenn die erste Kerze am grünen Adventskranz brannte, und dann der Weihnachtsbaum im Zimmer stand, das lange verschlossen blieb vorher, und seine Lichter spiegelten sich in bunten Kugeln und waren wie der Schein aus anderen Welten. Verging er, dünkte uns die Welt arm und leer und ließ uns nur die Hoffnung, daß wieder Weihnachten kommen würde in langer, langer Wiederkehr.

Das ewig Licht geht da herein. Mit diesem Satz stellt uns das Lied der hochheiligen Nacht in jene Herberge zu Bethlehem, die für das neugeborene Kind keinen Raum hatte als nur eine Krippe. Es ist schwer zu fassen, daß gerade da das Licht ist, wo sich manches Dunkel zusammenballen will bei dieser Geburt in der Fremde und Armut, unter den Gesetzen einer kalten und zwingenden Weltherrschaft, unter wachsendem Mißtrauen einer Regierung, die bald zu Gewaltakten schreiten wird, Licht, das jede Dunkelheit durchdringt. Alle Maler tauchen Stall und Krippe in Licht, am schönsten vielleicht Corregio, bei dessen Bild von der Nacht aller Nächte das Licht von dem Kinde ausstrahlt auf Heu und auf Stroh. Ein Kinderlied nennt es „Kind, vom lieben Gott gesandt“, und dieser schlichte Satz birgt Wahrheit für und für. Der da in der Krippe liegt, wird wachsen und reifen und wird vom ersten Wort, das er verkündet, und von der ersten Tat, mit welcher er sich helfend zu den Menschen stellt, aufleuchten lassen den Glanz göttlichen Lebens, das unser Leben erhellt. In der ihm eigenen Sprache, die seinem Wesen angemessen ist, sagt er: „Ich bin das Licht der Welt“ und erfüllt diese Aussage im Leben unter den Menschen. Wir finden ihn in den Berichten von seinem Reden und Tun nur einmal an Stellen, wo äußerste Dunkelheit drohend über menschlichem Leben lastet und kein Ausweg mehr gesehen wird. Er tritt an Krankenbetten und geht in Trauerhäuser hinein, und es wird hell unter seinem Wort und unter seiner Tat.

Er ruft alle Mühseligen und Beladenen in seine Gemeinschaft, und ihre Lasten werden mit ihm tragbar. Der Verschuldung des Menschen geht er nach und leuchtet bis in den letzten Winkel des Lebens hinein, um zu finden, was aller Not und Beschwernis Grund und Ursache ist. Alle Suchenden und Fragenden sind ihm besonders wert, und er führt sie auf rechtem Wege, daß sie Gott wieder finden und ihn sehen, wie er ist, um von solcher Schau in das Leben zurückzukehren, wie die Hirten sich wieder zu ihren Herden kehrten und Gott priesen um alles, was sie gehört und gesehen hatten. Seine dunkelste Stunde am Kreuz zwischen Himmel und Erde ist so ewigen Lichtes voll, daß seinen Peinigern Vergebung erbeten wird, der armen Schar seiner Jünger neue Gemeinschaft geschenkt wird, und dem einen, dessen verpfuschtes Leben endgültig verloren zu gehen drohte, Rettung und Heil aufleuchtet. Kein Wunder, daß unter solchen Wirkungen der Hauptmann sich zu ihm bekennt als zu einem guten Menschen und Gottes Sohn. Das Licht, das aus seinem Leben und Sterben und Auferstehen leuchtet, ist die Liebe Gottes. Das Weihnachtslied aus Salzburger Landen singt von ihr: „O wie lacht Lieb aus einem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stund.“ Indem wir das aussprechen, sind wir an der Weltenwende und berühren ehrfürchtig und dankbar zugleich den tragenden Grund des Lebens. Gottes Liebe leuchtet aus dem Kinde im Stall und macht uns des ewigen Lebens gewiß.

Am Heiligen Abend hatten die Städte und Dörfer der Heimat ein besonderes Gesicht, wir werden es nie vergessen, so wie wir das Angesicht von Vater und Mutter nicht vergessen werden. Schon am frühen Nachmittag ruhte das Tagewerk, und in der hereinbrechenden Dämmerung riefen die Glocken der Kirchen zur Christvesper. Kaum ein Haus, das sich diesem Ruf entzog, und so füllten sich die Kirchen vom hohen Dom bis zum schlichtesten Gotteshaus mit einer andächtigen Schar, die der Botschaft ewigen Lichtes und ewiger Liebe vertraute. In den

beispiellos harten Zeiten, da unsere Kirchen zerbrochen wurden, ihre Lichter erloschen und ihre Glocken verstummten, hat sich solch Vertrauen bewährt, und ewiges Licht hat auch unsere dunkelsten Stunden hellgemacht und getröstet bis zum Scheiden aus diesem Jammertal. Es wird leuchten und bleiben, unberührt von Sturm und Wetter, von Irrtum und Versagen und über alle Zeiten ausstrahlen Friede und Freude der göttlichen Welt.

Stille Nacht: Wenn sich die Dunkelheit über das Land senkt, ruht auch aller Zorn und Haß, und Lichter zeigen den Weg zum Frieden. Foto: Archiv


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