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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Die mit dieser Folge beginnende neue Serie der PAZ greift eines der dunkelsten
Kapitel der Politik und Geschichtsschreibung auf. Seit der Antike wurden aus
politischen, kriegerischen, wirtschaftlichen, religiösen und persönlich
egoistischen Gründen immer wieder die Wahrheiten verschwiegen, Fakten und
Dokumente verfälscht, Greuel, Urkunden oder Interviews und Memoiren einfach
erfunden.
Zu den zeitnächsten und immer wieder zu wiederholenden Erkenntnissen der
Geschichte gehört der Satz: Die Wahrheit ist das erste Opfer eines jeden
Krieges. In seinem Buch „Falsehood in War-Time“ (1. Aufl. London 1928, letzte
deutsche Ausgabe Seeheim 1967) formuliert Arthur Posonby Lord of Shulbrede in
der Einleitung: „Die Lüge ist eine anerkannte und äußerst nützliche Waffe im
Kriege, und jedes Land gebraucht sie bewußt, um das eigene Volk zu täuschen,
Neutrale zu gewinnen und den Feind irrezuführen. Die unwissende und unschuldige
Masse in jedem Lande bemerkt nicht, wie sie getäuscht wird, und wenn alles
vorüber ist, werden wohl hier und da Lügen aufgedeckt, aber dann ist schon alles
Geschichte und Vergangenheit und die gewünschte Wirkung erzielt, so daß sich
niemand mehr die Mühe macht, den Tatbestand zu ermitteln und die Wahrheit
festzustellen.“
Schon in den Kriegen, die das alte Rom führte, gehörte die
Freiheits-Versprechung zur gängigen Propaganda. Die Gegner Roms wurden
aufgefordert zu erkennen, daß die Waffen des römischen Volkes „nicht Freien die
Knechtschaft, sondern Geknechteten die Freiheit“ bringen. Das Wort „libertas“
bedeutete nach römischem Sprachinhalt jedoch nicht Freiheit und
Selbstbestimmung, sondern lediglich Aufhebung der Tyrannis oder Königsherrschaft
bei weiterer Abhängigkeit von Rom, wie zum Beispiel Syrakuser oder Makedonier es
erleben mußten.
Kaiser Friedrich II. wehrte sich im 13. Jahrhundert in seinen Kämpfen mit den
Päpsten seiner Epoche unter anderem mit einer anonymen Flugschrift „In exordie“,
in der das apokalyptische Bild eines aus dem Meere steigenden Untiers auf den
Papst projiziert wird. Der Papst antwortete mit Streitschriften, die
Bettelmönche verbreiteten und in denen der Kaiser als „Tyrann und Antichrist“
bezeichnet wurde. Schon damals wurde mit drastischen Sprachbildern gearbeitet.
Die kaiserliche Propaganda bezeichnete den lombardischen Aufstand als ein
„Geschwür, das geschnitten werden müsse, um nicht den ganzen Körper zu
befallen“. Die Kirche wehrte sich mit Ketzererlässen und entrüstete sich, daß
„Häretiker versuchen, den nahtlosen Rock Gottes aufzutrennen“.
Aus Sprachbildern wurden in der Zeit der Gotik Gemälde und Bildfolgen. Als die
Türken Mitteleuropa bedrohten, entstanden zahlreiche Gemälde, die den
Kampfeswillen gegen die Osmanen steigern sollten. Da wird beispielsweise der
Heilige Veit im Ölkessel verschmort; ein Türke mit Turban schürt darunter das
Feuer. Dem Volke sollte mit solchen Darstellungen vor Augen geführt werden, was
ihm bevorstünde, wenn das Land in die Gewalt der Osmanen käme.
Im Dreißigjährigen Krieg bezichtigte jede der kämpfenden Seiten die andere, nach
„Weltherrschaft“ zu streben, zuerst Frankreich das Haus Habsburg, später
Frankreich Schweden, dann Schweden Frankreich, schließlich deutsche Länder
Frankreich und Schweden. Jede Seite warf der anderen schlimmste Greueltaten vor:
Kindesmord, Folterung, Vergewaltigung, Brandschatzung, Raub und Plünderung.
Tatsache war, daß die Landsknechte aller Kriegsparteien grausamste Verbrechen
begingen. Jede Seite äußerte auch die feste Überzeugung, Gott auf der eigenen
Seite zu haben. Kennzeichnend für diese Epoche ist jedoch, daß die sich damals
langsam entwickelnde „öffentliche Meinung“ – Zeitungen, Zeitschriften, Kalender
– noch um Objektivität bemüht und nicht, wie später, willfähriges Werkzeug der
kriegführenden Mächte war.
Noch größere Bedeutung hatten Lüge und Propaganda in der Zeit der napoleonischen
Kriege. Schon als ganz junger Befehlshaber beherrschte der Korse alle
Klaviaturen der Propaganda in Wort und Schrift. 1796 hieß es in seinem Bulletin
an Glieder der italienischen Armee: „Soldaten! Ihr seid halb nackt, Ihr seid
unter-
ernährt. Die Regierung schuldet Euch viel und sie kann Euch nichts geben. Eure
Geduld und Euer Mut, den Ihr inmitten dieser Felsen gezeigt habt, sind
bewundernswert. Doch hattet Ihr davon weder Ruhm, noch strahlte ein Glanz auf
Euch zurück. Ich will Euch jetzt in die fruchtbarsten Ebenen der Welt führen.
Reiche Provinzen, große Städte werden in Eurer Macht sein. Ihr werdet dort Ehre,
Ruhm und Reichtum finden. Soldaten der italienischen Armee, wird es Euch an Mut
und Ausdauer fehlen …?“
Noch geschickter sein Manifest an die Bevölkerung während des ägyptischen
Feldzuges: „… Kadis, Scheichs, Imams, Tschorbadschis, sagt dem Volke, daß wir
Freunde der wahren Muselmänner sind. Haben wir nicht den Papst abgesetzt, der da
sagte, daß man die Muselmänner bekämpfen müsse? Haben wir nicht die
Malteserritter vernichtet, weil die Unsinnigen glauben, Gott wolle, daß sie die
Muselmänner bekriegen …? Dreimal glücklich diejenigen, die mit uns sein werden!
Sie werden in ihrem Besitz und in ihrem Range gedeihen. Glücklich diejenigen,
die neutral bleiben! Sie werden Zeit haben, uns kennenzulernen und sie werden
unsere Partei ergreifen. Aber wehe, dreimal wehe denen, die sich für die
Mamelucken bewaffnen und gegen uns kämpfen! Für sie gibt es keine Hoffnung: Sie
werden zugrunde gehen.“
Erst als der Rußlandfeldzug Napoleons verloren war, wurde die Propaganda
wirkungslos. Das Ergebnis dieses Feldzuges war so katastrophal, daß es auch mit
leidenschaftlichen Lügen nicht mehr gutgeredet werden konnte.
Im Ersten Weltkrieg wurden Lügen bereits systematisch produziert. In einem
Aufsatz in der Wehrwissenschaftlichen Rundschau schrieb Erhard Baumann 1970: „Zu
den scheußlichsten Ausgeburten der Phantasie zählt die Behauptung, die Deutschen
würden die Leichen der Gefallenen zu Industriefett und Seife verarbeiten. Wie
sie zustande kam, berichtete der britische General Charteris im Oktober 1925 während seines Aufenthaltes bei der Interparlamentarischen Konferenz
in New York anläßlich einer Rede vor dem Club der New Yorker Künstler. Darüber
schrieb die New York Times am 20. Oktober 1925: „Eines Tages, so erzählte
General Charteris, kamen auf meinen Schreibtisch eine Menge Sachen, die
deutschen Gefangenen und Toten abgenommen worden waren. Darunter befanden sich
zwei Bilder, von denen eins einen Eisenbahnzug darstellte, der tote Pferde nach
hinten brachte, um Fette daraus zu gewinnen. Das andere Bild stellte einen Zug
dar, der tote Deutsche zum Begräbnis nach hinten brachte. Das erste Bild trug
die Überschrift: ‚Kadaver werden zur Fettfabrik gebracht.‘ Wohl wissend, wie die
Chinesen ihre Toten verehren, ließ ich die Kadaver-Überschrift auf das Bild mit
den toten Soldaten übertragen und die Photographie an eine chinesische Zeitung
in Schanghai senden. Von China aus nahm das Märchen vom Leichenfett dann seinen
Weg durch die Presse der ganzen Welt.“
Eine andere dieser Entente-Lügen lautete, die Deutschen hätten kleinen Kindern
in Belgien die Hände abgehackt. Dazu Baumann: „Bereits am 2. September 1914
meldete ein Berichterstatter der Times als angebliche Aussage französischer
Flüchtlinge: ‚Sie schneiden den kleinen Knaben die Hände ab, damit Frankreich
keine Soldaten mehr haben soll.‘ Diese in unzähligen Variationen wiederholte und
auch bildlich wiedergegebene Greuelgeschichte erregte die Gemüter so stark, daß Sammlungen für die betroffenen Kinder
veranstaltet wurden. Gestützt wurde sie in der Meinungsbildung – wie auch alle
anderen Greuelerfindungen – durch Untersuchungsberichte amtlich eingesetzter
Kommissionen, von denen der Bericht des früheren britischen Botschafters in
Washington, Vis-
count Bryce, die größte Wirkung ausübte. Vom Wahrheitsgehalt der amtlich
beglaubigten Dokumentation, auf die sogar der bedeutende Historiker A. J.
Toynbee hereinfiel, blieb nichts zurück, sobald objektive Überprüfungen
stattfanden. So heißt es im Weltkriegstagebuch des englischen Obersten
Repington: ‚Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, und mit Hilfe des Kardinals
Marcier wurde viele Fälle geprüft. Kein einziger Fall konnte nachgewiesen
werden.‘ Und in den Memoiren des früheren italienischen Ministerpräsidenten
Nitti: ‚Mr. Lloyd George und ich selbst, als ich an der Spitze der italienischen
Regierung stand, stellten ausgedehnte Nachforschungen an, um die Wahrheit über
diese schrecklichen Anschuldigungen zu ermitteln. Bei einigen von diesen waren
Namen und Orte angegeben worden, aber jeder untersuchte Fall erwies sich als
eine Legende.‘ Auch Nitti sieht in der Verbreitung falscher Nachrichten ein
erlaubtes Kriegsmittel, aber sein Schlußurteil lautete: ‚Heute wissen wir alle,
daß es Kinder mit abgehauenen Händen in Belgien nicht gibt und nie gegeben hat,
und daß alles, was Zeitungen und Telegraphenagenturen darüber verbreitet haben,
nichts als Kriegslügen waren.‘“
Hunderte weiterer Beispiele solcher Kriegslügen, aber auch gleichen Zwecken
dienende Bildfälschungen sind in der historischen Literatur über den Ersten
Weltkrieg vielfach belegt. Erwähnt sei nur noch der absichtliche englische
Übersetzungsfehler beim damals in Deutschland vielgesungenen Deutschlandlied von
Hoffmann von Fallersleben, dessen dritte Strophe heute unsere Nationalhymne ist.
Der erste Satz der ersten Strophe – „Deutschland, Deutschland über alles“ wurde,
um eine angebliche maßlose Überheblichkeit und Anmaßung Deutschlands zu belegen,
mit „Germany over the all“ übersetzt. Fortsetzung folgt
US-Werbeplakat für die Zeichung von Kriegsanleihen aus dem Jahre 1918: Die
Mißhandlung der belgischen Zivilbevölkerung durch das deutsche Militär gehörte
zu den liebsten Greuelmärchen der Entente. Foto: DHM |