Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Ist es wirklich so gewesen, oder hat er sich das so gut ausgedacht? Bei Herbert
Reinecker weiß man das nie so genau – gerade das macht den Meister der
Erzählkunst aus. Und machte ihn auch zum wohl erfolgreichsten Drehbuchautor der
Film- und Fernsehgeschichte.
Sein Derrick, verkörpert von Horst Tappert, ging in 281 Folgen über Deutschlands
Mattscheiben und rund um die Welt. Ob in Japan, auf Südsee-Atollen oder
Lateinamerika – Reineckers Kommissar war zeitweise bekannter als das gerade
amtierende deutsche Staatsoberhaupt. Und er war immer ein guter „Botschafter“
unseres Landes: ruhig, einfühlsam, sympatisch – ein deutscher Polizist ohne
„Pickelhaube“ und ohne all die anderen antideutschen und antipreußischen
Klischees.
Aber Reinecker hat nicht nur die Drehbücher zu weiteren so erfolgreichen
TV-Serien wie „Der Kommissar“, „Das Traumschiff“ oder „Das Auge Gottes“ sowie zu
über 100 Spielfilmen und Dokumentationen geschrieben, sondern auch zahlreiche
Hörspiele, Theaterstücke, Romane und Kurzgeschichten. Und immer wieder glaubt
der aufmerksame Leser, darin ein Stück vom Autor selbst wiederzuerkennen.
So auch in der Novelle „Der Jesus von Stallupönen“, aus der wir nebenstehend
eine Leseprobe bringen. Was da ein junger Mann über seinen ostpreußischen
Großvater erzählt, hat konkrete Hintergründe; zumindest einiges von dem ist
wirklich so gewesen. Reinecker berichtete mir einmal von einer Tante, die einen
Bauernhof in Ostpreußen besaß, wo er in der 20er und 30er Jahren immer die
Schulferien verbrachte; Jahrzehnte später habe diese Tante ihm von der Flucht
über das zugefrorene Haff erzählt.
Der Autor hat diese ihm mündlich überlieferten Erlebnisse in großartiger Weise
literarisch verarbeitet. Seine Geschichte ist nicht das große Weltendrama. Die
Figuren, die er vor dem Auge des Lesers lebendig werden läßt, sind nicht
entrückte Helden, sondern „ganz normale“ Menschen, die über Nacht ein Schicksal
traf, das sie nicht selber herbeigeführt oder gar verschuldet haben, das sie
aber auch nicht abwenden konnten; also versuchten sie, es zu meistern. Reinecker
gelingt es, extreme Ausnahmesituationen glaubwürdig zu beschreiben. Gerade auf
Leser, die das Glück hatten, solche Extremsituationen nicht selber erleben zu
müssen (ich darf mich selber dazu zählen), übt diese Art der
Geschichtsbeschreibung eine stärkere Wirkung aus als manche
drastisch-realistische Dokumentation.
Für Herbert Reinecker ist in diesem Jahr Weihnachten ein ganz besonderes Fest:
Am Heiligabend wird er 90 Jahre alt. Um ihn als Autor ist es in letzter Zeit
ruhiger geworden. Seine schriftstellerische Tätigkeit hat er aus
gesundheitlichen Gründen stark einschränken müssen, Derrick sieht man nur noch
als Wiederholung. Die Hoffnung, gelegentlich doch wieder eines seiner klugen
Essays zu Grundfragen unserer Zeit lesen zu dürfen, will ich aber nicht
aufgeben. Themen, die ihn reizen dürften, gibt es mehr als genug, und einen
Herbert Reinecker
als desinteressierten Ruheständler kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Geboren wurde Reinecker am 24. Dezember 1914 in Hagen als Sohn eines
Reichsbahnarbeiters. Schon als 15jähriger startete er seine journalistische
Karriere mit ersten Feuilletonbeiträgen für die Hagener Zeitung. 1936 ging er
nach Berlin, wo er neben redaktionellen Tätigkeiten einen Kurs für
Drehbuchautoren belegte – mit geradezu durchschlagendem Erfolg, wie sich in der
Folgezeit zeigte. Nach dem Krieg kam er durch den Produzenten Helmut Ringelmann,
der für Jahrzehnte sein enger publizistischer Wegbegleiter werden sollte, in
Kontakt mit dem Fernsehen, dessen Geschichte er in erheblichem Maße prägte.
Derricks „Vater“:
Der Journalist und Schriftsteller Herbert Reinecker ist einer der
weltweit erfolgreichsten
Drehbuchautoren der Film- und Fernsehgeschichte. Seine bekannte Figur, Derrick
alias Horst Tappert, brachte es auf nahezu 300 Folgen und ging, in über 70
Sprachen synchronisiert, rund um die Welt. Darüber hinaus weist Reineckers
umfangreiche Bibliographie Werke der unterschiedlichsten Literaturgenres aus –
stets recht erfolgreich und stets ein Genuß für den Leser.
Foto: Steinmeier |