Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Als der Omnibus des bundesdeutschen Reiseveranstalters Greif Reisen A. Manthey
GmbH die Oder erreichte, hatte er die 55 Teilnehmer der von der
Kreisgemeinschaft Wehlau organisierten Reise in die Heimat bereits in
Witten-Heven, Bochum, Hannover, Hamburg und Berlin aufgesammelt. Der
Grenzübergang verlief problemlos. Nach kurzer Wartezeit verabschiedeten sich die
deutschen und polnischen Grenzbeamten mit „Gute Reise“ und ohne Paßkontrolle.
Von dort ging es mit einer Übernachtung in Schneidemühl weiter nach Elbing. Dort
wechselte der Bus auf die alte deutsche Autobahn in Richtung Königsberg, von der
nur eine Fahrbahn mit zwei Fahrsteifen bis zum Kriegsbeginn gebaut werden konnte
und die sich heute, nach 70 Jahren, in einem schlimmen Zustand befindet. Erste
kleine Anzeichen im Raum Elbing scheinen darauf hinzuweisen, daß vielleicht doch
mit einem künftigen Ausbau zu rechnen ist, über den schon lange geredet wird.
Nach der Einführung der Autobahnmaut in der Bundesrepublik wird der
Bundeskanzler sicher mit der Begründung, daß dies die „wundersame Versöhnung“
fördere, mit „ein paar Milliarden“ leicht aushelfen, damit die im Gespräch
befindliche Magistrale St. Petersburg–Riga–Willna–Königsberg–Stettin mit
Anschluß an die
A 20 realisiert werden kann.
Noch ist die Autobahnbrücke über das Tal der Passarge nach der Sprengung im
Krieg nicht wieder aufgebaut worden, so daß man vorher abbiegen muß, um über
eine Landstraße Braunsberg zu erreichen, wo man wieder auf die Reichsstraße 1
trifft. Acht Kilometer nördlich von Braunsberg wurde die polnisch-russische
Staatsgrenze erreicht, die vor Kriegsende von Stalin mit einem Rotstift-Strich
quer über eine Landkarte von Ostpreußen gezogen worden ist. Er wollte nicht das
ganze Preußen östlich der Oder den Polen allein überlassen, sondern sich auch
einen Teil der Kriegsbeute sichern, und da war ihm das Königsberger Gebiet mit
dem eisfreien Hafen Pillau für seine baltische Flotte gerade gut genug. Im
Gegensatz zu der vorher überquerten, ist diese noch eine Staatsgrenze alten
Stils. Sie ist auch heute noch mit Zäunen, Wachtürmen und ständig geharktem
Todesstreifen gesichert, wie es die innerdeutsche Grenze bis 1990 einmal war.
Die Reisenden müssen bei den Russen den Bus verlassen und durch eine Halle
gehen, in der sich eine Sperre mit Abfertigungsschalter befindet. Hier werden
die Reisepässe und Visa geprüft und ein zusätzlich auszufüllendes Papier
abgegeben, dessen Kopie man mit Stempel des Hotels, in dem man übernachtet hat,
bei der Ausreise wieder abgeben muß. Diese Prozedur dauert seine Zeit. Die
Abfertigung des Fahrzeuges dauert noch deutlich länger. Im Gegensatz zu früher
benötigte die Reisegruppe diesmal allerdings nur noch etwas mehr als eineinhalb
Stunden. Danach ging es weiter auf der Reichsstraße 1 über Heiligenbeil nach
Königsberg. Hier kam die Gruppe gegen Abend an und bezog ihre Zimmer im größten
und bekanntesten Hotel der Stadt mit dem Namen „Kaliningrad“, in dem sie während
ihres Ostpreußenaufenthaltes wohnte.
Gleich am ersten Tag ging es mit dem Bus an Tapiau vorbei auf der Reichsstraße 1
nach Wehlau. Der Bürgermeister Iwan Rombak hatte Urlaub und war verreist, so daß
die Gruppe den von ihm aufbewahrten Kirchenschlüssel nicht erhalten konnte. Der
Meister des nebenan befindlichen Heizwerkes verstand es aber, die Tür zur
Kirchenruine zu öffnen. Seit dem Gottesdienst und der Kranzniederlegung im Jahr
zuvor hatte anscheinend niemand mehr den Innenraum betreten. Fast ein Meter
hohes Unkraut empfing die Gruppe. Auch sonst sind dringend Erhaltungs- und
Reparaturarbeiten am Turm und dem Mauerwerk erforderlich.
Hier in Wehlau blieb ein Teil der Reisenden zurück, die das, was von der Stadt
übrig geblieben ist, durchstreifen wollten. Die übrigen fuhren mit dem Bus in
das wenige Kilometer südlicher gelegene Paterswalde und besichtigten von außen
die leider abgeschlossene evangelische Kirche, die jetzt von den
Russisch-Orthodoxen in Anspruch genommen wird. Anschließend gingen sie in das
Gemeindehaus der rußlanddeutschen evangelischen Gemeinde und sprachen mit deren
Leiter Alexander Meibach, der zugleich Vorsitzender des rußlanddeutschen Vereins Samland in
Tapiau ist.
Über Wehlau ging es anschließend nach Petersdorf. Der Ort macht einen sehr
traurigen Eindruck. Wenige Häuser sind leidlich erhalten. Das vor wenigen Jahren
noch existierende stabile Mauerwerk der alten Schule ist mittlerweile
verschwunden. Das Kriegerehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges ist
nach der Renovierung durch Albert Schulz unverändert geblieben.
Weiter ging es über Taplacken, Kuglacken, Kallehnen nach Plibischken. Die
Kirche, seit Kriegsende ohne Turm, einen sogenannten „Dachreiter“, scheint
ausgebrannt gewesen zu sein und wurde von den Russen mit den dort üblichen
Asbestzement-Wellplatten (Eternit) gedeckt und zu einem Clubhaus umgebaut. Neben
einer Bühne, die jetzt den Platz des früheren Altars einnimmt, gibt es einen
separaten Raum mit zwei Billardtischen. Es dürfte kürzlich einen neuen
Außenanstrich erhalten haben. Das überaus schmutzige Grau, das noch im Juni
letzten Jahres vorhanden war, ist einem sauberen hellen Grau gewichen. Beim
alten Kriegerehrenmal vor der Kirche, wie in Petersdorf ein wuchtiger Findling,
war bereits 2003 die alte Inschrift erneuert worden. Die beiden Treppenreihen
und der schräge Platz dazwischen sind von Unkraut und Gras befreit worden, und
es wurden dankenswerterweise sogar einige Blumen gepflanzt.
In Groß Ponnau hat sich in der letzten Zeit nichts Nennenswertes verändert. Die
Rückfahrt zum Hotel nach Königsberg erfolgte dann wieder über Wehlau, wo die
Dortgebliebenen aufgenommen wurden.
Am darauffolgenden Tag wurde unter anderem Pillau angelaufen. In dieser Stadt
merkt man, daß die Marine beziehungsweise das Militär das Sagen hat. Pillau ist
nach wie vor der wichtigste Stützpunkt der Baltischen Flotte. An der Nordmole
entstand im vergangenen Jahr ein gewaltiges Denkmal, das die Zarin Elisabeth
(1709– 1762) auf einem sich bäumenden Pferde darstellt. Das sechseinhalb Meter
hohe Bronzedenkmal ist sichtbare Geschichtspolitik, soll mit der Erinnerung an
die Herrscherin Ostpreußens von 1758 bis 1762 doch suggeriert werden, daß
Rußlands Herrschaft über diesen Raum Tradition und Geschichte habe.
Am nächsten Tag ging es nach Georgenburg und Trakehnen. Georgenburg wird wieder
durch die Pferdezucht und Reitturniere beherrscht. Mit viel Geld aus Moskau, man
sagt, Frau Luschkowa, die Frau des Bürgermeisters von Moskau, habe hier
investiert, ist ein gepflegtes Gestüt mit Reitsportanlage entstanden, das die
Gruppe gegen Entrichtung von vier Euro pro Person, besichtigte. Aus der Zeit vor
der Besetzung durch die Russen sind Ställe und andere Gebäude erhalten
geblieben, die mit Sachverstand und guten Handwerkern restauriert und
modernisiert wurden. Über die edlen Pferde, die hier wieder stehen, kann sich
jedes Preußenherz nur freuen.
Von dem weltbekannten Gestüt Trakehnen ist nur noch das Landstallmeisterhaus mit dem bekannten Trakehner Tor und das Reitburschenhaus
erhalten geblieben. Ein deutscher Verein ist dabei, mit Spenden von Landsleuten,
über die Jahre diese Bauten mühsam vor dem Verfall zu retten und zu
restaurieren. Im Landstallmeisterhaus befindet sich eine russische Mittelschule,
die Unterstützung aus der Bundesrepublik Deutschland erfährt und ein
sehenswertes Museum über das frühere Trakehnen eingerichtet hat. Von Stallungen,
Scheunen und anderen zum Gestüt gehörenden Gebäuden sind nur noch Reste
erkennbar.
Am Ortsrand hat ein Verleger aus Kiel, dem es gelungen war, hohe Summen an
Spenden zu erhalten, eine Siedlung mit schönen Häusern erbaut, die für
Rußlanddeutsche gedacht waren. Alle Häuser stehen leer und „gammeln“ vor sich
hin. Wie von dem zur Zeit dort lebenden deutschen Verwalter und Bewacher zu
erfahren war, sind die Rußlanddeutschen, von denen einige eingezogen waren,
inzwischen nach der Bundesrepublik Deutschland weitergezogen. Hier in Trakehnen und auch in der weiteren Umgebung fanden sie
nirgends Arbeit, so daß sie noch nicht einmal in der Lage waren, die minimale
Miete aufzubringen, die für die laufenden Abgaben gebraucht wird. Nun verlangt
auch noch die russische Administration, daß für die Siedlung ein Klärwerk gebaut
wird, und zwar in einer Größe, die mehr als die Abwässer des ganzen Ortes zu
klären vermag.
Als die Gruppe das Wehlauer Gymnasium, der „Deutsch Ordensschule“, die den Krieg
und die Nachkriegszeit überstanden hat und den heutigen Bewohnern als
Mittelschule dient, besuchte, stieß sie trotz Ferien in einem Klassenraum auf
Schüler, die unter Aufsicht und Anleitung zweier Lehrerinnen Stadtpläne
zeichneten, nach Vorlagen farbige Zeichnungen anfertigten und diese
beschrifteten. Wie eine der beiden Lehrkräfte berichtete, wird mit dem Material,
das der „Museumsmacher“ der Kreisgemeinschaft Wehlau Klaus Schröter aus seinen
Beständen herausgesucht hatte, und das Heinrich und Sieglinde Kenzler nach
Wehlau gebracht hatten, ein Geschichtskabinett ausgestaltet, das Schülern und
Lehrern die Vergangenheit dieses Ortes und Landes näherbringen soll. Die
Eröffnung werde am ersten Schultag nach den Ferien erfolgen, war von den
Lehrerinnen zu erfahren.
Vom Kirchdorf Grünhayn fand die Reisegruppe nichts mehr vor. Nicht ein Haus,
auch keine Ruine, ist mehr vorhanden. Fliederbüsche und kleine Bodenerhebungen
könnten Zeichen dafür sein, daß hier Gehöfte gestanden haben. Wie deutscherseits
berichtet wird, soll das recht gut erhaltene Grünhayn nach 1945 beim Drehen
eines Kriegsfilms abgebrannt worden sein. Jemand hat sich kürzlich eine
sowjetische Wochenschau aus der damaligen Zeit ansehen können. In einer Szene
brannte das Wehlauer Rathaus lichterloh. Obwohl dabei ein anderer Ort genannt
wurde, gab es keinen Zweifel, es war Wehlau.
Am letzen Tag des Aufenthalts ging es unter anderem nach Cranz, dem ältesten
Ostseebad Ostpreußens. Im Gegensatz zu Rauschen gibt es hier eine öde
Betonpromenade mit einer Bauruine. Der Sandstrand ist bis auf einen schmalen
Streifen weggespült. Das heutige Cranz macht insgesamt gesehen einen etwas
tristen Eindruck.
Am nächsten Morgen wurden die Koffer im Bus verladen und die Rückreise
angetreten. Bei Heiligenbeil ging es wieder über die innerostpreußische
Grenze,diesmal noch rascher als bei der Hinfahrt. Die Polen verzichteten auch
hier auf eine Paßkontrolle. Im Hotel Panorama bei Stettin wurde noch einmal
übernachtet, dann ging es auf der Autobahn über die deutsch-polnische
Staatsgrenze zurück in die Bundesrepublik, auch hier wieder ohne Kontrolle. J.
R.
Potemkinsche Dörfer: Am Ortsrand von Trakehnen stößt der Besucher auf diese
hübsch anzuschauende Siedlung, um bei näherem Hinsehen festzustellen, daß die
Häuser mit den heimatbezogenen Fassadenmalereien leerstehen und „vergammeln“.
Hier hatte man Rußlanddeutsche angesiedelt, die aber keine Arbeit fanden und gen
Westen weiterzogen. Foto: I. Rudat |