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15.01.05 / Schreibmaschine eingemauert / Die Botschaftsgebäude der Hauptstadt erzählen europäische Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 2 vom 15. Januar 2005

Schreibmaschine eingemauert
Die Botschaftsgebäude der Hauptstadt erzählen europäische Geschichte
von Thorsten Hinz

Ein Berliner Villenviertel zwischen Koenigsallee und Grunewald. Die Seitenstraßen hier sind still und friedlich. Sie tragen noble Namen wie Königsmark, Bernadotte oder Richard Strauss. Eine ideale Adresse für die Residenzen der ausländischen Botschafter. Vielfach ist es üblich geworden, die Botschaften mit Büroräumen und Kanzlei für den Publikumsverkehr vom Wohnsitz des Botschafters zu trennen. Bei Staatsbesuchen bietet die Residenz dem jeweiligen Staatsoberhaupt oder wenigstens Ministern und hohen Beamten Quartier. Und schließlich findet hier „Öffentlichkeits-Diplomatie“ statt, Empfänge und Essen in vertraulicher Atmosphäre. So werden Kontakte zur Politik, Wissenschaft, Kultur und den Medien geknüpft.

Ein besonders gediegenes Haus ist die luxemburgische Residenz, ein zweistöckiger Bau mit einem berlintypischen, tief nach unten gezogenen Walmdach, aus dem zur Straßenseite acht Gauben herausragen. Im Innern herrschen Cremefarben vor, die Einrichtung wechselt zwischen Neoklassizismus und Moderne. Die Vorkriegsbotschaft Luxemburgs hatte sich im Westend befunden. Ausgerechnet Ende der 80er Jahre hatte das Großherzogtum den Glauben an die deutsche Vereinigung verloren und das Gebäude verkauft. Das neue Haus ist aber ein hervorragender Ersatz.

Das Heim des tschechischen Botschafters befindet sich in einer 1912 erbauten Villa, die von einem weitläufigen Garten umgeben ist. Um Platz für größere Empfänge zu schaffen, wurde ein Wintergarten angebaut. Der vornehme Charakter des Hauses blieb gewahrt. Es entschädigt für den scheußlichen Eindruck, den das an eine Geheimdienstzentrale gemahnende, in den 80ern errichtete Botschaftsgebäude in der Wilhelmstraße vermittelt.

Der US-Botschafter hat sich in einem 80 Jahre alten Haus eingerichtet, das vor Kriegsausbruch in NS-Besitz kam und 1945 für den amerikanischen Stadtkommandanten beschlagnahmt wurde. Hölzerne Kassettendecken, Kamine und ein Mischmasch aus schwerem Mobiliar zielen auf imperiale Wirkung ab. Geschmackvoller wirkt die britische Residenz. Das Haus wurde 1930 von der Familie Ullstein erbaut und 1934 verkauft. Nach dem Krieg wurde eine Rückübertragung abgelehnt, das Haus ging an den Bund, der es an die Briten verkaufte.

Aber nicht alle Länder haben die Trennung zwischen Botschaft und Residenz vorgenommen. Das gilt auch für die russische Botschaft Unter den Linden, die auf das Jahr 1832 datiert. Es war die erste Botschaft in Berlin überhaupt (nach den Zerstörungen des Weltkriegs wurde sie in raumgreifender, stalinistischen Architektur wiedererrichtet). 1860 folgten die Franzosen, die ebenfalls an ihren historischen Platz am Brandenburger Tor zurückgekehrt sind, allerdings in ein modernes Gebäude. Israels Botschaft und Residenz befinden sich in Schmargendorf in einer Villa aus dem Jahr 1929. Vor dem Einzug gab es gerichtliche Klagen von Anwohnern, die Gefahren durch Terroristen fürchteten. Trotz strenger Sicherheitsauflagen ist der Botschafter um die Atmosphäre eines offenen Hauses bemüht. Das Innere ist hell, luftig, von dezenter Würde. Ungewöhnlich ist das Gebäude Kuweits, ebenfalls in Schmargendorf: Seine geschwungene Freitreppe wird sogar für Modenschauen genutzt.

Estland hat seine Botschaft und Residenz in einer bereits 1920 erworbenen Villa im Tiergarten eingerichtet. Da der Westen die Annexion des Landes 1940 nicht anerkannte, übernahm der Bezirk Tiergarten nach 1945 die Verwaltung des Hauses. 1991 erhielt Estland den spätklassizistischen Bau zurück. Auf dem Schreibtisch der Botschafterin steht eine alte Schreibmaschine aus früherem Botschaftsbesitz. Sie war 1940 in der Wand eingemauert worden, um sie nicht den Russen überlassen zu müssen. Wiedereröffnet worden ist auch die irakische Botschaft im Grunewald. Zu Zeiten Saddam Husseins waren einige Fenster aus Geheimhaltungsgründen sogar mit Holzbrettern vernagelt. Jetzt will auch der Irak ein offenes Haus.


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