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15.01.05 / "...nach rechts Tenor" / Siegfried Weichmann repariert alte Radios

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 2 vom 15. Januar 2005

"...nach rechts Tenor"
Siegfried Weichmann repariert alte Radios

Ich bin ein Rundfunkempfänger für 4 Wellenbereiche, besitze in meinem Inneren 5 Röhren, 18 Kreise, 1 Lautsprecher und viele kleine Teile. Bei meiner Benutzung bitte ich, mir einige Wünsche zu erfüllen. Stelle mich nicht direkt an die Wand, ich brauche Luft zur Kühlung. Ziehe vor dem Abnehmen der Rückwand den Stecker aus der Steckdose, sonst kannst Du Dich elektrisieren.“ Mit diesen Worten beginnt 1961 die Gebrauchsanleitung für ein Radio, Typnummer B2D13A. Und weiter heißt es: „Großer Knopf: Nach links gibt’s Baß, nach rechts Tenor – ganz nach dem Wunsch von Deinem Ohr. Kleiner Knopf: Der Zeiger sagt, auf welchen Stellen wir empfangen die längeren Wellen.“ Es war die Zeit, als technische Geräte noch eine Seele hatten. So manche alte „Philetta“ von Philips schlummert nun in Kellern und auf Dachböden. Ein Willenberger aus dem Kreis Ortelsburg erweckt sie wieder zum Leben.

„Ich habe in meinem Berufsleben viele ‚Philettas‘ vor der Müllpresse gerettet“, sagt Siegfried Weichmann stolz. Seit fünf Jahrzehnten begleitet die legendäre Rundfunkgeräte-Serie den 65jährigen in seiner Werkstatt. Glänzende Augen bekommt er, wenn ihm ein Kunde den „Kassenschlager“ des deutschen Wirtschaftswunders ins Geschäft bringt. Schaltpläne benötigt er zum Reparieren keine: „Die meisten Nostalgie-Radios kenne ich aus dem Effeff. Und sonst hilft Improvisationstalent“, erklärt er lächelnd. „Das habe ich von meinem Vater geerbt.“

Dieser eröffnete 1929 in Willenberg ein Geschäft, in dem es nicht nur gewöhnliche Elektroartikel zu kaufen gab. „Mein Vater war ein Tausendsassa“, sagt Siegfried Weichmann. Im Angebot waren neben Radios und Nähmaschinen auch Fahrräder und Kinderwagen. Später legte sich Georg Weichmann noch eine Tankstelle samt Autovermietung zu. 1944 mußte die Familie aus Ostpreußen flüchten und zog nach Wentorf in Schleswig-Holstein. 1949 eröffnete der Vater erneut einen Laden; anfangs baute er die Radios sogar noch selbst.

„TV-Geräte mit LCD-Flachbildschirm sind eine tolle Sache. Für einen Bastler wie mich haben historische Geräte aber mehr Charme“, erklärt Siegfried Weichmann, der seit dem Tod seines Vaters das Geschäft gemeinsam mit Bruder Dieter (62) und Ehefrau Elke (65) in Reinbek bei Hamburg führt. 2004 hatte der „Radio-Retter“ etliche Jubiläen zu feiern: Vor fünf Jahrzehnten fing er im 75 Jahre alten elterlichen Betrieb an. 1954 lernte er auch seine Ehefrau Elke kennen. Außerdem ist der frühere Handballspieler nunmehr 50 Jahre Mitglied in der Turn- und Sportgemeinschaft Bergedorf. Rabenschwarze Stunden erlebt der fünffache Großvater höchstens alle 14 Tage. Dann kegelt er bei den „Pechvögeln von 1908“…

Gunnar von der Geest

Sinn für Seltenes: Siegfried Weichmann hat viele Epochen in der Unterhaltungselektronik erlebt. Drei alte „Philettas“ aus den 50er und 60er Jahren stehen als Blickfang im Regal. Foto: von der Geest


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