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22.01.05 / Im fahlen Licht des Bösen / "Tag der offenen Tür" 15 Jahre nach Erstürmung der Stasi-Zentrale 

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 3 vom 22. Januar 2005

Im fahlen Licht des Bösen
"Tag der offenen Tür" 15 Jahre nach Erstürmung der Stasi-Zentrale 
von Thorsten Hinz

Das Gebäudekarree der Stasi in Berlin-Lichtenberg war bis zum 15. Januar 1990 ein streng abgeschirmter Komplex. Wer hier vorbei mußte, beschleunigte automatisch den Schritt und vermied jeden auch noch so flüchtigen Seitenblick.

Die Gebäude sind bloß banale, ineinander verschachtelte DDR-Neubauten, doch die Macht und der Schrecken, die darin konzentriert waren, machten daraus ein sozialistisches Reichssicherheitshauptamt. 18.000 Mitarbeiter gingen auf dem Gelände, das im Laufe der Jahre immer weiter auswucherte, ihrer Tätigkeit nach. Faktisch handelt es sich um eine kleine Stadt.

Am 15. Januar, dem 15. Jahrestag der Erstürmung durch die DDR-Bevölkerung, wurde ein Tag der offenen Tür veranstaltet. Die Aktenbestände lagern im fünfstöckigen Archivgebäude. Säckeweise stapeln sich hier die Aktenschnipsel, die wieder per Hand zusammengesetzt werden sollen - eine Fleißarbeit für Jahrzehnte. Am meisten interessierte natürlich das Büro des langjährigen Stasi-Ministers Erich Mielke im zweiten Stock: Holzgetäfelt, dichte Gardinen, an der Stirnseite der Schreibtisch, darauf links die Telefone, rechts ein Abguß von Lenins Totenmaske unter Glas, ein Geschenk seiner Moskauer Tschekisten-Kollegen. Hinter dem Schreibtischsessel ein Panzerschrank, in dem Mielke auch Material gegen seinen Partei- und Staatschef Erich Honecker aufbewahrte. Eine wuchtige Sitzgruppe mit Couchtisch, ein Konferenzbereich, die Polster sind mit blauem Stoff bezogen. Eine antiquierte, spätstalinistische Pseudopracht. Von der Decke werfen quadratische Lampen ein typisches Amtsstubenlicht, das hart und zugleich fahl ist.

Im Januar 1990 verfehlten die ungeübten Revolutionäre Mielkes Büro. Dem Aufruf des Neuen Forums, gegen die Aktenvernichtung zu protestieren, waren rund 100.000 Demonstranten gefolgt. Zunächst erstürmten sie den Küchentrakt, der als einziger beleuchtet und unverschlossen war und wo sie allerlei West-Leckereien vorfanden. Unterdessen blieben in den Geheimbereichen die Reißwölfe in Betrieb und ging die Datenlöschung weiter. Bis heute hält sich das Gerücht, die Demonstranten seien von Stasi-Agenten manipuliert und auf die falsche Fährte gesetzt worden. Auch die CIA soll damals ihre Hände mit im Spiel gehabt haben, um an die "Rosenholz"-Akten über die West-Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zu gelangen. Tatsächlich tauchten die Akten bald in Washington wieder auf. Erst kürzlich sind sie als Kopien nach Berlin zurückgekehrt. Inzwischen wird die CIA-Version bestritten, vielmehr soll Mos-kau für die Amerikaner als Vermittler tätig gewesen sein.

Nach Bekanntwerden der Erstürmung eilten Ministerpräsident Hans Modrow (SED) und DDR-Bürgerrechtler, die am Runden Tisch getagt hatten, sofort herbei, um zu Ruhe und Ordnung aufzurufen. Dieser Koalition schlossen sich auch hochrangige Bundespolitiker an, die mahnten, die DDR-Bürger sollten doch bloß nicht ihre schöne, nette, friedliche Revolution kaputtmachen.

Die Angst vor dem Volk, dem großen Lümmel, war allgemein. Trotzdem war die Aktion nicht sinnlos gewesen. Der Versuch der Modrow-Regierung, die Stasi als Amt für Nationale Sicherheit (AfN) weiterzubetreiben, war gescheitert, der Geheimdienst endgültig entmachtet und das SED-Regime nun auch symbolisch besiegt.

Heute gibt es hier eine Erinnerungsstätte, die sich mit ganz praktischen Problemen herumschlagen muß. Die Gebäude sind marode, vor einigen Jahren hat eine defekte Stromleitung sogar einen Brand verursacht. Berlin hat kein Geld für den Erhalt, und für Computer, welche die Rekonstruktion der zerrissenen Akten beschleunigen könnten, sind erst recht keine Mittel vorhanden. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) möchte die Stasi-Zentrale dem Bund überlassen, doch der will nur die Hälfte der Kosten tragen.

Nicht alles, was man heute sieht, ist authentisch, manches wurde noch kurz vor Toresschluß aufgehübscht. Es wurden richtige Betten in die Zellen gestellt und Blumenkästen. Zu DDR-Zeiten gab es für die Gefangenem nur Holzpritschen und Tigerkäfig. Der DDR-Sozialismus sollte nicht in schlech-ter Erinnerung bleiben. Und irgendwie ist das ja auch gelungen.

 Im Panzerschrank lagerten sogar Akten über Erich Honecker: Mielkes Arbeitszimmer in der Normannenstraße - spätstalinistische Pseudopracht mit Amtsstubenflair Foto: pa


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