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22.01.05 / Endlich Deutschlands innere Einheit vollziehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 3 vom 22. Januar 2005

Gedanken zur Zeit:
Endlich Deutschlands innere Einheit vollziehen
von Wilfried Böhm

Nichts führt daran vorbei: die Pisa-Studie ist ein miserables Zeugnis für den praktizierten Föderalismus in Deutschland, in dem die Bundesländer die Verantwortung für die Bildungspolitik haben. Daß jeder fünfte Schüler in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben lernt, mehr als zehn Prozent nicht einmal einen Hauptschulabschluß machen und schwächere Schüler nicht ausreichend gefördert werden, ist für Deutschland eine Katastrophe, denn die Bildung seiner Bürger ist das wichtigste Kapital für die Bewältigung der Zukunft unseres Landes.

Bildungspolitik ist seit Gründung der Bundesrepublik in der Zuständigkeit der Bundesländer, die damit die Verantwortung für die in der Pisa-Studie aufgezeigten Mängel tragen. Tatsächlich ist es mehr als peinlich, wie die mittlerweile 16 Bundesländer ihre "Staatsqualität" aller Welt im Bereich der von ihnen verantworteten Bildungspolitik per Pisa-Studie sichtbar machen.

Viel Hoffnung für die Bildungspolitik war darum auf die Föderalismuskommission gesetzt worden, die im Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte des deutschen Föderalismus im Herbst 2003 eingesetzt worden war und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und ihre Gesetzgebungskompetenzen neu ordnen sollte. Auf dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Europäischen Union und nicht zuletzt der Situation der Kommunen sollte unter dem Vorsitz des SPD-Chefs Franz Müntefering und Bayerns CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber das kaum noch zu überschauende Gewirr von Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen entflochten und gewissermaßen systemimmanent neu geordnet werden. Skepsis war von vornherein angebracht und prompt scheiterte der Versuch einer Neuordnung der Machtverhältnisse zwischen Bund und Ländern an unüberwindbaren Differenzen im Bildungsbereich, dem neuralgischen Punkt deutscher Politik.

Ein Bundesstaat wie die Bundesrepublik braucht Bund und Länder, die kooperieren und wissen, daß Bund und Länder keine Veranstaltung der Länder gegen den Bund ist und umgekehrt. Dieser Zustand eines funktionierenden Föderalismus ist in Deutschland, auch wegen seiner parteipolitischen Komponenten, jedoch nicht gegeben und bestenfalls ein frommer Selbstbetrug.

Die oft gehörte Behauptung, Bildungspolitik werde und müsse "im Wettbewerb der Bundesländer untereinander gestaltet werden", wirkt absurd angesichts der in über 50 Jahren erzielten Ergebnisse.

Wenn die gegenwärtige deutsche Bildungssituation das Ergebnis eines solchen "Wettbewerbs" ist, dann muß man an seinem Sinn zumindestens in den gegenwärtigen Länderstrukturen zweifeln. Zwangsläufig ergibt sich daraus die Frage, ob die gegenwärtige Länderstruktur in der Lage ist, ein föderalistisch begründetes Bildungssystem zu tragen.

16 Kultusminister mit ihren Verwaltungsapparaten, gestützt auf 16 Landtage mit derzeit 1.914 Landtagsabgeordneten und daraus resultierenden 16 Gesetzgebungen, in deren Folge ein unüberschaubares Meer von Vorschriften aller Art "Staats"- und Verwaltungshandeln begründet, sind die bildungspolitische Realität in Deutschland, ebenso wie die dadurch erzwungenen Koordinierungsversuche mit ständigen Konferenzen. Ins Absurde steigert sich diese Form des Föderalismus, wenn neben der Vertretung des Bundes in Brüssel bei den Institutionen der Europäischen Union (EU) sämtliche 16 Bundesländer in der "Hauptstadt Europas" ihre Vertretungen eingerichtet haben, um sich direkt aus erster Hand über die Entwicklungen und Vorhaben der dortigen Kommission und des Europaparlaments informieren zu können. Diese Art der Repräsentanz Deutschlands erregt bei den Vertretern der anderen EU-Mitgliedsstaaten Erstaunen und Kopfschütteln.

In einer Zeit, in der der Ruf nach Reformen das einzig Beständige in der deutschen Politik ist, können und dürfen der Föderalismus selbst und sein staatliches Erscheinungsbild davon nicht ausgenommen werden. Die Halbierung der Zahl der Bundesländer von 16 auf acht könnte den "Ruck" bewirken, den der frühere Bundespräsident Herzog beschworen hatte.

Es könnten lebensfähige Einheiten entstehen aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, aus Niedersachsen, Bremen und dem Bezirk Magdeburg, aus Brandenburg und Berlin, aus Sachsen und dem Bezirk Halle (Saale), aus Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, während Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg als erwiesenermaßen lebensfähige Einheiten bestehenblieben. Natürlich wären auch andere Formationen denkbar. Der Vorteil der genannten wäre allerdings, daß die deutsche Einheit endlich auch auf Länderebene vollzogen würde, nachdem die "Wiedervereinigung" 1990 lediglich zum Zusammenschluß zweier bestehender Strukturen, der Bundesrepublik und der DDR (als sogenannte "neue Länder") führte. Die "Abgrenzung" von Ost- und Westdeutschen im föderalistischen Länderbereich war damit nicht aufgehoben.

"Wessis" und Ossis" leben zwar im Bund, nicht aber in diesen Bund konstituierenden Bundesländern zusammen.

Ein lebens- und zukunftsfähiger Föderalismus könnte sehr wohl seinen Beitrag nicht nur zur Reformfähigkeit Deutschlands, sondern auch zur Herstellung der inneren Einheit erbringen und damit seine Zukunftsfähigkeit beweisen.


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