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22.01.05 / Leichen pflastern seinen Weg / Vor 40 Jahren starb der letzte der "Großen Drei", Winston Churchill

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 3 vom 22. Januar 2005

Leichen pflastern seinen Weg
Vor 40 Jahren starb der letzte der "Großen Drei", Winston Churchill

Winston Churchill stammte von dem berühmten John Churchill, Herzog von Marlborough, Reichsfürst von Mindelheim ab, der von 1650 bis 1722 lebte. Der nächste bedeutende Marlborough war dann Sir Randolph Churchill, ein konservativer Politiker der viktorianischen Zeit. Als ihn der Thronfolger wegen einer "delikaten" Angelegenheit zum Duell forderte, war sein Ansehen vorerst ruiniert. Trotzdem wurde er 1886 Finanzminister unter Lord Salisbury, geriet aber bald mit seinem für die Marine zuständigen Kabinettskollegen über dessen Budget in Streit und trat zurück. Das war sein politisches Ende. Königin Victoria urteilte: "Der Mann ist geisteskrank." Als er 1895 starb, hatte Sir Randolph nur noch einen Bewunderer: seinen am 30. November 1874 geborenen Sohn Winston.

Der 21jährige strebte nach erfolglosem Schulbesuch danach, Soldat zu werden. Im dritten Anlauf nahm ihn 1893 die Akademie Sandhurst als Kadett auf. Bald erschien der frisch gebackene Husarenleutnant auf allen denkbaren Kriegsschauplätzen, bis er 1899 in Südafrika in Gefangenschaft geriet.

Er beschloß Politiker zu werden und zog bereits im Folgejahr für die Konservativen ins Parlament ein. Mit seinem Wechsel 1904 zu den Liberalen zeigte er den richtigen "Riecher", denn 1906 kam es zu einem Regierungswechsel und Chruchill schaffte den Sprung ins Kabinett. Zunächst Unterstaatssekretär für die Kolonien, wurde er 1908 Handelsminister und 1910 Innenminister. Er bekämpfte konsequent den steigenden Marineetat und forderte statt dessen Sozialprogramme. Das änderte sich, als er Erster Seelord (Marineminster) wurde. Jetzt waren ihm größere und teurere Kriegsschiffe wichtig, die er mit dem Verweis auf die deutsche "Gefahr" durchsetzte, obwohl die deutsche Hochseeflotte nur gut 0,6 mal so groß war wie die britische. In diesen Tagen entwickelte er Pläne für die Landung an der Küste Pommerns, mit denen Deutschland in die Knie gezwungen werden sollte.

Im Oktober 1914 holte er seine Landungspläne aus der Schublade - allerdings war nun das Osmanische Reich das Ziel des Angriffs. Landungstruppen sollten von Galipoli und Istanbul sowie Serbien nach Wien marschieren. In der Praxis liefen die britischen Schlachtschiffe auf Minen oder wurden von U-Boot-Torpedos versenkt, während die Landungstruppen verbluteten. Im Mai 1915 trennte sich der Regierungschef von Churchill. Trost sollte ihm nun die Front verschaffen. Schließlich erhielt er als Major das Kommando über ein Bataillon an der Westfront. Nach wenigen Monaten hielt er in London wieder Reden. Der Schlamm der Schützengräben hatte seinen Reiz verloren. Die Armee gewährte ihm den Abschied unter der Voraussetzung, daß er für die Kriegsdauer auf eine Reaktivierung verzichtete.

1917 holte ihn Premierminister Lloyd George wieder ins Kabinett. Von 1918 bis 1922 war Churchill nacheinander für die Ressorts Krieg, Marine, und Kolonien zuständig. In seine Verantwortlichkeit fiel der blutige Terror der britischen Besatzer in Irland. 1924 kehrte Churchill zu den Torries zurück. Er hatte wieder den richtigen "Riecher" gehabt, denn seine neue / alte Partei stellte bald wieder die Regierung und holte ihn ins Kabinett. Seine Politik als Schatzkanzler führte die britische Wirtschaft an den Rand des Kollaps. Ab 1929 bekleidete er kein Amt mehr, aber er hielt Reden. So sprach er wie 1911 auch ab 1932 wieder von der deutschen "Gefahr". 1936 sagte er vor seiner Fraktion: "400 Jahre lang war es die Außenpolitik Englands, der stärksten, aggressivsten und dominierenden Macht auf den Kontinent entgegenzutreten ... Die Frage ist nicht, ob es Spanien oder die französische Monarchie oder das französische Kaiserreich oder das deutsche Kaiserreich oder das Regime Hitlers ist. Es hat nichts mit den Herrschern oder Nationen zu tun. Es geht nur darum, wer der Stärkste ist."

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kehrte Churchill als Erster Seelord in die Regierung zurück. Alsbald entwickelte er die alten Landungspläne aus dem Ersten Weltkrieg weiter. Norwegen und Dänemark - im Ersten Weltkrieg neutral - sollten für die alliierten Zwecke eingespannt werden. Auf seinen persönlichen Befehl drang Captain Vain mit dem Zerstörer "Cossack" in norwegische Hoheitsgewässer ein, um das deutsche Troßschiff "Altmark" zu kapern. Vain hatte Order, Widerstand - auch norwegischen - rücksichtslos zu brechen. Dieser völkerrechtswidrige Akt kostete sieben Mann der "Altmark"-Besatzung das Leben; erst jetzt begann sich Hitler ernsthaft für Skandinavien zu interessieren. Aber Churchill hatte mit seiner Landung wieder Pech, die Deutschen waren genau einen Tag schneller und hatten Erfolg.

Anders als im Ersten Weltkrieg wurde Churchill nach dieser Pleite aber nicht entlassen, sondern im Gegenteil zum Premierminister befördert. Der Grund: Die deutsche Westoffensive hatte in wenigen Tagen die Front zum Einsturz gebracht, und man meinte einen starken Mann zu brauchen. Frankreich hatte in aussichtsloser Lage die Waffen gestreckt, worauf Churchill mit der Navy die französische Flotte in Dakar zusammenschießen ließ. Rund 2.000 Franzosen fielen dieser heimtückischen Attacke zum Opfer. Zu Hause begann er mit der "Gleichschaltung" der Regierung. Beispielsweise wurde der zu "weiche" bisherige Außenminister Lord Halifax auf den Botschafterposten in Washington abgeschoben. Das von ihm wieder eingerichtete Kriegsministerium führte Churchill selbst. Sein Verschleiß an militärischem Führungspersonal war ungeheuer.

Mittelmeer, Griechenland, Jugoslawien Kreta und Nordafrika - überall Niederlagen. Hätte Hitler Ende 1940 den Kriegsschauplatz Nordafrika ernst genommen - die Briten hätten sich nicht halten können. Churchills Glück war, daß sein deutscher Gegenspieler auch in die militärische Kriegsführung eingriff und dabei ein noch größerer Dilettant war als er selbst. Churchills größter militärischer Erfolg war die Luftschlacht über England. Aber auch hier war er es nicht selber, der den Erfolg sicherstellte, sondern der deutsche Luftwaffenchef Göring verschaffte den Briten mit dem Zielwechsel weg von der Royal Air Force hin auf London die notwendige Atempause. Einige nächtlich Bombenangriffe auf Berlin trieben den tumben Göring zur Weißglut. Bislang hatten die Briten peinlich darauf geachtet, keine zivilen Ziele anzugreifen. Churchill hob diese Direktive auf. Militärisch betrachtet konnte sich Großbritannien einige tausend tote Zivilisten eher leisten als einige hundert abgeschossene Flieger. In diesen Tagen erging auch der Befehl, deutsche Seenotrettungsflugzeuge über der Nordsee anzugreifen. Die Begründung: Gerettete deutsche Flieger würden wieder fliegen und gerettete Briten kämen in Gefangenschaft. Der Abwehrsieg in der Luft verhinderte den Verlust des Krieges, brachte Britannien allerdings nicht vorwärts.

Churchill hoffte und wartete. Zum Jahresende 1940/41 war der sowjetische Außenminister Molotow zu ergebnislosen Verhandlungen in Berlin gewesen. Churchills zweite Karte war Roosevelt. Zwar bestand Einigkeit mit dem US-Präsidenten, nur wollten in den Vereinigten Staaten von Amerika Volk und Parlament nicht so wie der Präsident. Der Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges am 22. Juni 1941 brachte Churchill zwar einen neuen Verbündeten, doch stand Stalins Reich im Dezember 1941 selbst am Abgrund. Im Dezember 1941 war Chruchill jedoch politisch trotzdem am Ziel, denn durch die deutsche Kriegserklärung standen die USA nun auch offen auf seiner Seite, militärisch ging es allerdings vorerst weiter bergab. Bei Tobruk und Singapur gingen zahlreiche britische Soldaten in Gefangenschaft.

Dann kam endlich die Wende - nur hatte Churchill damit wenig zu tun. Verbittert mußte er sehen, daß Roosevelt und Stalin seinen Ideen nicht folgen wollten. Sein südeuropäischer Angriffsplan wurde nicht auf dem Balkan, sondern in Süditalien durchgeführt. Ein amphibisches Unternehmen in der Ägäis im Herbst 1943, mit dem Churchill die Türkei in den Krieg hatte hineinziehen wollen, brachte für über 10.000 britische Soldaten Tod oder Gefangenschaft. Je weniger er bei den militärischen Unternehmungen der Alliierten mitzubestimmen hatte, um so mehr tat sich Churchill mit abartigen Ideen hervor, wie beispielsweise dem Einsatz von Giftgas. Im Juli 1944 fanden entsprechende Versuche statt, ein Einsatz erfolgte jedoch nicht (mehr).

Die von ihm ins Gespräch gebrachte Westverschiebung des polnischen Staates hingegen wurde durchgeführt. Millionen Ostdeutsche wurden massakriert oder vertrieben. Am Dresden-Massaker und anderen Flächenbombardements ohne militärisches Ziel trug er zumindest einen wesentlichen Teil der Schuld.

Am 20. Juli 1944 hatte ihm das Attentat auf Hitler die Gelegenheit gegeben zu zeigen, daß der Sturz der Tyrannei und nicht die Vernichtung Deutschlands sein Kriegsziel sei, aber es blieb bei der alliierten Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation. Die Gründe hatte er in seiner bereits erwähnten Rede aus dem Jahre 1936 benannt, aber die "Balance of Power" des 20. Jahrhunderts hing nicht mehr nur von den fünf europäischen Großmächten der Pentarchie ab. Nicht mehr Deutschland und Frankreich waren die Konkurrenten Englands, sondern Rußland und die USA. Das hatte er zu spät begriffen, wovon seine Worte bei Kriegsende zeugen: "Wir haben die falsche Sau geschlachtet." Churchill wurde zum Liquidator des britischen Empires und bewirkte damit den Abstieg Großbritanniens von der Großmacht zur Mittelmacht.

1945 abgewählt, gelang ihm 1951 die Rückkehr zur Macht. Er träumte immer noch von der "großen Politik". So versuchte er sich nun mit der Idee vom Abbau der Blöcke international wieder ins Gespräch zu bringen. Schließlich überredete ihn sein Nachfolger und langjähriger Außenminister Anthony Eden zum Rücktritt. Das war 1955. Weitere zehn Jahre hielt Churchill Reden, erhielt Preise und malte. Am 24. Januar 1965 verstarb er in London. Hans Lody

 Winston Churchill: Als Mitglied des Hosenbandordens im Kreise seines Sohnes Randolph und seines Enkels Winston Foto: Archiv


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