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29.01.05 / Auf dem Weg ins neue Paradies / Spanien im Wandel: Der Katholizismus verliert an Rückhalt, Multikulti kommt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 4 vom 29. Januar 2005

Auf dem Weg ins neue Paradies
Spanien im Wandel: Der Katholizismus verliert an Rückhalt, Multikulti kommt
von Hans Heckel

Anzeichen für einen dramatischen Wertewandel in der Jugend ihres Landes haben spanische Wissenschaftler entdeckt. Spanien und der Katholizismus - das war einmal nahezu ein und dasselbe. Geprägt vom jahrhundertelangen Kampf gegen die muselmanischen Eindringliche bildete sich eine tiefe Gläubigkeit heraus, die auf Fremde nicht selten geradezu düster und unergründlich wirkte. Doch damit scheint es vorbei zu sein, wie die jüngste Erhebung belegt.

Laut dem "Bericht Jugend in Spanien", den das Spanische Jugendinstitut alle vier Jahre vorlegt, geht die katholische Kirche auf der Halbinsel schweren Prüfungen entgegen: In dem kurzen Zeitraum von 2000 bis 2004 hat sich der Anteil der 15- bis 29jährigen, die angeben, regelmäßig die Messe zu besuchen, von 28 auf 14,2 Prozent praktisch halbiert. Zum Vergleich: 1967 gaben noch 77 Prozent an, regelmäßig in die Kirche zu gehen. Auch als grundsätzlich katholisch bezeichneten sich demnach nur noch 63 Prozent der befragten Altersgruppe, gegenüber 81 Prozent in der Gesamtbevölkerung.

Darin spiegelt sich ein Einstellungswandel, der sich auch in weiteren Antworten niederschlägt. So befürworten 61 Prozent der befragten jungen Menschen das Recht auf "freie und selbstbestimmte" Abtreibung. 40 Prozent sind für die Freigabe "weicher" Drogen.

Die persönliche Emanzipation und Selbstbestimmung spielt eine immer größere Rolle. Das Familiegründen tritt in den Hintergrund. Ergebnis: Die Geburtenrate in dem noch bis in die 80er Jahre vergleichsweise kinderreichen Land liegt heute statistisch betrachtet sogar leicht unter der deutschen. Die demographischen Folgen sind dem Jugendbericht bereits zu entnehmen. Umfaßt die Gruppe der 25- bis 29jährigen Spanier noch 3,5 Millionen Menschen, so bringen es die zehn Jahre jüngeren 15- bis 19jährigen auf nur mehr knapp 2,5 Millionen.

Ein großes Thema auf der iberischen Halbinsel ist die Einwanderung. Indes aus einem Blickwinkel, der aus deutscher Sicht kaum mehr nachvollziehbar ist, wo hierzulande Stichworte wie "gescheiterte Integration", "Ghettobildung" und "Ausländerkriminalität" mittlerweile die Debatte beherrschen und "Multikulti-Träumereien" als Ausweis ideologischer Unbelehrbarkeit gelten. Anders in Spanien, wo massenhafte Einwanderung ein junges Phänomen ist und die hierzulande zu verdauenden Spätfolgen (noch?) kaum spürbar sind: Nicht nur linksliberale Blätter wie El País, auch das Flaggschiff der konservativen Tagespresse, El Mundo, jubelt, daß Spanien heute das größte Einwanderungsland der EU sei. Darin schwingt der Stolz eines Volkes mit, dessen Söhne und Väter noch in der 60er Jahren nach Deutschland und anderswohin aufbrechen mußten, um die Familie daheim durchzubringen, und dessen Töchter sich im benachbarten Frankreich als Putzfrauen verdingten. Da schmeichelt es, nunmehr selbst das Ziel der Träume ferner Völker zu sein. So hat sich die Zahl regulärer Einwanderer mit 450.000 im Jahre 2004 gegenüber 1997 glatt verdreifacht. Allein fast 30 Prozent davon sind indes Ecuadorianer und Kolumbianer. Spanischsprechende Immigranten also, deren Integration relativ problemlos zu stemmen ist. 17 Prozent kommen allerdings vom muslimischen Nachbarn Marokko, was Schwierigkeiten mit sich bringt, die aus der deutschen Diskussion nur zu bekannt sind. Aus manchen Schulen der Hauptstadt Madrid dringen bereits Berichte an die Öffentlichkeit, die mit ihren Schilderungen von mangelnden Sprachkenntnissen und anderen Integrationsproblemen vornehmlich muslimischer Einwandererkinder genauso gut aus Berlin oder Frankfurt am Main stammen könnten.

Während die Medien noch in Feierstimmung sind und die sozialistische Regierung von Ministerpräsident José Luís Rodríguez Zapatero gerade erst Hunderttausende illegale Einwanderer nachträglich legalisiert hat, greift unter der Jugend daher offenbar Katerstimmung um sich. Mit 45 zu 42 Prozent befürwortet eine knappe Mehrheit der 15- bis 29jährigen Spanier eine Begrenzung der - von Politik und Medien ausdrücklich begrüßten - Einwanderung.

Es kam sogar schon zu offenen ethnischen Spannungen: Unlängst erst griffen aufgebrachte Spanier das Hüttendorf afrikanischer Erntearbeiter im Süden des Landes an, weil einer der Arbeiter eine spanische Frau vergewaltigt haben soll.

Nicht immer reibungslos verläuft überdies das Zusammenleben mit den seit Jahrhunderten in Spanien ansäßigen Zigeunern, den "Gitanos". Vergangenes Wochenende überfielen und verwüsteten die Bewohner des 5.000-Einwohnerortes Cortegana in Westandalusien nahe der portugiesischen Grenze eine benachbarte Zigeunersiedlung, schmissen Scheiben ein und zerstörten Autos. Die Gitanos mußten sich in ihren Häusern verbarrikadieren. Die Aufgebrachten verdächtigen die Zigeuner, einen geistig zurückgebliebenen Bewohner von Cortegana getötet zu haben. Bereits 1999 und 2001 waren dort zwei Frauen im Alter von 35 und 70 Jahren ermordet worden. Die überführten Täter: Zwillingsbrüder aus einer Gitano-Familie. Sie sollen die Frauen umgebracht haben, weil diese ihnen Diebstahl vorgeworfen hatten.

Die Gitanos stoßen auch bei den jungen Spaniern laut der Untersuchung auf mehr Ablehnung als jede andere Minderheit. Die Wissenschaftler des Jugendberichts stellten den 15- bis 29jährigen die sibyllinische Frage, ob es für sie "wichtig wäre", wenn ein Zigeuner neben ihnen wohnte. Das beantworteten 17,7 Prozent mit ja, wobei laut Bericht das Mißtrauen unter den ganz Jungen besonders stark verbreitet ist. Nur verurteilte Straftäter lösen noch mehr Argwohn aus, nämlich bei 28,5 Prozent. An dritter Stelle der weniger erwünschten Nachbarn rangieren hinter den Gitanos Ex-Drogenabhängige (16,5 Prozent), an vierter Aidskranke (12) und an fünfter Moslems (11,3).

Stolz auf Neuankömmlinge: Auch "illegale" Zuwanderer heißt Spanien willkommen und "legalisiert" sie im nachhinein - noch? Doch in der Bevölkerung regt sich Widerstand. Foto: pa


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