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29.01.05 / Vom Leben in künstlichen Welten / Wenn Fischstäbchen ins Museum kommen - Darmstadt zeigt Ausstellung zum Thema Design

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 4 vom 29. Januar 2005

Vom Leben in künstlichen Welten
Wenn Fischstäbchen ins Museum kommen - Darmstadt zeigt Ausstellung zum Thema Design

Es beginnt schon am frühen Morgen: der Wecker klingelt, das Radio wird eingeschaltet, um wach zu bleiben. Wecker und Radio, zwei Geräte, die heute weitaus mehr als Gebrauchsgegenstände sind. Sie müssen "schön" gestaltet sein, müssen eventuell besonders ins Auge fallen, "schick" sein, kurz sie müssen von einem Designer entworfen sein. Im Badezimmer geht's dann weiter: die Zahnbürste, der Fön, der Rasierapparat - auch sie begehrte Designobjekte. Man könnte die Reihe mühelos weiterführen, denn kaum ein Gegenstand im Haushalt, im Büro, überhaupt im alltäglichen Leben, der nicht irgendwann einmal von einem Formgestalter entworfen wurde. Nicht immer sind Gegenstände entstanden, die einen zweiten Blick wert sind. Nicht immer haben berühmte Designer wie Gucci, Louis Vuitton oder Luigi Colani Hand angelegt. Unser Leben aber ist bestimmt vom Design, wir können ihm gar nicht aus dem Weg gehen.

Doch halt: Was bedeutet eigentlich Design? Der Ursprung des Wortes geht zurück auf das lateinische Wort "signum" (Merkmal, Kennzeichen, Abzeichen, Zeichen). Das Verb "signare" bedeutet "mit einem Zeichen versehen, zeichnen, bezeichnen", "designare" meint dann "abgrenzen". Dem englischen Wort "to design" schreibt man gleich drei Bedeutungen zu: "bestimmen", "planen, beabsichtigen, entwerfen, konstruieren" und "planzeichnen". In der Mitte des 20. Jahrhunderts findet das Wort "Design" schließlich Eingang in den deutschen Sprachbereich. So verzeichnet der Duden erst 1966 einen Eintrag mit dem Begriff "Design", der auch im Deutschen zwei Bedeutungen hat: einmal meint man damit die funktions- und materialgerechte Form eines Gegenstandes sowie den Akt dieser Formgebung, zum anderen auch den technischen Entwurf und die Konstruktion eines Gegenstandes. Mittlerweile bezieht man den Begriff allerdings nicht mehr nur auf Dinge, sondern auch auf die äußerliche Erscheinung eines Menschen, den Körper, die Ernährung, die Wahrnehmung. Körperdesign ist schon lange kein Fremdwort mehr, wenn man mit allerlei Fitneßmaßnahmen auf die Form des menschlichen Körpers Einfluß nehmen will. Besonders erschreckend aber ist der Begriff "Gen-Design", der darauf hinweist, man könne durch Genmanipulation den vollkommenen Menschen schaffen.

Wenn man zunächst mit dem Begriff Design einen guten, anspruchsvollen Entwurf meinte, der sich durchaus von der Massenware abhob, so hat die Werbung schon seit einiger Zeit diesen Wertemaßstab verschoben, indem sie meist billige und schlicht gestaltete Produkte kurzerhand zu "Designerbrillen" oder "De-signerhand-

taschen" hochjubelte. Weniger Privilegierte konnten so mithalten, wenn die Promis mit ihren Statussymbolen protzten. Der Gestalter Günter Beltzig hat einmal moniert: "Heute ist der Begriff Design in meinen Augen schon fast ein Schimpfwort geworden, Designer-Klamotten, Designer-Outfit, Designer-Drogen sind lediglich schlechte Schicki-Micki-Produkte. Damals in unserer Designausbildung und Designvorstellung wollten wir die Welt verbessern; durch bessere, gebrauchsgerechtere Produkte die Welt verschönern und zweckmäßiger machen." Vorbei die Zeiten, da das Bauhaus noch für die "Gute Form" sorgte. Alles was eine ausgefallene Form aufweisen kann, wird heute als Design verherrlicht.

Was aus dem Design geworden ist und was es aus den Menschen gemacht hat, das kann man noch bis zum 20. Februar in einer Ausstellung des Instituts Mathildenhöhe Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem Institut für neue technische Form Darmstadt entdecken. Im Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe sind dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr und mittwochs von 10 bis 21 Uhr rund 350 Objekte unter dem Titel "Im Designerpark - Leben in künstlichen Bildern" zu sehen. Allein der Titel erinnert lebhaft an den Science-Fiction-Film "Jurassic Park", und so mag es auch den einen oder anderen gruseln, muß er entdecken, wie sehr Design unser Leben beherrscht, oftmals ohne daß wir es bemerken.

"Designer arbeiten in allen Bereichen der Produktion, des Konsums, der Medien, der Unterhaltungsindustrie daran, die Lebenswelt in einen illustren Park der Illusionen zu verwandeln, in dem die Kühe lila sind und in dem Kinder, wenn sie an einem Apfel schnuppern, sagen ,der riecht nach Shampoo'", so Klaus Wolbert, der mit Kai Buchholz für die Ausstellung verantwortlich zeichnet. Eine Ausstellung, die durchaus auch für Überraschungen gut ist, findet man doch das gute alte Fischstäbchen dort genauso in einer Vitrine wie Meisterwerke der Gestaltungskunst. Fernsehgeräte und Lavalampen, Plastiksandalen und Teelichter, Gummibärchen und die Fünf-Minuten-Terrine geben einen Einblick in die Formenvielfalt unserer Alltagswelt. Ausstellung wie auch Katalog (übrigens ein "Pfundskerl" mit 1130 Seiten und fünf Kilogramm Gewicht, Häusser.media Verlag, 49,90 Euro) sind nach Themen geordnet: Haushalt, Wohnen, Ernährung, Körper, Kommunikation, Freizeit und Arbeit, Konsum. Alles gipfelt schließlich in einem Bild einer gewaltigen Müllhalde. Wolbert betont, daß "überall da, wo permanent Neues erfunden, gestaltet und produziert wird, auch Abfall entsteht und daß es zur Verantwortlichkeit von Designern aller Sparten gehört, diese Perspektive mitzubedenken. Ökologische Verantwortung und Nachhaltigkeit sind heute wichtige Aspekte der Designpraxis."

Silke Osman

Formenvielfalt im Alltag: Süßwaren in unterschiedlichem Design und die Africolaflasche aus den 70er Jahren (oben rechts), die im Zuge einer Retrowelle wiederentdeckt wurde. Fotos (2): Institut Mathildenhöhe


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