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05.02.05 / Viel Ansehen verspielt / "Armenier-Affäre" läßt Platzeck blaß und feige aussehen 

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 5 vom 05. Februar 2005

Viel Ansehen verspielt
"Armenier-Affäre" läßt Platzeck blaß und feige aussehen 
von Annegret Kühnel

Noch ist die Türkei kein EU-Mitglied, doch sie regiert in Deutschland bereits kräftig mit, bis hinein in die Bildungspolitik - und das auf dem kurzen Dienstweg. Bildung ist in Deutschland bekanntlich Ländersache, was Reformen zu einer langwierigen, nervenzerfetzenden Angelegenheit macht.

Doch bringt dieses komplizierte Geflecht zwischen Bund und Ländern nur deutsche Politiker und Staatsrechtler um den Schlaf, nicht die Türkei, denn die weiß ganz genau, was sie will. Und so hatte Brandenburg dem massiven Druck nachgegeben und den türkischen Völkermord an den christlichen Armeniern aus dem Lehrplan gestrichen (siehe PAZ 4/05). Bekanntlich wurden 1915/16 weit über eine Millionen Armenier umgebracht. Es war der erste Genozid des 20. Jahrhunderts. Nur der türkische Staat bestreitet diese Tatsache.

Zu den Einzelheiten: Im Brandenburger Rahmenlehrplan für die 9. und 10. Klasse ist das Themenfeld "Krieg - Technik - Zivilbevölkerung" vorgesehen, das auch den Schwerpunkt "ethnische Entflechtung, Ausrottung und Völkermord" umfaßt. Erläuternd hieß es dazu: "z.B. Genozid an der armenischen Bevölkerung Kleinasiens". Daß gerade in Brandenburg auf Armenien hingewiesen wird, hat einen guten Grund: Aus Potsdam stammt der evangelische Theologe und Pfarrer Johannes Lepsius (1858-1926), der den Massenmord dokumentiert hatte. Vor vier Jahren wurde in der Landeshauptstadt eine Lepsius-Gedenkstätte eingerichtet.

Besonders der damalige Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) - von Haus aus ebenfalls Pfarrer und Theologe - hatte sich dafür eingesetzt. Auch damals hatte die Türkei interveniert. Und Matthias Platzeck (SPD), zu diesem Zeitpunkt noch Potsdamer Oberbürgermeister, erhielt sogar anonyme Morddrohungen. Doch die Politiker ließen sich nicht einschüchtern.

Diesmal ging es ziviler, aber effektiver zu. Der Regierungssprecher in Potsdam bestätigte "diplomatische Gespräche". Der türkische Generalkonsul Aydin Durusay traf sich mit Ministerpräsident Platzeck und dem neuen Bildungsminister Rupprecht (parteilos) zum Essen. Bei dieser Gelegenheit wiederholte Durusay seine briefliche Beschwerde über den Geschichtslehrplan. Anschließend wies der Bildungsminister das Landesinstitut für Schule und Medien an, den Passus über Armenien zu löschen. Die vom Ex-Minister Reiche in Auftrag gegebene Studie über den Genozid wurde ebenfalls gestoppt. Zur Begründung schob Platzeck nach, angesichts vergleichbarer Greueltaten in der Weltgeschichte müsse der Völkermord an den Armeniern nicht gesondert hervorgehoben werden.

Damit begab er sich wieder einmal auf rutschiges Gelände. Soviel vergleichbare Vorgänge gibt es nun wirklich nicht, schon gar nicht solche, die von einem Brandenburger dokumentiert wurden. Er steht in der Genozid-Chronik des 20. Jahrhunderts am Anfang, und überhaupt wird das Allgemeine ja faßbar erst im Konkreten.

Diesmal hat der Abgeordnete Markus Meckel (SPD), der für die Uckermark im Bundestag sitzt und gewöhnlich durch Inkompetenz, Eitelkeit und denunziatorische Gehässigkeit gegenüber den Vertriebenen auffällt, etwas Richtiges gesagt. Er verlangte von der Landesregierung, die Entscheidung zurückzunehmen. Ihr Vorgehen erinnere an alte DDR-Zeiten, "als politische und ideologische Positionen den Geschichtsunterricht bestimmten". Der Schriftsteller Ralph Giordano wies darauf hin, daß sich Hitler zur Rechtfertigung seiner Vernichtungspläne auf den Armenier-Genozid berief, der längst vergessen sei, und der Kolumnist Henryk M. Broder kommentierte im ZDF sarkastisch, dieser Massenmord sei ja auch bloß die Generalprobe für die Judenvernichtung gewesen. Die Proteste haben Wirkung gezeigt, die Streichung wird zurückgenommen, doch soll nun auch der "türkische Standpunkt" dargestellt werden.

Gut denkbar, daß die Landesregierung wegen der EU-Verhandlungen mit der Türkei einen Wink aus Berlin bekommen hat, doch das wird sie nicht zugeben. Ministerpräsident Platzeck verspielt unterdessen in atemberaubender Geschwindigkeit sein Kapital als frischer, geradliniger Politiker und gerät in den Ruf des biegsamen Opportunisten. Bekanntgeworden war der Skandal wenige Tage vor dem 27. Januar, dem Tag zur Auschwitz-Befreiung. Deutschland müsse aus der Geschichte lernen, hieß es da landauf, landab. Zum Auftakt sollten Platzeck und sein Bildungsminister zum Nachsitzen verdonnert werden!

Aus dem brandenburgischen Lehrplan getilgt: Armenische Flüchtlinge auf einem Flüchtlingsschiff vor der syrischen Küste im Oktober 1915. Sie waren dem Millionengenozid entronnen. Foto: ullstein


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