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05.02.05 / Beobachter der Gegenwart und Chronist Preußens / Vor 100 Jahren starb Adolph Menzel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 5 vom 05. Februar 2005

Beobachter der Gegenwart und Chronist Preußens
Vor 100 Jahren starb Adolph Menzel

Nichts war vor seinem Zeichenstift, vor seinem Pinsel sicher. In seinem Mantel befanden sich mehrere Taschen für die verschiedenen Skizzenblöcke sowie die weichen und harten Stifte. Den Augenblick wollte er festhalten, die kleine Geste, die kleine, zunächst unscheinbare Szene. Entstanden sind Meisterwerke, die ihresgleichen suchen. Adolph Menzel - Fachleute nennen in einen genauen Beobachter der Gegenwart und einen Chronisten der Vergangenheit.

Geboren wurde Adolph Menzel am 8. Dezember 1815 in Breslau, wo sein Vater, ursprünglich ein Lehrer, eine lithographische Anstalt betrieb. Adolph war 14 Jahre alt, als er acht Lithographien schuf, die sein Vater als Illustrationen zu Knutzens "Geschichte des preußischen Staates" verwendete. 1830 siedelte die Familie nach Berlin über, wo der junge Künstler sich an alten und neuen Kunstwerken orientieren konnte und immer wieder neue Eindrücke empfing, während der Vater dort nur schwer Fuß fassen konnte. Adolph besorgte ihm Aufträge und unterstützte ihn bis zu seinem Tod 1832. Der junge Mann übernahm daraufhin die Steindruckerei seines Vaters und ernährte die Mutter und seine zwei Geschwister. Nach einem kurzen Besuch der Akademie beschloß er, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich auf eigene Füße zu stellen. 1833/34 erschien sein erster selbständiger Illustrationszyklus zu "Künstlers Erdenwallen" nach Johann Wolfgang von Goethe.

Mit den Illustrationen zu den "Denkwürdigkeiten aus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte" wandte sich Adolph Menzel zum ersten Mal einem seiner späteren Hauptthemen zu. Der Kunsthistoriker Franz Kugler wurde auf den jungen Mann aufmerksam und empfahl ihn als Illustrator für die "Geschichte Friedrichs des Großen". Nicht zuletzt durch die Holzstiche Menzels, die einen volkstümlichen König zeigen, wurde dieses Buch zu einem Volksbuch. Und noch heute wird das Bild des großen Preußenkönigs durch die Darstellungen Menzels geprägt. In den folgenden Jahren entstanden so bekannte Gemälde wie das der Tafelrunde Friedrichs II. oder des Flötenkonzerts in Sanssouci, 1861 dann das Gemälde der "Krönung Wilhelms I. in Königsberg am 18. Oktober 1861".

Menzel hatte erst am 12. Oktober erfahren, daß er sich am 18. Oktober in der Schloßkirche zu Königsberg einzufinden habe, um die Krönungsfeierlichkeiten für die Nachwelt festzuhalten. Das läßt darauf schließen, daß es zuvor eingehende Dis-kussionen über die Berufung des Malers gegeben hatte. Der Auftrag erreichte Menzel in einer Zeit, da er sich gesundheitlich nicht auf der Höhe fühlte. Auch war Kritik laut geworden an seinen Fried-rich-Bildern. An Friedrich Werner, einen befreundeten Maler, der ihn nach Königsberg begleiten sollte, schrieb Menzel: "Soeben komme ich von Min. B. Hollweg, welcher mich holen ließ, um mir die Proposition zu machen das Krönungsbild zu malen. S. Maj: habe befohlen etc: Ich habe nicht nein gesagt, sondern - ... " Über die Entstehung des Bildes berichtete Menzel: "Ich hatte meinen Standort in der Kirche auf der Tribüne der Mitglieder des Herrenhauses gewählt (auf der fünften Stufe vom Altar aus gerechnet). Der meist hochgewachsenen Umstehenden wegen mußte ich während der Stunden des feierlichen Actes auf einem Stuhl stehen, dessen Wackeln meinem hastigen Zeichnen nicht zur Erleichterung diente ..." Vier Jahre später, 1865, war das Werk, das Porträts von 132 Einzelpersonen enthält, schließlich vollendet.

Nicht nur für diese Porträts mußte Menzel zuvor Studien anfertigen, auch für die Komposition selbst schuf er mindestens vier farbige Entwürfe, die vom Monarchen begutachtet wurden. So war Wilhelm I. mit der ersten Skizze vom November 1861 gar nicht einverstanden, zeigte sie ihn "nicht edel und majestätisch genug". Menzel mußte ändern - die fertige Version des Bildes, das heute im Neuen Palais in Potsdam hängt, während die zweite und einzige in Ölfarben ausgeführte Skizze in der Berliner Alten Nationalgalerie zu sehen ist, zeigt den Monarchen mit hocherhobenem Schwert und Szepter. Auch die versammelten Minister wurden hin- und hergerückt, wollte Wilhelm I. doch nicht durch große Vordergrundfiguren in den Hintergrund gestellt werden. "Durch die Gasse, die den Blick auf den König freilegt, sind zwar die Minister auf die Seite gedrängt worden, aber doch immer noch nahsichtig gegeben, vor allem aber dokumentieren sie als Gruppe jetzt deutlicher als zuvor die liberale Tendenz dieses Ministeriums. Als das Bild abgeschlossen wurde, waren die liberalen Mitglieder der Regierung bereits samt und sonders aufgrund eines deutlichen Rechtsrucks entlassen worden - hier treten sie noch auf", erläutert der Kunsthistoriker und Professor für Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin Werner Busch in seinem bei C. H. Beck in der Reihe Wissen Kunst erschienen kompakten Überblick über Leben und Werk Menzels (128 Seiten, 10 Farbtafeln, zahlr. sw Abb., brosch., 7,90 Euro). Nicht nur das erhobene Schwert entspricht nicht dem tatsächlichen Geschehen damals in Königsberg, auch einer der Dargestellten war dort nicht zugegen, sondern als Gesandter in Sankt Petersburg beschäftigt: Otto von Bismarck, der erst ab September 1862 die Geschicke Preußens als Ministerpräsident leiten sollte. Sein Porträt taucht allerdings auf der linken Bildhälfte des Ölgemäldes schemenhaft auf - gewiß auf Wunsch des Königs nachträglich eingebracht.

Menzel, der als Honorar statt der zunächst zugesicherten 12.000 Taler schließlich wegen des hohen Arbeitsaufwandes 16.000 Taler erhielt, schuf das 345 x 445 Zentimeter große Gemälde in einem Atelier im ersten Stock des Berliner Stadtschlosses, da sein eigenes Atelier in der Marienstraße zu klein war. Am 19. März 1862 dann begann er mit den Porträtstudien; die letzten fertigte er 1865 im Jahr der Vollendung des Gemäldes an. Im Kabinett-Raum der Alten Nationalgalerie sind ab 9. Februar Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen und Dokumente zum Thema "Menzel und der Hof" zu sehen. Gezeigt werden vor allem die eindrucksvollen Porträtstudien zum "Krönungsbild" sowie Skizzen und Studien von Hof-festen. Als Beispiel sei das Bildnis des Oberburggrafen Karl Otto Magnus von Brünneck genannt. Zu sehen sind zwei kontrastierende Darstellungen: links der Kopf eines leidenden Greises, rechts die straffe Gestalt eines Würdenträgers. Zwei Beispiele, die von der großen Zeichenkunst Menzels künden. Menzel, der Beobachter, der Mann mit dem Zeichenstift, der alles, was er sah, in seinem Skizzenblock festhielt, als dieser wird er auch in die Kunstgeschichte eingehen.

Adolph Menzel starb am 9. Februar 1905, vor nunmehr 100 Jahren. Er war der einzige Maler, der mit dem höchsten preußischen Orden ausgezeichnet wurde (1898), dem 1701 in Königsberg gestifteten Schwarzen Adlerorden. Lange Jahre wurde er "nur" als Maler der preußischen Geschichte angesehen; erst später erkannte man, daß der große Künstler ein genauer Beobachter, ein Schilderer seiner Zeit war, ein kritischer Zeitgenosse auch, der das bürgerliche Leben ebenso darstellte wie das höfische. Historienbilder gehören gleichermaßen zu seinem Schaffen wie zeitgenössische Schilderungen des Großstadtlebens und der Arbeitswelt. Nicht zuletzt durch diese Werke wurde Menzel zu einem Wegbereiter der Moderne. Silke Osman

Krönung Wilhelms I. in Königsberg am 18. Oktober 1861: Farbiger Entwurf des 1865 vollendeten Ölgemäldes von Adolph Menzel 

Foto: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz

Oberburggraf Karl Otto Magnus von Brünneck: Eine der Studien zum "Krönungsbild"

Beobachter der Gegenwart: Selbstbildnis Menzels 1899


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