29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.05 / Zwölf güldene Dukaten des Königs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 5 vom 05. Februar 2005

Zwölf güldene Dukaten des Königs
von Robert Jung

August der Starke ging einmal ohne Stern und sonstige Zeichen seiner Würde auf der breiten Straße zwischen Dresden und Uebigau lustwandeln. Er hatte sich von der Hofgesellschaft abgewandt und wollte auch keine Lakaien um sich sehen. Er sann über einige wichtige Staatsgeschäfte nach, die nicht ganz nach seinem oft recht despotischen Wesen verliefen.

Unweit von Uebigau traf er auf eine größere Kolonne von Arbeitern, die im Straßenbau beschäftigt waren. Unter ihnen erblickte der König, der sich im Volk gern leutselig gab, einen Mann in den Vierzigern, der nicht eine Minute verschnaufte. Während die anderen immer öfter eine Pause einlegten, hielt er nicht im Schaffen inne.

Der König trat auf den Wackeren zu. "Wer bist du, und wie heißt du?" fragte er beiläufig. "Mein Name ist Velten Karig, ich bin Vater von vier Kindern", erwiderte der Angeredete. "Und was verdienst du?" forschte der König weiter. "Kannst du davon die Deinen ernähren?" - "O doch!" gab Velten Karig zur Antwort. "Von meinem Verdienst sammle ich noch Kapitalien!"

"Was?" Der König verharrte im Schritt. "Du sammelst von deinem kärglichen Wochenlohn noch Kapitalien? Das ist doch unmöglich!"

"Und ob", sagte der Straßenarbeiter. "Die Kapitalien sind meine vier fleißigen Kinder, sie werden ordentlich und ehrlich erzogen, und so werden sie auch zur rechten Zeit Gewinn bringen."

August dem Starken gefiel diese Auslegung. Er dachte, am Hof damit gewisse Leute in Verlegenheit zu bringen. "Du versprichst mir, mit niemandem darüber zu reden", war seine Anweisung. Dann gab er sich zu erkennen. "Jedenfalls entbinde ich dich nicht eher vom Schweigen, bis du mich noch zwölfmal gesehen hast."

Zurückgekehrt an den Hof, wandte sich der König nach der Abendtafel an die Gräfin Isterloe, die als sehr gescheit galt, und ein wandelndes Lexikon war.

"Ich habe da einen Untertanen", eröffnete der König das Gespräch, "der von vier Groschen täglichem Verdienst noch Kapitalien sammelt. Wenn Ihr mir dieses Rätsel lösen könntet, will ich Euch fürstlich belohnen."

Die Gräfin Isterloe sann Tag und Nacht über die Worte des Königs nach. Aber zu einer Lösung kam sie nicht. Selbst einige Rätselschmiede am Hof des Königs versagten. In ihrer Not wandte sich die Gräfin an einen Vertrauten des Königs. Aus seinem Mund hörte sie, daß der Herrscher in den letzten Wochen wiederholt allein in Richtung Uebigau spazierengegangen sei.

Heimlich machte sich die Gräfin dorthin auf den Weg. Und durch weibliche List und Schläue erfuhr sie schließlich von dem Leben und Versprechen des Velten Karig.

Als August der Starke erneut ein Festessen veranstaltete, rief er die Gräfin in seine Nähe. "Nun meine Liebe", sagte er ironisch lächelnd, "jetzt werde ich ja sehen, ob Ihr das Rätsel lösen konntet!" Auf einen Wink der Gräfin hin erschien Velten Karig mit seinen vier Kindern vor der Festtafel. "Des Rätsels Lösung!" rief die Gräfin und klatschte in die Hände. "Diese vier Kinder sind sein Kapital, das er wohl besser hätte kaum anlegen können!"

August der Starke, hocherstaunt über die Tat der Gräfin, rief Karig zu sich. Ein wenig zürnend meinte er, er hätte ihm doch Schweigen über die Sache geboten, jedenfalls bis er, der König, noch zwölfmal vor seinem Antlitz erschienen sei. "Verzeiht, Euer Majestät!" erwiderte der Wackere. "Ich sah tatsächlich meinen König zwölfmal von Antlitz zu Antlitz. Zwölf güldene Dukaten gab mir die Gräfin mit dem Bildnis Eurer Majestät. Es befreite mich von dem gegebenen Schwur ..."

August der Starke legte schmunzelnd noch zwölf weitere Dukaten zu, die Velten Karig lächelnd nahm, ehe er sich mit seiner Kinderschar dankbar vom König verabschiedete.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren