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12.02.05 / Kardinalsünden der Politik rächen sich / Eine Bilanz der ordnungspolitischen Versäumnisse in der Bundesrepublik 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. Februar 2005

Kardinalsünden der Politik rächen sich
Eine Bilanz der ordnungspolitischen Versäumnisse in der Bundesrepublik 
von Ansgar Lange

Fünf Millionen Arbeitslose: Deutschland ist nach Ansicht der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" zum "Sanierungsfall" geworden. In einer in der Welt veröffentlichten Rangliste führt der ZDF-Moderator Peter Hahne die Versäumnisse der Bundesregierungen in den letzten 55 Jahren auf. Das Ergebnis: Keine Regierung - gleich welcher Couleur - hat sich nur mit Ruhm bekleckert. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen den desaströsen Ergebnissen des selbst ernannten "Weltökonoms" Helmut Schmidt und der Leistung von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard.

Unter der sozialliberalen Koalition der Kanzler Brandt und Schmidt (beide SPD) begann der "Aufbruch in den Schuldenstaat". Dabei herrschte 1969 bei Regierungsantritt Vollbeschäftigung. "Am Ende seiner Amtszeit mußte der Sozialdemokrat jedoch die katastrophalste wirtschaftspolitische Bilanz verantworten, die je ein Kanzler vorgelegt hat", so Hahne über H. Schmidt. Die Sozialausgaben verdrei-fachten sich in der rot-gelben Ära. Die Tarifpartner verließen 1974 mit zweistelligen Abschlüssen "den Pfad produktivitätsorientierter Lohnabschlüsse". Die Bundesrepublik entwickelte sich mit neuem Betriebsverfassungsgesetz und der Einführung paritätischer Mitbestimmung zum Gewerkschaftsstaat. Die Kreditaufnahme habe sich unter den SPD-Finanzministern Hans Apel, Hans Matthöfer und Manfred Lahnstein versechsfacht, so Hahne. Rang zwei im Sündenregister nimmt die Regierung Kohl (CDU) nach 1989 ein. Sie führte schlecht in die Einheit: "Mit dem Zusammenwirken einer maßlosen Lohnpolitik und der Eins-zu-Eins-Übertragung der westdeutschen Sozialstandards auf die neuen Länder hat Kohl den ökonomischen Niedergang des Ostens von Beginn an besiegelt." Weitere "Sündenfälle": die Einführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und der gesetzlichen Pflegeversicherung sowie der Eigenheimzulage durch Bauminister Klaus Töpfer (CDU) 1996, die heute den größten Subventionstopf im Bundeshaushalt (zehn Milliarden Euro) darstellt. Folge der verfehlten Politik: "Die Arbeitslosenquote im deutschen Mezzogiorno ist doppelt so hoch wie im Westen."

Doch auch in den 60er Jahren war nicht alles rosig. Während oft von den "68ern" die Rede ist, gerät leicht in Vergessenheit, daß die von der Großen Koalition unter Kurt-Georg Kiesinger (CDU) vorgenommene föderale Neuordnung den Steuerwettbewerb zwischen den Ländern bis heute behindert. So konnte die SPD in den 90ern die Steuerreform der CDU blockieren. Der damalige Finanzminister Franz J. Strauß (CSU) trägt Verantwortung dafür, daß heute drei Viertel des Steueraufkommens im Verbundsystem vereinnahmt werden. Ein Wettbewerb um niedrige Steuern unter den Bundesländern fehlt daher.

Das rot-grüne Projekt unter Kanzler Schröder (SPD) bestand anfangs darin, nicht vieles besser, sondern alles schlechter zu machen. Zaghafte Reformen des Vorgängers wurden rückgängig gemacht: die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Zurück-fahren des Schlechtwettergeldes und der demographische Faktor in der Rentenformel. Peter Hahnes Bilanz: "Die ersten vier Schröder-Jahre waren nicht nur vier verlorene Jahre, sondern legten in vielen Bereichen die Grundlage für neue falsche wirtschaftspolitische Weichenstellungen, die heute nur mühsam korrigiert werden können." Mit den Arbeitsmarktreformen beweist Schröder, daß die Wirklichkeit wenigstens ansatzweise in Berlin erkannt wird. Bis 2006 soll nun aber wieder die "ruhige Hand" regieren.

Bessere Noten erhalten die Kohl-Kabinette bis 1989 sowie die Regierung Adenauer. Kohl versprach eine "geistig-moralische Wende", doch verstand er sie wohl nur in Ansätzen als Rückkehr zu den bewährten ordnungspoltischen Grundsätzen Ludwig Erhards (CDU). Richtig war die Teilprivatisierung von Lufthansa, Post und anderen Staatsbetrieben. Doch zu einer Generalinventur à la Thatcher und Reagan fehlte der Mut. In den USA und Großbritannien können heute die Früchte damaliger harter Reformen geerntet werden. Für finanzpolitische Solidität sorgte Gerhard Stoltenberg (CDU), doch Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle (CSU) trieb die Agrarsubventionen auf neue Höhen. Die "Herz-Jesu-Marxisten" Geißler und Blüm (beide CDU) sind schuld, daß der Wohlfahrtsstaat Fett ansetzte. Die Fehler von Adenauers (CDU) - so die Analyse - machten sich erst Jahrzehnte später bemerkbar. Entschuldigend muß angeführt werden, daß soziale Wohltaten die Deutschen mit der Demokratie versöhnen sollten und die Folgen nicht vorausgesagt werden konnten. 1957 führte Adenauer die dynamische Rente ein, da er glaubte: "Kinder bekommen die Leute immer." Ein fataler Irrtum. Der Kündigungsschutz und der Meisterzwang sind heute ebenfalls umstrittene einstige Errungenschaften der Adenauerära.

Eine bloße Rückschau auf einstige Sünden bringt das Land nicht weiter, so Michael Müller, Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft: "Konkretes Regierungshandeln kann - wenn man realistisch ist - nicht immer ordnungspolitischem Denken aus dem Lehrbuch folgen. Doch wir merken jetzt, daß in Deutschland seit Jahren etwas schief läuft. Wir müssen ja nicht erst nach Amerika schauen. Es reicht, die Erfolge unserer Nachbarn zu studieren".


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