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12.02.05 / "... allzeit treu und redlich dienen" / Ausführliche Dokumentation der Entwicklung des Fahneneides in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. Februar 2005

"... allzeit treu und redlich dienen"
Ausführliche Dokumentation der Entwicklung des Fahneneides in Deutschland

Immer wieder erlebt man es, daß Untersuchungen über Einzelfragen unserer Geschichte ergiebiger sind für das Verständnis der Vergangenheit wie der Gegenwart, als umfassende Gesamtdarstellungen. Das trifft auch auf das Buch von Sven Lange zu über die Geschichte des Fahneneides im deutschen Militär. Ursprünglich als Dissertation von der Universität der Bundeswehr Hamburg angenommen, erschien es als Band 19 der Schriftenreihe des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit e.V.

Lange hat eine außerordentliche Fülle von Material herangezogen und in sorgfältiger Arbeit bewältigt. Weit schlägt er den Bogen von der Bindung des Soldaten durch den Eid an die staatliche und militärische Führung von der germanischen Frühzeit bis zur Bundeswehr. Er kommt übrigens am Rande zu dem Schluß, daß - trotz aller offiziellen Bemühungen, die Bundeswehr von der deutschen Militärtradition abzuschneiden - die heutigen Soldaten wenigstens durch ihren Eid mit der deutschen Militärgeschichte verbunden sind.

Die Eidesformel der Soldaten sagt Grundsätzliches aus über die jeweilige militärische, religiöse und politische Bindung an die Tradition und die Institutionen. Jede politische Umwälzung spiegelt sich im Wechsel der Eidesformel wider. Daß der Eid mehr ist als ein bloßes Versprechen, soll deutlich werden durch die Anrufung Gottes; durch sie wird der Wille ausgesprochen, die Einhaltung des Eides vor Gott verantworten zu wollen.

Seit dem 15. Jahrhundert leistet der Berufssoldat seinen Eid, und zwar stets auf den jeweiligen Souverän. Seit den Befreiungskriegen, als der König von Preußen sein Volk zu den Waffen rief, leisteten die Deutschen als Wehrpflichtige freiwillig ihren Eid auf den König, womit der Schritt vom Untertanen zum mündigen Staatsbürger getan wurde.

Auch in der kaiserlichen Armee des Zweiten Reiches galt der Eid der Soldaten der Person des jeweiligen Landesherrn und keineswegs einheitlich dem Deutschen Kaiser. Als die Landesherren ihre Throne mehr oder weniger freiwillig verließen, gerieten die Soldaten in Eidesnot. In der ungeklärten neuen Lage verpflichteten sich die Soldaten der wenigen intakten Verbände, die die Ordnung im Reich wieder herstellen und kommunistische Aufstandsversuche niederschlagen sollten, durch ein Gelöbnis, wonach sie der "vorläufigen Regierung des Reichskanzlers Ebert Treue geloben, bis durch die Nationalversammlung die neue Reichsverfassung bestimmt wird".

Als sie in Kraft trat, wurde der Schwur auf sie abgelegt. Nachdem 1933 eine Koalitionsregierung der rechten Parteien die Regierung gebildet hatte, wurde eine Eidesformel entwickelt, die besagte, daß der Soldat "bei Gott" einen heiligen Eid schwöre, daß er "seinem Volk und Vaterland allezeit treu und redlich dienen ... will". Nach dem Tode des Reichspräsidenten von Hindenburg ließ Hitler die Soldaten einen Eid schwören, daß sie "dem Führer des Deutschen Reiches, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht unbedingten Gehorsam leisten ..." wollten, wobei man durchaus auf die bis 1918 geltende Tradition verweisen konnte, die Soldaten auf die Person des Souveräns schwören zu lassen. Gegen diese Eidesformel hatte weder die katholische, noch die evangelische Kirche etwas einzuwenden, wie Sven Lange nachweist.

Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg stellten beide deutschen Teilstaaten Streitkräfte auf. In der DDR hatte der Fahneneid die Aufgabe, "den Klassenkampfcharakter der Streitkräfte" auszudrücken. Alle bewaffneten Kräfte, ob NVA oder Kampfgruppen der Arbeiterklasse, wurden stets auf die Partei, also die SED, eingeschworen und schworen außerdem, "an der Seite der Sowjetarmee ... den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen" und das "Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen."

In der Bundesrepublik gab es eine lang anhaltende Diskussion über die Vereidigung der neuen auf Geheiß der USA gebildeten Truppen. Zunächst bestand die Absicht, die Bundeswehrsoldaten nicht zu vereidigen, sondern lediglich eine Verpflichtung eingehen zu lassen. Den Streit beendete Adenauer, wie Lange nachweist, mit dem Hinweis, daß die USA "den bedingungslosen, seinen Vorgesetzten gehorchenden, ‚eidgetreuen' ..., jederzeit zuverlässigen, harten Soldaten erwarteten, der ohne innere Skrupel seine Pflicht und Schuldigkeit auf Seiten des Westens tun würde". So geschieht es auch heute noch.

Wie problematisch der Fahneneid inzwischen geworden ist angesichts der Umwandlung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee in eine international einzusetzende Interventionsarmee, ist an anderer Stelle dieser Zeitung abgehandelt worden.

Ausführlich schildert Lange die Entstehung und den Sinn der Zeremonien um die Vereidigung, die Stellung der Kirchen zum jeweiligen Fahneneid als Rechtsinstitution. Allein schon die Sammlung der Eidestexte von Karl dem Kahlen 845 bis zur heutigen Bundeswehr läßt dieses Buch zu einer hervorragenden Dokumentation werden, die weit über die gelehrte Materialsammlung hinausreicht und jedem zu empfehlen ist, der sich mehr als oberflächlich mit den Grundlagen des deutschen Soldatentums befaßt. H.-J. von Leesen

Sven Lange: "Der Fahneneid - die Geschichte der Schwurverpflichtung im deutschen Militär", Edition Temmen, Bremen 2003, geb., 496 Seiten, 15,90 Euro


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