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12.02.05 / Wie Ungarns Hauptstadt in Feindeshand fiel / Vor 60 Jahren mußten Deutsche und Magyaren Budapest der Roten Armee überlassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. Februar 2005

Wie Ungarns Hauptstadt in Feindeshand fiel
Vor 60 Jahren mußten Deutsche und Magyaren Budapest der Roten Armee überlassen
von Heinz Magenheimer

Als die Schlacht in den Ardennen am 8. Januar 1945 abgebrochen wurde, stand fest, daß es nicht gelungen war, die letzte, wenn auch geringe Chance einer Kriegswende im Westen zu nutzen. Auch gingen die Luftangriffe gegen deutsche Städte unvermindert weiter, nachdem der letzte Großangriff mit über 1.000 Kampfflugzeugen gegen feindliche Flugplätze am Neujahrstag 1945 nur ein enttäuschendes Ergebnis erzielt hatte. Die Luftangriffe bewirkten auch erhebliche Verzögerungen bei der Verlegung von Truppen, da viele Verkehrsknotenpunkte lahmgelegt oder beschädigt wurden.

Wo sollte das Oberkommando der Wehrmacht die letzten Reserven, die im Westen frei gemacht wurden, einsetzen? In Ungarn brauchte man dringend Verstärkung, denn das eingeschlossene Budapest verteidigte sich seit dem 24. Dezember 1944 und wartete auf Entsatz. Die Deutschen unternahmen seit dem 1. Januar heftige Angriffe von Westen her, wofür man gegen den Willen von Generaloberst Guderian, der die Geschäfte des Generalstabschefs führte, ein starkes SS-Panzerkorps aus Ostpreußen abgezogen hatte. Guderian hatte von Hitler und Jodl seit den Weihnachtstagen 1944 mehrmals den Abbruch der Ardennenoffensive gefordert und verlangt, alle greifbaren Truppen an die Ostfront zu werfen. Die sowjetische Großoffensive stand bevor, und der Osten brauchte dringend Verstärkung. Doch Hitler glaubte nicht an die Ergebnisse der Feindaufklärung und gab nur zwei Divisionen frei.

Das Kräfteverhältnis hatte sich im Osten Anfang 1945 gegenüber dem Herbst zuungunsten der Wehrmacht weiter verschlechtert. Die Rote Armee konnte 6,7 Millionen Mann mit über 12.000 Panzern und Sturmgeschützen sowie 14.700 Kampfflugzeuge aufbieten, wogegen an der Ostfront nur rund 1,8 Millionen Deutsche unter vier Heeresgruppen mit 145 Divisionen beziehungsweise Brigaden standen. Im Abschnitt zwischen Warschau und Kaschau entfiel auf jede Division ein Abschnitt von durchschnittlich 24 Kilometer, so daß die Front nur dünn besetzt werden konnte. Es ist daher verständlich, wenn Guderian und andere kaum Hoffnung auf eine erfolgreiche Verteidigung hegten.

An Reserven der höheren Führung verfügte die Heeresgruppe A an der Weichsel bloß über 5 1/3 Panzer- und Panzergrenadierdivisionen mit 930 Kampfwagen, während ihr nördlicher Nachbar, der Ostpreussen deckte, auf Grund der Abgaben nach Ungarn gar nur 4 2/3 Panzerdivisionen in Reserve hatte. Dazu kam, daß in Kurland 32 Divisionen standen, die von der Hauptfront abgeschnitten waren.

In dieser Lage begann in den frühen Morgenstunden des 12. Januar der gründlich vorbereitete sowjetische Großangriff am Weichsel-Brückenkopf Baranow, wo auf engem Raum vier Armeen und zwei Panzerarmeen, begünstigt durch Nebel, zum Durchbruch antraten. Obwohl für diesen Fall ein rechtzeitiges Absetzen der Fronttruppe in die sogenannte "Großkampfstellung" vorgesehen war, um dem Vorbereitungsfeuer zu entgehen, konnte sich die Führung der Heeresgruppe dazu nicht entschließen; sie hatte nämlich für den 12. Januar auf Grund des schlechten Flugwetters keinen Angriff erwartet. So wurde die Front unter einem überwältigenden Artillerie- und Panzereinsatz an zahlreichen Stellen aufgerissen; örtliche Reserven wurden zerschlagen; die wenigen Gegenangriffe brachen zusammen; nach wenigen Tagen waren die sowjetischen Panzerspitzen weit vorgestoßen und überrollten unbesetzte Stellungen im deutschen Hinterland. Beim Angriff aus dem Weichsel-Brückenkopf Warka konnten zwar die Verteidiger am 14. Januar den ersten Angriff auffangen, doch der Einsatz von zwei Panzerarmeen erzwang tags darauf den Durchbruch. Zwischen den Angriffskeilen wurden zwei deutsche Armeen zum Großteil aufgerieben, einige Verbände konnten sich als "wandernde Kessel" in harten Kämpfen durchschlagen.

Während nun die Marschälle Schukov und Konjev ihre Armeen durch Polen in Richtung Schlesien, Westpreußen und auf die Oder vorantrieben, um möglichst rasch auf Berlin vorzustoßen, griff Marschall Rokossovskij ab dem 13. Januar aus den Narew-Brückenköpfen Ostpreußen an, stieß aber auf hartnäckigen Widerstand. Erst nach schweren Kämpfen konnte er am vierten Tag den Durchbruch erzielen und ließ seine Armeen nach Nordwesten an die untere Weichsel vorstoßen. Am 24. Januar standen seine Verbände schon jenseits des Flusses und stießen auf Bromberg, Schwetz und Graudenz vor. Am 25. Januar gewann die Spitze der 5. Garde-Panzerarmee die Küste des Frischen Haffs nördlich von Elbing und schnitt somit die Heeresgruppe Mitte unter Generaloberst Reinhardt von der Landverbindung nach Westen ab.

Reinhardt hatte diese Gefahr frühzeitig erkannt, konnte aber erst am 21. Januar von Hitler die Genehmigung zum Teilrückzug seiner Truppen ostwärts der Seenkette von Lötzen erreichen. Die freiwerdenden Kräfte traten unter dem Kommando von General Hoßbach zum Angriff in Richtung Westen an, um die Umklammerung Ostpreußens zu durchbrechen. Es bestand die Absicht, den Landweg zu öffnen, über die Weichsel vorzudringen und dabei alle marschfähigen Flüchtlinge mitzuführen. Da die sowjetischen Angriffe von Osten auf Königsberg bisher abgeschlagen wurden, hegte man die Hoffnung, ganz Ostpreußen geordnet zu räumen. Als Hitler vom Angriff Hoßbachs erfuhr, löste er die maßgeblichen Generäle ab und befahl die bedingungslose Verteidigung des Landes. Dieser Entschluß widersprach zwar militärischen Grundsätzen, da er drei Armeen in aussichtsloser Position "festnagelte". Er diente jedoch der Rettung der schwer bedrängten Zivilbevölkerung, die unter dem Schutz der Wehrmacht auf dem Land- oder Seeweg flüchten konnten. Die Strapazen der Flucht erschienen eher erträglich als das Schicksal, lebend in die Hände der Russen zu fallen.

Während die oberste Führung versuchte, mittels noch intakter Verbände und herangeschaffter Reserven die zertrümmerte Ostfront zu stabilisieren, trat der Kampf um Budapest in seine kritische Phase. Nachdem am 1. Januar das IV. SS-Panzerkorps von Komorn aus nach Osten vorgestoßen und im "Schildgebirge" bis auf 30 Kilometer an Budapest herangekommen war, bereiteten sich die Belagerer auf einen Ausbruchsversuch vor. Ein zweiter Angriffsversuch kam am 12. Januar bis auf 17 Kilometer an Budapest heran, was den Eingeschlossenen gute Chancen zum Ausbruch bot. Doch Hitler wollte nicht den Ausbruch, sondern den Entsatz der Stadt und die Vorverlegung der Front wieder an die Donau. Da er an keinen weiteren Erfolg glaubte, ließ er den Angriff abbrechen und eine Umgruppierung durchführen. Auf sowjetischer Seite wollte Marschall Malinovskij einen Ausbruch sogar begünstigen, da er unter Druck stand und unbedingt einen raschen Fall Budapests brauchte.

Inzwischen mußten die Verteidiger weiterhin ausharren. Die ungarischen Verbände hatten zwar eine Verpflegungsstärke von 38.000 Mann, brachten jedoch nur 13.000 Mann an infanteristischer Gefechtsstärke auf, da ein Großteil von ihnen über keine schwere Waffen verfügte und nicht für den Infanteriekampf ausgebildet war. An Sturmgeschützen waren nur 38 vorhanden. Manche Verbände nahmen überhaupt nicht am Kampf teil. Deutscherseits kämpften unter dem Befehl des Generals Pfeffer-Wildenbruch die geschwächte 13. Panzerdivision, Teile der Division "Feldherrnhalle", zweier SS-Kavalleriedivisionen, einer Volksgrenadierdivision sowie einige sonstige Formationen. In vielen Verbänden dienten Zwangsrekrutierte mit geringer Kampfmoral. Die Gefechtsstärke der Verteidiger sank von 35.000 Mann auf zuletzt 11.000. Die schlecht bevorratete Stadt mußte auf dem Luftweg versorgt werden.

Die Russen drängten zunächst die Verteidiger auf dem Westufer der Donau zusammen und griffen dann die anderen Stadtteile an, bis nur mehr der Bereich um die Königsburg von den Verteidigern gehalten wurde. Die Belagerer erhielten Unterstützung durch ein Fliegerkorps und 15 Artilleriebrigaden. In dieser Phase stießen die Deutschen ab dem 18. Januar ein drittes Mal auf Budapest vor, und zwar zwischen Stuhlweißenburg und dem Nordufer des Plattensees. Die Russen wurden vom Angriff überrascht und mußten an manchen Stellen hinter die Donau zurückweichen. Am 26. Januar standen die deutschen Spitzen nur mehr 25 Kilometer südwestlich von Budapest, doch Gegenangriffe machten alle Hoffnungen auf einen Entsatz zunichte.

Während Guderian in Anbetracht der aufgerissenen Ostfront die im Westen frei gewordene 6. (SS-)Panzerarmee in den Raum ostwärts von Berlin über die Oder führen wollte, um den Gegner zurückzuwerfen, bestand Hitler auf der Verlegung der Armee an die Front vor Budapest. Doch sie kam zu spät. Am 12. Februar unternahm die Besatzung gemeinsam mit zahllosen Zivilisten unter Zurücklassung der Schwerverletzten einen verzweifelten Ausbruchsversuch, der unter entsetzlichen Verlusten scheiterte. Nur etwa 700 Mann erreichten die deutschen Linien. Tags darauf befand sich ganz Budapest in sowjetischer Hand, wo Plünderung, Vergewaltigung, Verschleppung und Mord herrschten. Die lange Verteidigung der Stadt durchkreuzte zwar die Planung des sowjetischen Oberkommandos, die auf rasche Eroberung Wiens und Süddeutschlands abzielte, wurde aber mit furchtbaren Opfern erkauft.

Rotarmisten im Kampf um Budapest: Gegen sie waren die Ungarn und ihre deutschen Verbündeten machtlos. Foto: Corbis


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