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19.02.05 / Eine wirkliche Reform der Einkommensteuer / Das revolutionäre Konzept des Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlers Dr. Joachim Mitschke 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. Februar 2005

Eine wirkliche Reform der Einkommensteuer
Das revolutionäre Konzept des Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlers Dr. Joachim Mitschke 
von Klaus Peter Krause

Die große Kunst besteht darin, die Steuern zu erheben, ohne die Staatsbürger zu bedrücken." Friedrich der Große hat das gesagt. Wohl wahr. Es sollte noch heute gelten. Oder anders formuliert: Schafschur und Besteuerung haben eines gemeinsam: Sobald die Haut erreicht ist, sollte man lieber aufhören.

Aber der deutsche Gesetzgeber der zurückliegenden 50, 60 Jahre hat sich bei der Einkommensbesteuerung nicht sonderlich daran gehalten - weder bei der Belastungshöhe dieser Steuer, noch bei der Art und Weise, wie er diese Steuer erhebt. Beides nämlich geht längst und ganz schön unter die Haut - und zwar nicht nur den Bürgern, die sich mit dem Regelungsdschungel, den Steuerformularen und den Finanzbehörden herumschlagen müssen, nicht nur dem Bund der Steuerzahler, nicht nur den Steuerberatern und ihren Verbänden, sondern auch den Finanzbeamten und ihren Ämtern selbst, den Finanzgerichten, dem Bundesfinanzhof und schon lange den Ökonomen und Steuerrechtswissenschaftlern.

Ein Wunschtraum vieler Wissenschaftler ist, daß Steuern neutral sein sollen. Neutral wäre eine Steuer - oder besser noch: das ganze Steuersystem - dann, wenn die Bürger ihre wirtschaftlichen Entscheidungen unabhängig davon träfen, ob es die Steuer (oder das betreffende Steuersystem) gibt oder nicht. Heute dagegen entscheiden sie ganz anders, weil die unterschiedlichen Wirkungen der Steuern sie dazu veranlassen. Sie versuchen, den Steuern auszuweichen und geben ihr Geld so aus oder legen es so an, daß sich die Steuerbelastung verringert oder daß sie ganz entfällt. Sie lenken ihr Geld also nicht oder nur teilweise dorthin, wo es gesamtwirtschaftlich nützlicher angelegt wäre. Wer kann, entzieht sich der als zu hoch empfundenen Steuerbelastung - durch Steuerhinterziehung oder durch Steuerflucht ins Ausland.

Allerdings setzt eine Besteuerung, die neutral sein soll, voraus, daß der Staat mit seinen Steuern nur fiskalische Zwecke verfolgt, also für seine Aufgaben nur Geld eintreiben will, nicht aber mit den Steuern auch lenken will, also die Bürger zu bestimmten Verhaltensweisen bewegen oder zwingen will. Doch zu einer solchen Enthaltsamkeit ist eine Reihe einflußreicher Interessengruppen, sind die politischen Parteien, ist die politische Führung durchweg nicht bereit. Hinzu kommt, daß die meisten Bürger gar nicht genau wissen, was eine vollkommene Steuer ist, und daß sie daher ebenfalls nicht genau wissen, was sie wirklich wollen sollen oder wollen könnten.

Aber gibt es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit, die politische Klasse für eine Reform der Einkommensteuer zu gewinnen, die auch für sie einen schwer widerstehlichen Reiz hat? Bestehen könnte er darin, daß eine solche Reform Investitionen freisetzt, somit das Wirtschaftswachstum fördert, auf diese Weise Arbeitsplätze sichert und zusätzliche schafft, als Folge davon dem Fiskus und den Sozialversicherungen zu Mehreinnahmen verhilft und auf diese Weise der politischen Klasse das politische Geschäft erleichtert.

Einen fertigen Entwurf für eine Reform, die ebendies leistet, gibt es sogar schon. Es ist der von Professor Dr. Joachim Mitschke. Er beruht auf der Idee der nachgelagerten Besteuerung und der Konsumbesteuerung. Mitschke hat sie als fix und fertigen Gesetzentwurf ausgearbeitet - 2004 auch in einem Buch erschienen. Eine wesentliche Neuerung ist diese: Stellt sich heute die Einkommensteuer auf das jährliche Einkommen ab, wird die neue Steuer auf die Lebenszeit eines jeden Bürgers bezogen: Besteuert wird sein Lebenseinkommen. Allerdings läßt sich das Lebenseinkommens eines Bürgers erst dann feststellen, wenn er gestorben ist. Da der Staat aber laufende Steuereinnahmen braucht, bedient sich das Besteuerungsverfahren der einfachen Tatsache, daß jeder Bürger sein Einkommen im Lauf seines Lebens immer nur für zweierlei ausgeben kann: entweder für den Konsum oder für die Ansammlung von Vermögen.

Daher ist die ebenso einfache Idee, der laufenden Besteuerung nur die konsumtiven Teile des Einkommens zu unterwerfen und das angesammelte Vermögen, also die investiven Teile, erst nach dem Lebensende zu besteuern - aber mit dem gleichen Steuersatz und bewertet zu Marktpreisen. Die Besteuerung der investiven Teile ist also nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Die neue Einkommensteuer setzt sich also aus einer Konsumsteuer und einer Vermögenszuwachssteuer zusammen. Die erste wird zu Lebzeiten erhoben, die zweite nach dem Tod. Der Staat soll investiertes und reinvestiertes Einkommen so lange unbesteuert lassen, bis es verbraucht, verschenkt oder vererbt wird. Zu Lebzeiten eines Steuerpflichtigen muß dieser nur die privat verbrauchten Teile seines Einkommens der Steuer unterwerfen. Der bis dahin nicht besteuerte Rest unterfällt der Steuer erst dann, wenn der Steuerpflichtige verblichen ist. Wie bisher jedoch ist das Einkommen durch Addition der Einnahmen aus den verschiedenen Einkunftsarten zu ermitteln, weil sich der Konsum nicht unmittelbar erfassen läßt. Von diesem Einkommen wird (außer den sogenannten Werbungskosten) derjenige Betrag abgezogen, den der Bürger für seine Vermögensbildung ausgegeben hat. Der verbleibende Rest gilt als Konsum, und nur er wird besteuert. Dabei können Löhne und Gehälter - wie bisher - zunächst der Lohnsteuer und Kapitalerträge zunächst der Zinsabschlagsteuer unterliegen.

Der Kerngedanke des Konzepts: Wachstum und Wohlstand in einem Staat entstehen im wesentlichen durch die Unternehmen. Sie sind es, die die benötigten produktiven Arbeitsplätze schaffen. Sie sind die unmittelbare und mittelbare Quelle, aus der ein Steueraufkommen sprudelt. Daher liegt es im allgemeinen öffentlichen Interesse, die Unternehmenserträge so lange von Steuern freizuhalten, wie sie dazu dienen, diese Aufgaben zu erfüllen. Daher zielt die Mitschke-Reform im Schwerpunkt darauf ab, das Wirtschaftswachstum zu steigern und das dazu benötigte Eigenkapital zu stärken. Dessen Bildung darf der Staat nicht zur Unzeit behindern. Denn ausreichendes Kapital in den Unternehmen bedeutet: Arbeitsplätze bleiben erhalten, neue entstehen, Lehrlinge werden ausgebildet, Innovationen sind leichter finanzierbar, schwierige Zeiten leichter zu überstehen, die Insolvenzanfälligkeit nimmt ab, die Unternehmen können wieder wachsen.

Für den Fiskus sollten seine eigenen Vorteile bei dieser Steuerreform auf der Hand liegen, denn die Reform führt über die Steuerstundung zu einem kräftigen Wirtschaftswachstum und parallel dazu zu einer Erholung des Arbeitsmarkts. Dies wiederum führt zu steigenden Lohnsteuereinnahmen und zu sinkender Nachfrage nach steuerfinanzierten Sozialtransfers.

Die Vorteile sind vor allem diese: Wirtschaftswachstum und Schaffen zusätzlicher Arbeitsplätze werden steuerlich nicht mehr behindert, führen zu mehr Einkommen und damit für den Fiskus tendenziell sogar zu Mehreinnahmen. Für die Haushaltsneutralität genügt ein Besteuerungshöchstsatz von 33 Prozent. Unternehmen benötigen nur noch eine Handelsbilanz; das gesamte Bilanzsteuerrecht entfällt. Körperschafts-, Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuer werden überflüssig und ersatzlos gestrichen. Steuerliche Erwägungen spielen bei unternehmerischen Entscheidungen keine Rolle mehr, denn alle Rechtsformen, alle Kapitalanlagen, alle Vorsorgeformen werden steuerlich gleichbehandelt. Der Anreiz zu Steuersparmodellen ist dahin. Alle Bestandteile der sozialstaatlichen Umverteilung lassen sich in diese ganz andere Einkommensbesteuerung integrieren und viel einfacher handhaben.

Mitschke steht mit seinem Reformvorschlag nicht allein. Auch sein namhafter Kollege, der Finanzwissenschaftler Joachim Lang, plädiert dafür, die Besteuerung des Einkommens konsumorientiert auszugestalten und die Zukunftsvorsorge nachgelagert zu besteuern. Da Lang der Expertenkommission "Steuergesetzbuch" der Stiftung Marktwirtschaft vorsteht, ist zu hoffen, daß sich dieses Konzept zunächst dort durchsetzt und sich die Schwierigkeiten, die noch beim grenzüberschreitenden Verkehr und mit Vorgaben der Europäischen Union bestehen, überwinden lassen. Dann könnte der Gesetzgeber zugreifen.


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