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19.02.05 / Kleine Anzeichen für einen Frieden / Palästinenser-Regierung versucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. Februar 2005

Kleine Anzeichen für einen Frieden
Palästinenser-Regierung versucht von oben Stimmung für die "israelischen Nachbarn" zu machen 
von Jürgen Liminski

In Israel hat ein altes Bonmot wieder Konjunktur. Es lautet: "Es gibt keine Alternative zum Frieden, es sei denn den kollektiven Selbstmord. Aber selbst das ist uns mißlungen." In der Tat, die Ratlosigkeit nach vier Jahren Intifada, mehreren heißen Kriegen zuvor und einem kalten Frieden danach mit wenigen Nachbarn ist politisch ebenso lähmend wie der Terror aus den Lagern und Städten der Palästinenser oder die fortgesetzten Vergeltungsangriffe der israelischen Armee. Auch nach dem Tod des von den Europäern so gern hofierten aber doppelzüngigen Altterroristen Arafat war die Hoffnung auf Frieden zunächst verdunkelt vom Pulverdampf der Attentate. Das Fenster der Hoffnung, das sich in den letzten Monaten gerade mal einen Spaltbreit geöffnet hatte, drohte sich nach den Terroranschlägen im Januar wieder zu schließen. Aber es gibt keine Alternative - für keine der beiden Seiten. Seit der Wiederwahl des amerikanischen Präsidenten Bush scheint auch Washington zu einem stärkeren Engagement in diesem Konflikt bereit, was schließlich seinen Ausdruck in dem erneuten Waffenstillstandsabkommen fand. Es wird wieder verhandelt.

Daran wird sich auch nach den Angriffen der Terrororganisation Hamas nichts ändern. Washington ist an einer Regelung interessiert und die neue amerikanische Außenministerin Rice bekundete das auch deutlich mit Worten und einer Reise in die Region. Aber auch im Lager der Palästinenser selbst ist trotz der Angriffe ein Wandel zu beobachten. Die Medien haben ihren Ton und ihre Optik geändert. Bis kurz vor dem Gipfel von Scharm el Sheik sah man auf den palästinensischen Kanälen immer wieder Videoclips, die Terroristen als Helden darstellten, in denen zwölfjährige Jungs gelobten, sich für "die Befreiung Jerusalems" aufzuopfern, in denen Mütter von Selbstmordattentätern ihren Stolz auf die Söhne verkündeten und andere Mütter aufforderten, ihre Kinder zu diesem "Ziel des Martyriums" im Kampf gegen "die zionistischen Besatzer" zu erziehen. Nun aber sieht man nichts mehr dergleichen. Statt dessen sieht man die "debka", den folkloristischen Volkstanz und hört Volkslieder. Und statt zionistische Besatzer heißt es jetzt "israelische Nachbarn" oder statt Besatzungsarmee spricht man von der "israelischen Armee". Dieser Wandel ist mehr als Symbolik. Für die Palästinenser, die ja weder Panzer noch Flugzeuge haben, fand der Kampf gegen Israel vor allem in den Medien mittels Propaganda statt. Auf einmal dient das Fernsehen auch der Information, der Unterhaltung, selbst der Bildung. Die Botschaft, die von diesen Zeichen des Wandels ausgeht, ist einfach: Wir wollen in friedlicher Koexistenz mit den Israelis leben. Das ist mehr als Kriegsmüdigkeit.

Dieser Wille ist auch in den Straßen von Gaza-Stadt und Ramallah und auch am Strand zu beobachten. Die Polizei tut ihren Dienst - vorher patrouillierten fast nur bewaffnete Banden durch die Straßen. Und am Strand zerstörten die Ordnungshüter des Mahmud Abbas mehrere illegale Hütten und Bauten, die dort als Spielcasinos und Restaurants, wahre Räuberhöhlen, den diversen Banden dienten.

Natürlich bleibt viel zu tun. Die - übrigens mit EU-Geldern finanzierten - Schulbücher sind von den Hetzparolen zu befreien und die Banden sind zu entwaffnen. Das dürfte schwierig werden. Aber Abbas kann mit der Hilfe der Ägypter rechnen. Seit Wochen beraten Experten aus Kairo über einen Stufenplan für Sicherheit und Ordnung nach einem Abzug der Israelis. Das dürfte nicht ohne Gewalt abgehen. Die Angriffe der Hamas sind ein Zeichen für den Willen der Terrororganisationen, sich mit dem neuen Kurs von Abbas nicht abzufinden. Vielmehr wollen sie sich als eigene Kraft etablieren und entsprechend ihrer Charta, die sie "Charta Allahs" nennen, den "heiligen Krieg" führen, denn Konferenzen und Verhandlungen seien nur "verlorene Zeit". Ihr Ziel ist die Vertreibung der Juden und die Unterwerfung aller Nicht-Muslime. Die Charta ist nachzulesen im Internet unter www.palestinecenter.org .

Entscheidend für den Fortgang der im Moment unterbrochenen Gespräche zwischen Israel und der Autonomiebehörde sind zwei Fragen: Wie groß ist der Rückhalt der Hamas in der Bevölkerung? Und: Wie lange kann Abbas selbst überleben? Die erste Frage könnte bei den Wahlen zum palästinensischen Parlament in wenigen Monaten eine erste Antwort finden. Die Antwort auf die zweite ist offen. Die palästinensischen Geheimdienste unter Mahmud Dahlan arbeiten mit dem Mossad zusammen und waren jetzt zum ersten Mal alarmiert. Iranische Agenten sollten in Scharm el Sheik einen Anschlag auf Abbas verüben. Solche Informationen lassen sich nur schwer überprüfen oder werden meist erst durch ihre Verwirklichung bestätigt. Sicher jedoch ist, daß iranische Agenten viel Geld ausgeben, um geeignete Selbstmord-Kandidaten zu finden.

Wer auf die lange Reihe von Kriegen und Feldzügen im Heiligen Land zurückblickt, dem fällt es schwer, an eine friedliche Zukunft zu glauben. Aber die Zeichen stehen momentan eher auf Ausgleich denn auf Krieg. David Ben Gurion, der legendäre erste Staatschef Israels, meinte einmal zur Lage der Region: "Nur wer an Wunder glaubt, ist ein Realist." Dieser Realismus ist heute gefragt in Nahost. Und er hat eine kleine Chance.

 Extremer Richtungswechsel: Jahrzehntelang wurde schon den Kleinen eingeimpft, die Israelis zu hassen. Läßt sich dieses Feindbild nun von heute auf morgen aus den Köpfen der Menschen tilgen? Foto: pa


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