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12.03.05 / Verlorene und gerettete Kultur / Wahre Kleinode findet man unter den Kirchen des Samlandes genauso wie deprimierende Ruinen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. März 2005

Verlorene und gerettete Kultur
Wahre Kleinode findet man unter den Kirchen des Samlandes genauso wie deprimierende Ruinen

Im Rahmen der Samländischen Kulturwoche fand auch eine Fahrt zu den Kirchen des Samlandes unter Führung des Archivars Anatolij Bachtin statt. Auf dem Lande waren berühmte Ordenskirchen das Ziel. Die erste Station war die Kirche von Pobethen, ein Feldsteinbau mit Backsteinrahmung aus dem 14. Jahrhundert. Die Nutzung als Wirtschaftsgebäude konnte den Verfall des 1945 noch unbeschädigten Gotteshauses nicht aufhalten, und bereits 1993 war der imposante Bau eine Ruine. Traurig nahmen die Besucher zur Kenntnis, daß die alte Ordenskirche endgültig aufgegeben ist, auch wenn sie von einem Touristen als "romantische Ruine" bezeichnet wurde.

An der Kirchenruine von Rudau - auch dieser Feldsteinbau war nach dem Krieg unversehrt - kann man heute noch erkennen, daß sie einst ein Teil einer Fliehburg war. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Bau zur Kirche umgestaltet und 1818 erneuert. Die Reste des Daches, die auf einem Foto aus dem Jahre 1994 noch zu sehen sind, sind heute auch verschwunden.

Aber man stand auf historischem Boden. Die Burg war, zu Schutz- und Verteidigungszwecken, auf dem höchsten Hügel errichtet. Die Schlacht bei Rudau 1370, in der Henning Schindekopf die Litauer besiegte und fiel, wurde gegenwärtig. "Wer wird es Hermann von Salza sagen, / Daß wir Olgerd und Kynstudt geschlagen?" - Sprach Henning Schindekopf: "Öck sülvst!" So zitierte ein Landsmann aus Agnes Miegels Werk. "Das habe ich noch in der Schule auswendig gelernt!" erklärte er. Daß einst an der Kanzelseite die Rüstung Henning Schindekopfs angebracht war, kann nur noch zur Kenntnis genommen werden.

Dafür weist das östliche Samland inzwischen zwei bemerkenswerte Restaurierungsprojekte auf. Die Katharinenkirche von Arnau, ein Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert (1364) ist, wie auch die Kirche von Heiligenwalde, äußerlich erhalten geblieben, da beide Ordenskirchen von der Sowchose Rodniki genutzt wurden. Der Turm, der 1945 vermutlich beschossen wurde, ist restauriert worden und grüßt mit einer schmiedeeisernen Darstellung der heiligen Katharina über den Pregel. Von den in Europa einmaligen Wandmalereien sind allerdings nur noch schwache Reste zu erkennen, doch die Besonderheiten dieses Ordensbaues (der eingezogene Chor, der durch den Triumphbogen zweigeteilte, gewölbte Innenraum) weisen die alte Wallfahrtskirche als "eines der wichtigsten Baudenkmäler des Ordenslandes" aus, um es mit den Worten Anatolij Bachtin und Gerhard Doliesen aus dem von ihnen herausgegebenen Buch "Vergessene Kultur - Kirchen in Nord-Ostpreußen" zu formulieren. Die Gedenkstätte an der Stelle des Grabes von Theodor von Schön ist gepflegt und sehenswert, ebenso das Pfarrwitwenhaus, in dem ein kleines Museum untergebracht ist.

Ein wahres Kleinod ist die Kirche von Heiligenwalde geworden. Seit vorletztem Jahr kann gezielt an dem einschiffigen verputzten Feldstein- und Backsteinbau von 1344 gearbeitet werden, da die Sowchose die Kirche übergeben hat und sie von einem Gymnasium in Neuhausen übernommen worden ist. Die Chorwand, in die seinerzeit eine Tür eingebrochen wurde, ist restauriert, die einst mit Brettern vernagelten Fenster sind wieder verglast, die alten Eingänge sind mit neuen Türen versehen und der Verputz des Innenraumes ist abgeschlossen. Stolz zeigten der russische Geschäftsführer des "Vereins zur Erhaltung der Kirche", Georg Artemjew, und der russische Baumeister Staruschkin das Erreichte.

Mit der letzten Station der Besichtigungstour, der "Auferstehungskirche" in Königsberg, war man ganz in der Moderne angelangt. Nun hatte die Gruppe einen "hauseigenen Führer" bei sich. Pastor i.R. Alfred Scherlies vom "Verein Rat und Tat Kaliningrad" hat jahrelang Dienst in der evangelischen Gemeinde getan, konnte die Geschichte des Neubaus mit Einzelheiten erläutern, die ein Außenstehender kaum erfährt, und gab zudem einen tiefen Einblick in die sozialen Probleme des Gebiets. Der Verein "Rat und Tat" will Hilfe zur Selbsthilfe geben und einer "Geschenke-Mentalität" gegensteuern.

Für die Teilnehmer ging ein informativer Tag zu Ende. Sie hatten Verfall, aber auch Neuerstandenes im Samland gesehen. Bärbel Beutner

Kirchenruine von Pobethen: Exemplarisch für den Zustand nicht aller, aber vieler deutscher Sakralbauten im Samland Foto: Beutner


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