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19.03.05 / Wo nur der Heroinhandel blüht / Aus Angst vor Islamisten unterstützt der Westen despotische Machthaber in Kirgisien und Tadschikistan 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. März 2005

Wo nur der Heroinhandel blüht
Aus Angst vor Islamisten unterstützt der Westen despotische Machthaber in Kirgisien und Tadschikistan 
von A. Rothacher

Die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 27. Februar klingen seltsam vertraut. Die Wiederwahl der Regierungsparteien in den beiden mittelasiatischen Armenhäusern Kirgisien und Tadschikistan konnte kaum überraschen. In Tadschikistan erhielt die Volkspartei des Präsidenten 80 Prozent der Stimmen. In Kirgisien gewannen die Regierungsparteien 25 von 28 Wahlkreisen. Eine "orangene Revolution" nach dem Muster der Ukraine und Georgiens fand nicht statt. Allerdings hatten die örtlichen Potentaten, die autokratischen Präsidenten Askar Akajew (Kirgisien) und Emomali Rachmonow (Tadschikistan) nichts dem Zufall überlassen. So waren die stärksten Oppositionsparteien gar nicht zu den Wahlen zugelassen worden. Prominente Regimegegner saßen im Gefängnis. Die Versammlungsfreiheit war eingeschränkt, Fernsehen und Radio unter die Kontrolle des Präsidenten gebracht, und die Oppositionspresse mit Verleumdungsklagen und Strafbefehlen mundtot gemacht worden.

Kirgisien genoß lange den Ruf, das relativ liberalste Land unter den zentralasiatischen Despotien zu sein. Es stilisierte sich zur "Schweiz Mittelasiens", nicht nur wegen des hohen Tienschan-Gebirges, seiner Weidewirtschaft, und des malerischen Issik Kul, eines warmen Hochgebirgssees. Askar Akajew, ein in Leningrad ausgebildeter Physikprofessor, gab sich im Gegensatz zu seinen apparatschikgeprägten Präsidentenkollegen als kultivierter und aufgeklärter Herrscher, der von der Notwendigkeit einer Erhardschen Marktwirtschaft, der Einführung der Demokratie und friedlicher Beziehungen zu allen Nachbarn sprach, und den Amerikanern einen Luftwaffenstützpunkt überließ - und dafür für sein verarmtes Land zwei Milliarden US-Dollar an internationalen Hilfsgeldern (160 Millionen Euro allein aus Deutschland) kassierte. 1990 war er vom kirgisischen Obersten Sowjet zum Präsidenten gewählt worden. 1995 wurde er ohne Gegenkandidaten wiedergewählt. 2000 wurden von 14 Kandidaten wegen schlechter kirgisischer Sprachfertigkeiten nur die Hälfte zugelassen. Die Oppositionspresse, die Zeitungen Asaba, Res Publica und Moya Stolitsa, wurden mit Beleidigungsprozessen und empfindlichen Geldstrafen überzogen. Fernseh- und Radiosender waren schon rechtzeitig von Akajews Familie aufgekauft worden. So wurde Akajew trotz gesunkener Popularität, starker Korruptionsvorwürfe gegen seine Umgebung und verheerender Wirtschaftsdaten von 75 Prozent wieder-

gewählt. Nach den Wahlen gab er im Lichte der internationalen Kritik öffentlich "Fehler" zu und versprach, mit der Opposition zusammenzuarbeiten, um die Entwicklungshilfe und den Fremdenverkehr nicht zu gefährden. Dessen ungeachtet ließ er den Abgeordneten Beknazarow 2002 verhaften und die Polizei auf protestierende Demonstranten schießen. Es gab fünf Tote.

Auch die jetzigen Parlamentswahlen gelten eher als Vorlauf für die Präsidentschaftswahlen im Herbst. Eigentlich ist Akajews Präsidentschaft von der Verfassung auf zwei Wahlperioden begrenzt. Die könnte er wie seine Nachbarn ändern lassen, oder ähnlich wie Aserbeidschans Präsident Alijew dynastische Nachfolgeregelungen treffen. Um jede Opposition im Keim zu ersticken, ließ er schon mal das Versammlungsrecht weiter einschränken und sich vom Fernsehen noch mehr bejubeln.

Die Kirgisen haben aber kaum Grund zum Jubeln. Seit der Unabhängigkeit 1991 ging die Wirtschaftsleistung Jahr um Jahr um durchschnittlich 5,4 Prozent zurück. 55 Prozent der Kirgisen leben bereits unter der ohnehin niedrig bemessenen Armutsgrenzen. Der Schuldendienst des Landes macht mit 87 Millionen US-Dollar 44 Prozent des laufenden Staatshaushaltes aus. Keine Frage, Kirgisien ist so gut wie pleite. Dabei meinte es die internationale Gemeinschaft gut mit Kirgisien. Einem Bonmot zufolge ist die kirgisische Armee multinational: Die Uniformen kommen aus Rußland, die Verpflegung aus China, und das Gerät aus den USA. Allen Sponsoren gemeinsam ist die Angst, das zu 75 Prozent sunnitische Kirgisien könnte von der islamistischen Untergrundbewegung des nahen usbekischen Fergana-Tals unter Ausnutzung der örtlichen Armut unterwandert werden. Dabei sind die vier Millionen Kirgisen, im Gegensatz zu den seßhaften Usbeken und Tadschiken, als pragmatisches Hirtenvolk keine fanatischen Muslime.

Das Nachbarland Tadschikistan gilt heute ebenfalls als gescheiterter Staat. Schon die Unabhängigkeit begann mit einem Fehlstart. Im November 1991 wurde in einer manipulierten Wahl der Altkommunist Rachmon Nabijew zum Staatschef gekürt. Er bemühte sich sofort um die Wiederherstellung der absoluten Macht der KP. Antikommunistische Massendemonstrationen einer Koalition von muslimischen, nationalistischen und westlich-demokratischen Regime-

gegnern zwangen Nabijew, ein Drittel der Parlamentssitze der Opposition anzubieten. Im Süden brachen dann Kämpfe zwischen Gegnern und Anhängern Nabijews aus. Am 24. Oktober 1992 eroberten die Kommunisten die Hauptsstadt Duschanbe (1929-1963: Stalinabad) zurück. Doch schon zwei Tage später wurden sie wieder vertrieben. Bis dahin hatte der Bürgerkrieg 18.500 Tote und 300.000 Flüchtlingen die Heimat gekostet. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Im November 1992 wurde dann der KP-nahe ehemalige Kolchoschef Emomali Rachmanow zum Staatsoberhaupt gewählt und es kam abermals zu Kämpfen zwischen Kommunisten und Islamisten. Nachdem etliche Vermittlungsversuche von Moskau, Teheran und der Uno stets am Wortbruch Rachmanows scheiterten, willigte er 1997 unter dem Eindruck militärischer Niederlagen endlich in einen Waffenstillstand ein, blieb auf Druck von Moskau und Washington, die eine islamistische Übernahme Tadschikistans befürchteten, jedoch Regierungschef.

Fünf Jahre Bürgerkrieg hatten 100.000 Menschen das Leben gekostet. Das Land, das zu Sowjetzeiten mit einer Vielzahl von Forschungsakademien zu einer Art Vorzeigeprovinz hergerichtet worden war, war völlig verwüstet. Die Wirtschaft befand sich bis 1997 im freien Fall und stagniert seither. Die Auslandsschulden betragen über 650 Millionen Euro bei einem Bruttoinlandsprodukt von bestenfalls 900 Millionen Euro. Die deutsche Entwicklungshilfe hat vornehmlich die Brücken und Fähren nach Afghanistan wieder repariert, was sicherlich den einzig florierenden Wirtschaftszweig, den Heroinhandel, an dem auch tadschikische Diplomaten beteiligt sind, sehr belebt und erfreut.

Staatschef Rachmonow konzentriert sich derweil weiter auf die Konsolidierung seiner Macht. 1999 ließ er sich von 96,99 Prozent wiederwählen. Bei einem Referendum 2003 ließ er der Einfachheit halber seine Amtszeit bis 2020 verlängern. Der Alptraum einer islamischen Übernahme Tadschikistans machte in Washington aber allein 135 Millionen US-Dollar an Militärhilfe für das Rachmonow-Regime locker und ließ die Kritik an seinen Untaten und politischen Morden verstummen.

 Wissen allein ihre Macht zu festigen: Putin mit den Präsidenten von Kirgisien (r.) und Tadschikistan. Foto: Reuters


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