29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.03.05 / Ein Nachmittag mit Barbara

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. März 2005

Ein Nachmittag mit Barbara
von Willi Wegner

Also - ich bin gerade so schön in Schwung, da klingelt mein Handy. "Hier Barbara! Was machst du jetzt im Augenblick? Hast du Zeit?"

"Ich schreibe eben eine Story", sage ich, "und ich hoffe, falls ich nicht allzu oft gestört werde, mit dieser Kurzgeschichte bis Pfingsten fertig zu werden."

Barbara ist gerade 18 geworden, und ich mag sie sehr, auch ihre Stimme, denn wenn sie spricht, ist es, als fiele Schnee auf Blumen. "Ach, du immer mit deinen Geschichten!" sagt sie. "Bitte, sei so lieb und komme sofort in die Stadt. Ich warte auf dich am Bahnhof. Bitte, komm! Es ist ungeheuer wichtig!"

Natürlich erwidere ich, daß es ganz ausgeschlossen sei, da ich im Augenblick so wunderbar in Schwung wäre, und dann ... fahre ich auf dem schnellsten Weg in die Stadt.

Barbara steht an der Normaluhr, jung, sprühend, mit Perlmuttaugen und Lippen wie Frischobst. "Hier", sagt sie, "das soll für dich sein, das habe ich für dich gekauft, von meinem Taschengeld!" Es sind Zigarillos, ‚Kurier des Zaren', meine Lieblingsmarke.

"Warum?" frage ich. "Das war doch nicht nötig. Zumal ich mir ohnehin das Rauchen abgewöhnen will."

"Du Dummer!" sagt sie lächelnd, "Es ist nur eine kleine Aufmerksamkeit, weil heute Frühlingsanfang ist."

"Und wenn schon, Barbara, ich verstehe das nicht."

"Also, ihr Männer seid doch alle gleich, schwerfällig und begriffsstutzig. Heute ist Frühlingsanfang!" wiederholt sie.

"So", sage ich. "Aha. Na, und?"

Strahlend hakt sie sich bei mir ein, dieses junge, 18jährige Menschenkind, und die Leute bleiben stehen und beneiden mich, wenn sie hinter uns hersehen.

"Und was gibt's so Wichtiges?" frage ich.

"Nichts weiter eigentlich", sagt Barbara.

"So? Und deswegen holst du mich von meiner Kurzgeschichte weg!?"

"Ach, du mit deinen Geschichten! Und diesen vielen Mädchen! Wie heißt das Mädchen in deiner neuen Kurzgeschichte?"

"Ingrid", sage ich.

"Deine Ingrids, Evas, Angelikas und Isabellen hängen mir bald zum Hals heraus!"

"Isabellas!" verbessere ich sie. "Die Mehrzahl von Isabella ist Isabellas, nicht Isabellen."

"Du hast in jeder Story ein anderes Mädchen", sagt Barbara. "Wann hörst du endlich auf, Liebesgeschichten zu schreiben? Ich möchte, daß du nur noch Kriminalgeschichten schreibst. Dann kannst du darin so viele Jims, Jonnys und Bills verwenden, wie du willst!" Aber dann sagt sie: "Na, Schwamm drüber! Du hörst ja doch nicht auf mich."

Ich sehe indessen nur die Leute, die mich um Barbara beneiden, wie sie da an meinem Arm hängt - jung, liebenswert, selbst ein Teil jenes Frühlings, der nun heute in Kraft tritt. Und dann bleibt sie plötzlich vor einem Schaufenster stehen. Es ist das Schaufenster einer Boutique.

"Schau nur", sagt sie, "dieser Nachmittagsturban aus fuchsienrotem Georgette mit dem schwarzpunktierten Schafwollschleier! Findet du nicht ... ich meine, da doch heute Frühlingsanfang ist ...?"

"Eigentlich viel zu exzentrisch", sage ich. "Wo würdest du das Ding denn tragen wollen?"

"Keine Ahnung! Zu Hause, vorm Spiegel, auf Partys. Vielleicht gar nicht." Sie lacht. So ist sie, meine Barbara.

Ich kaufe ihr das teure Schmuck-stück, und ich sehe sogar ein, daß sie entzückend damit aussieht. Es ist schon wichtig, sie soll sich ja freuen, und wir müssen uns beeilen, da die Geschäfte bald schließen. Ich kauf ihr schnell noch einen Pulli und ein Paar Schnür-Slipper aus Rippenleinen.

Als mir Barbara dann beim Verlassen der Boutique einen Kuß gibt, mitten auf den Mund, da stoßen sich einige Passanten in die Seite und kichern. Barbara aber sagt: "Du, Paps - ich habe mir das eben noch einmal überlegt. Die Mehrzahl von Isabella ist doch Isabellen!"

Also - man hat schon seinen Kummer mit den Gören. Aber meine Tochter Barbara, das beweisen ja letzten Endes die sechs Zigarillos, ist trotzdem ein prachtvoller Kerl - und ich gönne ihr den Frühlingsanfang von ganzem Herzen


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren