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26.03.05 / Zum Nachdenken anregen / Norbert Matern besuchte die Jugendbildungsstätte Essen-Callhorn

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. März 2005

Zum Nachdenken anregen
Norbert Matern besuchte die Jugendbildungsstätte Essen-Callhorn

Nach einem eigenen Namen brauchte der Salesianerbruder Tratz beim Eintritt in seine Kongregation in den 70er Jahren nicht zu suchen: Seine Eltern hatten ihn auf Wirnto, einen Benediktinerabt des 12. Jahrhunderts taufen lassen. Der heutige Wirnto - Sohn einer Schlesierin und eines Königsbergers - aber entschied sich nach der Flucht aus Thüringen 1953 und der Ausbildung als Kunstglaser nicht für die schwarze Kutte der Benediktiner, sondern ohne kirchliches Gewand für die Arbeit mit Jugendlichen. Zunächst aber mußte er bei Rüdesheim als Erzieher geschult werden.

"Mit Don Bosco für die Jugend", so steht es auf einem Stein im Garten der Jugendbildungsstätte Essen / Callhorn im Bereich des Offizialats Vechta. Die Salesianer wirken in 130 Ländern; sie sind inzwischen nach den Jesuiten die weltweit größte katholische Ordensgemeinschaft, genauer gesagt Kongregation.

Der Kleinbus, mit dem Bruder Tratz Gäste vom acht Kilometer entfernten Bahnhof Essen / Oldenburg abholt, ist über und über mit Werbung beklebt. Bruder Wirnto ist Finanzleiter der kleinen Kommunität mit vier Patres und drei Brüdern und muß das Geld hereinholen. Zwei der Patres sind in Hemmelte und Bevern in der Seelsorge tätig, Pater Direktor Paul Thörner und Wirnto kümmern sich um die geistliche und übrige Betreuung ihrer jungen Gäste. Die 50 Betten im Haupthaus Don Bosco und dem 100 Meter entfernten Haus Rinaldi - benannt nach einem Nachfolger Don Boscos - sind fast immer besetzt. "Wir sind dieses Jahr voll ausgebucht."

"Jugendexerzitien, Besinnungstage und Vorbereitungen der Firmgruppen haben", so Pater Direktor, "einen besonderen Stellenwert." - "Die Firmlinge sind in einem besonders schwierigen Alter", wirft Bruder Tratz ein. Im Haus sind aber auch Georgspfadfinder und Kolpingsöhne, Schulklassen und Frauenverbände gern gesehene Gäste. Jedes Jahr zu Ostern finden sich Familien aus dem CVJM ein. Ökumene wird also groß geschrieben. Jugendliche haben rund um die Häuser genug Platz, auch Zelte aufzustellen. Neugierig streichen zwei Haflinger an den Zelten vorbei. Vor allem für Kinder sind sie eine große Freude. Reiten dürfen die Kinder aber nur unter Aufsicht. Auf der großen Freibühne wird gespielt. Wenn die kleine Kapelle nicht alle faßt, wird der Gottesdienst ins Freie verlegt. Ein großes Kreuz und eine hölzerne Muttergottesdarstellung bieten den Rahmen für religiöse Feiern.

Bruder Tratz hat sich aber auch um Jugendliche zu kümmern, die unfreiwillig in die Jugendbildungsstätte kommen. Strafrichter trauen den pädagogisch geschulten Salesianern viel zu. So können anstelle von Knast "Sozialstunden" in Callhorn abgeleistet werden. Straffällig gewordene Jugendliche haben in Garten und Haus zu helfen. Oft weigern sie sich, so daß ihnen der Bewährungshelfer mit Rückkehr ins Gefängnis drohen muß. "Besonders schwer", so Bruder Tratz, "ist es manchmal mit den Mädchen. Von Religiosität ist wenig zu spüren." Missioniert werden darf nicht, aber manchmal stellen die Jugendlichen Fragen. Ab und zu gibt es nach Tagen auch Anrufe, die beweisen, daß die Arbeit bei den Salesianern doch zum Nachdenken geführt hat. "Aber oft", so Bruder Tratz, "kommt das leider nicht vor."

Mit Erwachsenen diskutiert Bruder Wirnto mittwochabends und sonntagmorgens in der Kneipe unten im Haus Rinaldi. Als ihr Wirt aufgeben mußte, griffen die Salesianer zu. Sie garantieren ihren Gästen eine gewaltfreie Zone, "keine Schlägerei, kein Streit".


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