25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.03.05 / Glaubwürdige Zeugen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. März 2005

Glaubwürdige Zeugen
von Klaus Plorin, Pfarrer i. R.

Bei vielen, und oft gerade den entscheidenden Lebensschritten und wichtigen Weichenstellungen für unsere Zukunft helfen uns nüchterne Tatsachen nur wenig oder gar nicht. Wir müssen uns dabei vielmehr auf den Rat und die Aussagen anderer Leute verlassen und auf deren Glaubwürdigkeit vertrauen. Sicher bedeutet das in vielen Fällen ein gewisses Wagnis für uns. Aber wer etwa dem Lebenspartner oder im Beruf dem Geschäftsfreund nicht zu trauen wagt, kann das Glück der Liebe oder den Geschäftserfolg nicht gewinnen. Vielen von uns aus dem Osten waren durch die Kriegsereignisse wichtige Dokumente und Unterlagen verlorengegangen. Zum Nachweis über unsere Familien- und Besitzverhältnisse sowie berufliche Qualifikationen brauchten wir Zeugen, die darüber eidesstattliche Versicherungen abgeben konnten; gut, wenn wir solche noch fanden.

Ähnlich geht es uns in unserem christlichen Glauben. Besonders bei seinem wichtigsten, grundlegenden Ereignis: der Auferstehung, genauer gesagt Auferweckung Jesu Christi von den Toten durch Gott in ein ganz neues, ewiges Leben. Damit auch bei seiner Erhöhung zur entscheidenden Gestalt der Weltgeschichte. Ohne diese göttliche Bestätigung seines Weges, seines Lebens, Wirkens und bedeutungsvollen Sterbens wäre Jesus von Nazareth nur ein in manchem anstößiger und aufregender, letztlich aber doch gescheiterter und sicher bald vergessener jüdischer Wanderprediger und Heilungskünstler gewesen. Erst seine Auferwekkung erwies die Wahrheit seiner Botschaft von der bedingungslosen Gnade und Menschenfreundlichkeit Gottes, die er mit Worten und Taten verkündigt und gelebt und bis in seinen Kreuzestod bezeugt hatte. Sie bestätigte auch die Würde seiner Gestalt und seines besonderen Auftrags von Gott. Das grausame Tötungswerkzeug des Kreuzes wurde so zum Hoffnungszeichen der den Tod überwindenden Liebe Gottes zu allen Menschen, zu unserem Trost im Leben und im Sterben.

Doch diese frohe Botschaft erfahren wir nur in den Schriften der vielen Autoren des Neuen Testaments. Persönlich betroffen und nach je eigenem Verständnis versuchten diese frühen Christen festzuhalten und zu beschreiben, was die ersten Zeugen, denen Jesus Christus als Auferstandener damals begegnet war, schon ihnen verkündet hatten.

Der Apostel Paulus schreibt im 1. Korintherbrief, Kapitel 15, Verse 3 bis 9: "Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Daß Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und daß er begraben worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und daß er gesehen worden ist von Kephas (Simon Petrus), danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe."

Sind nun Paulus und die anderen hier von ihm genannten Zeugen des aus dem Tod auferweckten Jesus Christus für uns glaubwürdig genug, um uns auf sie verlassen zu können? Um ihnen abnehmen zu können, daß sie nicht einer Sinnestäuschung erlegen, sondern wirklich dem in neuer Weise lebendigen Jesus Christus begegnet sind? So daß wir Jesus Christus als unserem "Herrn" vertrauen, ihn als unseren Ratgeber, Tröster und Retter im Leben und Sterben anerkennen können? Damit wir unser Leben also mit festem Vertrauen von Christus und seinem Evangelium her, und nicht von irgend einer Weltanschauung bestimmt, gestalten können?

Ich meine ja! Denn alle diese Christen bezeugten ihre jeweils ganz verschiedenen persönlichen Begegnungen mit dem auferstandenen Christus ja nicht nur mit bloßen Worten; Gesprochenem gegenüber sind wir heute skeptischer als je. Sondern sie taten es viel überzeugender noch durch ihre nun völlig neue Lebensweise. Der Auferstandene wies ihr Leben in eine neue Richtung, die sie jetzt zu gehen und öffentlich zu bekennen wagten, zu der sie plötzlich die innere Kraft besaßen, von der sie auch keine Drohung und Gefahr mehr abhalten konnte.

Aus Simon, genannt Kephas / Petrus (der Fels), dem feigen Verleugner Jesu in der Nacht vor Jesu Kreuzestod, wird nach seiner Begegnung mit dem Auferstandenen der so mutige und bis in seinen Märtyrertod treue Bekenner Jesu Christi. Der strenggläubige Pharisäer und deshalb so scharfe Verfolger der ersten Christen, Saulus von Tarsus, wird durch die Offenbarung des lebendigen Jesus Christus (Galater 1, 12 + 16) zum Apostel Paulus, dem aufopfernden Missionar und Theologen der neuen Lehre des Evangeliums von Jesus Christus. Jakobus, einer der vier leiblichen Brüder Jesu (Markus 6, 3), hielt bis zu dessen Kreuzestod nicht viel von seinem seltsamen Bruder Jesus. Nun wird er eine der "Säulen" der Urgemeinde und nach Petrus später die leitende Autorität in der Kirche Palästinas.

Wer könnte für uns überzeugender sein als diese drei und alle die anderen Frauen und Männer aus der Vielzahl der von Gott auserwählten Zeugen, die mit ihrem Lebensvollzug bewiesen, was sie seit der Begegnung mit dem auferweckten Jesus Christus glauben konnten, ja mußten.

In der Liturgie der Osternacht- und Ostermorgenfeier symbolisiert die anfängliche Dunkelheit des Kirchenraums unsere Angst und Hoffnungslosigkeit. Die Jünger flohen und versteckten sich bei und nach der Kreuzigung Jesu. Aber auch wir mußten und müssen manchmal wieder scheinbare Gottesferne und Gottverlassenheit erleben und erleiden. Damals an der von einer gottlosen Ideologie erzwungenen Kriegs- und Heimatfront, in angstvollen Bombennächten, in Gefangenschaft, auf der oft vergeblichen Flucht, im grausamen massenhaften Sterben durch Hunger, Seuchen und Gewalt um uns herum, in der Ohnmacht völliger Schutz- und Rechtlosigkeit. Oder im heutigen Unrecht an vielen Menschen, in quälender Sinnlosigkeit angesichts bedrohlicher dunkler Zukunftsaussichten. Da ist vielen, auch von uns, der Glaube an einen gerechten und liebenden Gott, zumindest zeitweise, verloren gegangen.

Doch gegen alle diese und andere Finsternisse unseres Lebens erklingt in der Ostermorgenliturgie der tröstlich-mahnende Osterruf: "Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, halleluja!" Und dann leuchtet als erster Hoffnungsfunke die Flamme der Osterkerze auf. Ihr Feuer steckt andere Kerzen an, die weiteres Licht und Wärme verbreiten und neu erweck-tes Vertrauen zu Gott, neu entflammte Freude, Liebe und Hoffnung ausdrücken. Bis endlich außerhalb der Kirche entzündetes Osterfeuer und Osterlieder auch der Öffentlichkeit die frohe Botschaft der Auferweckung Jesu Christi von den Toten verkünden und damit auch unsere neu geweckte Hoffnung auf ein von Gott geschenktes neues Leben.

Und das nicht erst nach unserem Sterben. Sondern Gott weckt durch die Osterbotschaft schon jetzt längst erstorbene oder verkümmerte Kräfte neu in uns auf. Unsere Trauer über den Verlust geliebter Menschen, von Besitz und Heimat, unsere Verbitterung über eigenes und fremdes Versagen, über die Vergeblichkeit unseres Lebens kann verwandelt werden in liebevolle Dankbarkeit über Menschen, Dinge und manches kleine Gelingen, die bei uns und um uns herum geblieben sind. Gott kann und will uns durch die Auferweckung Jesu Christi unsere Augen öffnen für seine viel größeren und umfassenderen Möglichkeiten, Leben zu wecken und zu gestalten.

"Er hat viel tausend Weisen zu retten aus dem Tod", sagt Paul Gerhard (EG 302, 5). Gott gebe uns, daß wir so im Glauben an die Osterbotschaft vertrauens-, liebe- und hoffnungsvoll leben und unserem Sterben nicht als einem katastrophalen Ende, sondern als dem Tor zum rettenden Gott entgegen gehen können! Dann werden wir vielleicht auch für andere Menschen glaubwürdige Zeugen für die Wahrheit des weltbewegenden Wunders der Auferstehung Jesu von den Toten damals und aller Toten am Ende der Zeit. Das wünsche ich Ihnen und uns allen von Herzen an diesem Osterfest im Jahr des Herrn 2005.

Leiden am Kreuz: Meisterhaft dargestellt von Mathias Grünewald auf dem Isenheimer Altar (Ausschnitt) Foto: Archiv


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren