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26.03.05 / Befreiung, Niederlage oder was? / Polens Auseinandersetzungen mit seinem östlichen Nachbarn (Teil VI) 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. März 2005

Befreiung, Niederlage oder was?
Polens Auseinandersetzungen mit seinem östlichen Nachbarn (Teil VI) 
von Gerd Schultze-Rhonhof

Im Osten und im Norden geht der Streit um die Gebiete, die zur Zeit der Polnisch-Litauischen Union dem großlitauischen Teil dieses Reiches angehören. Sie liegen in Litauen, Weißrußland und der Ukraine. Als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die deutschen Heereskräfte aus dem Baltikum und aus Weißrußland zurückgezogen werden, rücken sowjetische Truppen bis nach Litauen im Norden und bis zum Bug in der Ukraine nach. Daraufhin greift Polen im Frühjahr 1919 das durch die Revolution geschwächte Rußland und das inzwischen unabhängige Litauen an. Es erobert Wilna und drängt die russischen Truppen bis weit nach Weißrußland und in die Ukraine zurück.

Im Dezember 1919 mischen sich die Gründungsmächte Polens ein. Der "Höchste Alliierte Rat" der Siegermächte in Versailles bestimmt die Sprach- und Volkstumsgrenze zwischen den Polen im Westen und den Weißrussen und Ukrainern im Osten zur Ostgrenze des neuen Staates Polen. Nach dem Teilungsspruch des Rates verlangen die Sowjets die Übergabe der ihnen zugesprochenen Gebiete. Polen weigert sich, das frisch eroberte "Ostpolen" herauszugeben. Dem folgt ein Aufmarsch russischer Heereskräfte in Richtung Polen. Polen tut ein Gleiches nach Osten und greift Rußland ohne Kriegserklärung an. Die Kämpfe wogen ein halbes Jahr lang hin und her. Die Rote Armee der Russen wird dabei so gut wie aufgerieben. Die Sowjets müssen Frieden schließen und dabei auf das Land jenseits der vom "Höchsten Alliierten Rat" festgelegten Volkstumsgrenze verzichten. Sie verlieren damit fünf Millionen Ukrainer, 1,2 Millionen Weißrussen und etwa eine Million Juden als Bürger ihres Landes. Polen gewinnt mit "Ostpolen" und den über sieben Millionen Fremden auch die etwa eineinhalb Millionen Polen, die dort leben. Dieser Friedensschluß hat ein paar Folgen, die Gründe für den späteren Untergang des neuen Polen sind. Zum ersten behält die 1922 gegründete Sowjetunion einen legitimen Grund für eine spätere Revision zu Lasten Polens. Sie wird sich 1939 genau das Gebiet zurückerobern, das ihr 1919 der "Höchste Alliierte Rat" der Gründungsmächte Polens zugesprochen hatte. 1945 wird sie auch die inzwischen auf zwei Millionen angewachsene polnische Bevölkerung von dort vertreiben. Dafür werden dann 15 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat in Schlesien, West- und Ostpreußen sowie Pommern weichen müssen. Zum zweiten kauft sich Polen große Minderheiten ein, die es in den Folgejahren nicht integrieren kann. Des weiteren hat der Krieg der Polen und der Sowjets Folgen für den zukünftigen Umgang der Völker in Europa. Die Nachkriegsordnungsmächte, vertreten durch den "Höchsten Alliierten Rat", nehmen ohne Konsequenzen hin, daß ein militärisch starker Staat eine von ihnen gezogene Grenze mißachtet. Sie akzeptieren den Angriff eines Staates ohne Kriegserklärung. Sie übergehen das Selbstbestimmungsrecht von ein paar Millionen Menschen in Osteuropa. Sie beugen sich der Macht der Fakten, die ein Land mit seinem Militär geschaffen hat. Das bleibt nicht ohne dauerhaften Eindruck auf die Menschen in den besiegten Ländern, der Sowjetunion und Deutschland, die später gleiches tun. Fortsetzung folgt


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