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09.04.05 / Der Überstaat ist fast perfekt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. April 2005

Gedanken zur Zeit:
Der Überstaat ist fast perfekt
von Wilfried Böhm

Kürzlich haben sich die Spanier in einer Volksabstimmung für eine Empfehlung an ihr Parlament ausgesprochen, die Europäische Verfassung der Europäischen Union (EU) anzunehmen. Bis 2007 soll diese Verfassung von allen EU-Ländern ratifiziert worden sein, um dann in Kraft zu treten. Sie wird zahlreiche geltende Verträge ersetzen, die derzeit den Aufbau und die Arbeitsweise der EU regeln.

Mit dieser "Verfassung" erhält das "System EU" eine weitere staatliche Insignie. Zugleich erreicht die EU damit praktisch eine verfassungsmäßige Garantie ihrer defacto staatsgleichen Organe. Das System wird damit nicht nur im Bewußtsein der Weltöffentlichkeit zu einer Art Überstaat, sondern auch in dem ihrer europäischen Bürger. Marx läßt grüßen: Das Sein bestimmt das Bewußtsein. Dieses System permanenter Macht- und Interessenverflechtung hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Wie es funktioniert, hat der luxemburgische Ministerpräsident Juncker dem Nachrichtenmagazin Spiegel schon im Jahr 1999 dargelegt: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

Die Verfassung ist in diesem System der vorerst letzte Baustein für ein bürokratisches Umverteilungssystem mit ausgeprägtem Vereinheitlichungsanspruch, das sich in Brüssel aus dem ursprünglichen, wirtschaftlich-sozialen Staatenbündnis zur Abwehr der Weltherrschaftspläne des Kommunismus und zur Kontrolle der deutschen Wirtschaft entwickelt hat.

Spanien ist ein Hauptnutznießer dieses Umverteilungssystems, das Milliarden Euro nach Spanien gepumpt hat, die vorzugsweise vom deutschen Steuerzahler aufgebracht werden mußten. Trotzdem beteiligten sich nur 42 Prozent der wahlberechtigten Spanier an dem Referendum, davon stimmten 77 Prozent mit Ja. Es wäre unrealistisch anzunehmen, daß die Masse der spanischen Jasager den Verfassungstext gelesen hat, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatten. Die nächste Volksabstimmung über die EU-Verfassung steht am 29. Mai 2005 in Frankreich an, das es verstanden hat, sich bei der EU Sonderkonditionen für seine Landwirtschaft zu sichern, aber immerhin als Nettozahler in den Büchern der EU geführt wird, allerdings, gemessen an den deutschen Nettozahlungen, nur in sehr bescheidenem Umfang. Derzeit zeigen Umfragen, daß die Zustimmung der Franzosen zu der Verfassung keineswegs sicher ist. Präsident Chirac zeigt sich "beunruhigt". Dadurch aufge- schreckt erwägen die Brüsseler Verfassungswerber Umschichtungen in ihrem mit neun Millionen Euro dotierten Budget, von denen bisher mehr als 1,5 Millionen nach Frankreich gehen sollen.

Über Deutschland, den Hauptnettozahler der EU, braucht sich Brüssel solche Sorgen nicht zu machen. Hier ist das Volk nicht gefragt. Der Bundestag wird am 12. Mai - der Bundesrat etwas später - der Verfassung, beide mit mehr als Zweidrittelmehrheit, sicher zustimmen. Als besondere Kraftanstrengung schickt die Bundesregierung einen "Info-Truck" in Form eines doppelstöckigen Lkw durchs Land, sein Motto: "Europa tut Deutschland gut". In Frankreich hatte Chirac die Volksabstimmung mit den Worten begründet: "Die Franzosen sind direkt betroffen, deshalb werden sie direkt befragt." Für die Deutschen jedoch, als Steuerzahler sehr direkt von der EU betroffen, wird gleiches nicht gelten, wenn es um die verfassungsmäßige Etablierung des Überstaates geht.

Heftige Kritik an der Verfassung kommt derweil aus Prag, wo der tschechische Präsident Klaus in harter Konfrontation zur regierenden Mitte-Links-Koalition des Sozialdemokraten Gross in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen erklärte "Ich habe wirklich Angst um Europa, deshalb bin ich gegen die Ratifizierung der Europäischen Verfassung". Es bestehe die Gefahr, daß sich Europa von Demokratie und Freiheit löse, weil es kein europäisches Volk gebe, sondern nur die Völker der einzelnen Nationalstaaten. Er könne sich eine demokratische Gesellschaft nicht ohne einen Staat vorstellen, der an eine oder mehrere Nationen gebunden sei. Die Demokratie brauche eine solche staatliche Grundlage. Das bedeute nicht, daß er für einen "ethnisch reinen" Nationalstaat sei, dagegen wehre er sich. Die EU hingegen sei eine "postdemokratische Institution". Selbst wenn das europäische Parlament mehr Macht bekäme, werde das am Demokratiedefizit nichts ändern. Es sei "irreparabel". Klaus nannte die Verfassung einen Versuch der "Europäisten", die Vereinheitlichung voranzutreiben. Diese Vereinheitlichung aber, da hat Klaus recht, gefährdet das Europäische an Europa: den demokratischen Nationalstaat und seine Freiheit.


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