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23.04.05 / Äußerst explosive Mischung / Antijapanische Stimmung in China wird immer gefährlicher

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. April 2005

Äußerst explosive Mischung
Antijapanische Stimmung in China wird immer gefährlicher

Die Beziehungen zwischen Japan und seinen Festlandsnachbarn China und Korea waren noch nie besonders gut. Aber selten in der Nachkriegszeit waren sie so schlecht wie jetzt. Es geht um Erdöl, Seegrenzen, geschichtspolitische Emotionen, chinesische Dominanzgelüste, koreanische Minderwertigkeitskomplexe und japanische Abstiegsängste, eine potentiell explosive Mischung. China und Korea paßt antijapanisches Feldgeschrei immer gut, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken: die chinesische Wirtschaft, die zu ungleichmäßig wächst und damit zu hohen sozialen und regionalen Spannungen führt, und die koreanische Wirtschaft, die kaum noch wachsen will und Arbeitslosigkeit produziert. Japans politische Klasse will im Angesicht des wirtschaftlichen und demographischen Abstiegs nicht öffentlich gedemütigt und herumgeschubst werden. Auf den militärischen Rück-halt der USA vertrauend, will es nicht länger zurückrudern.

Neben verschiedenen Grenzstreitigkeiten mit Japan empören sich China und Korea vor allem in unschöner Regelmäßigkeit über die jährlichen Besuche des japanischen Premiers beim Yasukuni-Schrein, wo der 2,5 Millionen japanischen Soldaten, die seit Beginn der Meiji-Zeit 1853 für ihr Land gefallen sind, gedacht wird. An diesem im Zentrum Tokios gelegenen Schrein sind nach Überlieferung des Staatsschinto ihre Seelen beheimatet. Zu diesen Kriegstoten zählen auch die von der Siegerjustiz von 1945 bis 1948 hingerichteten Offiziere, von denen einige für die ihnen zugeschriebenen Kriegsverbrechen vermutlich tatsächlich verantwortlich waren, andere für Übergriffe ihrer Untergebenen büßen mußten. Der zweite Anlaß der lautstarken Proteste sind japanische Geschichtsbücher, die vom Unterrichtsministerium für den Schulgebrauch zugelassen werden. Einige davon stammen von rechten Verlagen und Autoren, die dazu tendieren, die eigenen Untaten während des Kriegs nach Art der Alliierten zu minimieren - die Massaker nach der Eroberung der Südhauptstadt Nanking 1937 werden dann zu "Zwischenfällen" - und zu rechtfertigen: Der Feldzug gegen China wird zur Präventivmaßnahme gegen angloamerikanische Aggressionen, der Angriff auf Pearl Harbour die Antwort auf das alliierte Abschnüren der Ölzufuhr nach Japan. So wurde über das vergangene Wochenende ein kaum benütztes Mittelschulbuch zum Auslöser von Dutzenden "spontaner" antijapanischer Demonstrationen in vier chinesischen Großstädten. Insgesamt 20.000 Demonstranten belagerten japanische Restaurants, Bankfilialen und Supermärkte und bewarfen die von der Polizei ungeschützte Botschaft und Botschafterresidenz mit Steinen, Flaschen und Eiern und verbrannten jede Menge japanischer Fahnen.

Von Japan wird auch von westlichen Medien und Gutmenschen, verlangt, es solle sich für seine historischen Missetaten noch einmal mehr entschuldigen. Das hat es gegenüber China nach offizieller Zählung schon 17mal getan. Aus japanischer Sicht reicht das, auch wenn die Entschuldigungen immer so formuliert sind, daß keine Entschädigungsforderungen abgeleitet werden können, und sie immer so klingen, als bedauere man eigentlich hauptsächlich, den Krieg verloren zu haben. Nach dem ritualisierten Dauermasochismus der neudeutschen Art besteht in Japan kein Bedürfnis. Japan sieht seinen Entschuldigungsbedarf als gedeckt an, zumal es auch von den Alliierten für deren ungesühnte Kriegsverbrechen, die von Massakern an japanischen Zivilisten in China, der Mandschurei, Korea und Sachalin bis zum Brandbombensturm über Tokio und den Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki reichen, nur sehr halblaut gemurmeltes Bedauern zu hören vermag.

Interessant sind auch die stärkeren historischen Kontinuitäten in der politischen Klasse Japans. Die meisten Abgeordneten haben ihre Wahlkreise von ihren Vätern, oft auch schon den Großvätern geerbt. So ist Shinzo Abe, der als Kronprinz von Premier Koizu-mi gehandelt wird, Enkel von Nobusuke Kishi, der in Tojos Kriegskabinett Rüstungsminister und von 1957 bis 60 auch selbst Premierminister war. Dem Enkel des japanischen Albert Speer käme es nie in den Sinn, seinen Großvater öffentlich zu schmähen und sich dabei in dieser konfuzianischen Kultur, die die Ahnen in hohen Ehren hält, selbst zu entehren.

Dabei leistete Japan bislang den stolzen Betrag von 26 Milliarden Euro Entwicklungshilfe an China. Auf Druck der Öffentlichkeit werden diese von China als selbstverständlich angesehenen Transfers jetzt zurück-gefahren, zumal das kommunistische China eine immer stärker antijapanische Politik zu verfolgen scheint. Seit einem Jahrzehnt rüstet es mit zweistelligen Steigerungsraten des Militärhaushaltes auf. Mit seinen aggressiven Ansprüchen auf maßlos erweiterte Seegrenzen - im Südchinesischen Meer über die Spratly Inseln fast bis zum Äquator -, und die Kriegsdrohungen gegen Taiwan bedroht es die Freiheit der Meere und die Schiffahrtslinien aus Europa, dem Nahen Osten und Südasien nach Japan. Sein nordkoreanischer Klientelstaat, dessen Regime mit chinesischen Energie- und Nahrungsmittellieferungen das Überleben gesichert wird, kann mit Pakistan über chinesisches Territorium hinweg ungestört Raketentechnik gegen Nukleartechnologie tauschen. Auch dient die patriotische Erziehung an chinesischen Schulen weiter der antijapanischen Indoktrination. Seit 2001 treffen sich Staats- und Regierungschefs Japans und Chinas nur noch bei internationalen Gipfeln. Und selbst dann werden sie, wie zuletzt beim APEC-Gipfel in Chile im November von chinesischer Seite nur für historische Monologe genutzt. Höhepunkt des gegenseitigen Mißvergnügens ist die kürzliche öffentliche Drohung des chinesischen Ministerpräsidenten, die von Japan - ebenso wie von Deutschland - mit viel Geld seit einem Jahrzehnt verfolgte Mitgliedschaft im Uno-Sicherheitsrat durch ein Veto zu Fall zu bringen.

Aus chinesischer Sicht stehen auf dem japanischen Sündenregister auch die Besuchervisen für den früheren, ersten demokratisch gewählten Präsidenten Taiwans, Lee Teng-hui, der seit seiner Studienzeit in Japan fließend Japanisch spricht, in Tokio einflußreiche Freunde hat und offen die Unabhängigkeit Taiwans betreibt. Dazu wurde Taiwan bei den US-japanischen Verteidigungskonsultationen erstmals offiziell als gemeinsames Sicherheitsinteresse erwähnt. Je militanter China seine "Heim ins Reich"-Drohungen gegenüber Taiwan, das von 1895 bis 1945 eine Musterkolonie Japans war, ausstößt, desto größer werden die japanischen Vorbehalte. Schließlich schnappte sich Japan im Pipeline-Poker mit Putin den Zugang zum sibirischen Öl.

Die historische Rivalität Japans und Chinas wird durch den wachsenden wirtschaftlichen Wettbewerb verschärft. Immer mehr japanische Firmen haben ihre industrielle Fertigung auf das chinesische Festland verlagert. Der bilaterale Handel beträgt deshalb schon mehr als 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Noch beträgt die chinesische Wirtschaftsleistung erst ein Fünftel Japans. Doch Japan stagniert seit mehr als einem Jahrzehnt. Mit seinen überschuldeten öffentlichen Haushalten, blockierten Reformen, seiner rapide alternden Bevölkerung und hedonistischen Jugend ist eine Wende nicht in Sicht. Der Management-Guru Kenichi Omae meinte deshalb, schon in 20 Jahren werde Japan zur "Zehn-Prozent-Nation" - es werde zehn Prozent der Größe, Wirtschaft und des Einflusses von China besitzen, und sich gegenüber China so verhalten wie Kanada gegenüber den USA oder Österreich zu Deutschland.

Das japanische Verteidigungsministerium befürchtet, daß China diesen Machtwechsel in Ostasien militärisch beschleunigen könnte. In seinen Gefährdungsszenarien nimmt es die Besetzung der Sentaku-Inseln und Konflikte um die Erdgasfelder im Ostchinesischen Meer an. Möglicherweise soll ein chinesischer Angriff auf Japan auch die amerikanische Verteidigung Taiwans unmöglich machen. Klar ist, daß europäische Waffenlieferungen an China, um deren Ermöglichung sich der deutsche Bundeskanzler dieser Tage so aggressiv bemüht, ohne Zweifel eine massive Destabilisierung in der ostasiatischen Krisenregion auslösen und die Kriegsgefahr deutlich erhöhen würden. Albrecht Rothacher

Erlaubtes Feindbild: Ohne Angst vor sonst üblichen brutalen Übergriffen durch die Staatsgewalt dürfen chinesische Studenten ihren Unmut über Japan bekunden. Foto: pa


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