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23.04.05 / 60 Jahre danach - kein Grund zu vergessen / Große Gedenkveranstaltung des Bundes der Vertriebenen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. April 2005

60 Jahre danach - kein Grund zu vergessen
Große Gedenkveranstaltung des Bundes der Vertriebenen von Nordrhein-Westfalen mit prominenten Rednern

Die große Gedenkveranstaltung des Bundes der Vertriebenen von Nordrhein-Westfalen zum Thema "60 Jahre Flucht und Vertreibung" führte in demonstrativer Weise Heimatvertriebene und Spitzenpolitiker des Landes zusammen. Der BdV-Landesvorsitzende Hans-Günther Parplies konnte an diesem Tage die Ernte jahrelanger mühsamer Überzeugungsarbeit bei der CDU einfahren, die nicht immer und nicht überall an Rhein und Ruhr offen für die Anliegen der Vertriebenen gewesen war.

Viele der hundert Besucher der Gedenkstunde im Düsseldorfer Gerhart Hauptmann-Haus waren wohl wegen des Vortrages von Prof. Dr. Alfred M. de Zayas gekommen. Der international renommierte amerikanische Historiker und Völkerrechtler, der als Sekretär des UN-Menschenrechtsausschusses und Verfasser grundlegender Untersuchungen der Vertreibungen immer wieder Verharmloser und Geschichtsklitterer mit der schrecklichen Wahrheit der Vertreibungsverbrechen konfrontiert hat, schlug denn auch seine Zuhörer mit überzeugenden Argumenten in Bann. Aber nur wenige Besucher ahnten, daß neben dem Vortrag von de Zayas das Grußwort des Landes- und Fraktionsvorsitzenden der CDU von NRW diese Gedenkstunde zum Politikum machen würde.

Dr. Jürgen Rüttgers MdL, der in Begleitung seines Stellvertreters, des Landesvorsitzenden der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU, Dr. Peter Paziorek MdB, gekommen war, sprach nicht die üblichen Grußwortphrasen. Sein Grußwort war gleichsam ein Schulterschluß mit dem BdV. Denn: Rüttgers brachte jenes "Positionspapier" mit, das die CDU-Landtagsfraktion in Abstimmung mit dem BdV kürzlich beschlossen hat und das künftig die Kulturförderung der Vertriebenen in Nordrhein-Westfalen nach einer Periode rotgrünen Kahlschlags wieder auf eine neue und tragfähige Grundlage stellen soll.

Prof. Alfred de Zayas sagte in seinem Grußwort unter anderem: "Heute gedenken wir Millionen unschuldiger Menschen, die ihr Leben auf der Flucht und bei der Vertreibung verloren haben. Wir gedenken auch der Menschen, die ihre Heimat und ihre Seele zurückließen. ... Vor zehn Jahren hörten die Vertriebenen in der Paulskirche zu Frankfurt am Main die Grußbotschaft des ersten UNO-Hochkommissars für Menschenrechte, José Ayala Lasso: Das Recht, aus der angestammten Heimat nicht vertrieben zu werden, ist ein fundamentales Menschenrecht. Wenn wir jetzt '60 Jahre Vertreibung' gedenken, gedenken wir der deutschen Frauen, Kinder, Greise und Männer, die zur Flucht gezwungen und dann terrorisiert und aus ihrer 700jährigen Heimat vertrieben wurden. Für diese Vertreibung gab es und gibt es keine historische oder moralische Rechtfertigung. Es war keine Strafe für Hitler, denn die polnischen und tschechischen territorialen Ansprüche und Vertreibungsprojekte existierten nachweislich schon seit dem Ersten Weltkrieg. Es war Landraub im großen Stil. Der Zweite Weltkrieg war nicht die Ursache der Vertreibung, sondern hat sie möglich gemacht. ... Wir wollen Verständigung - aber keinen Versöhnungskitsch. Wir wollen Verständigung auf der Basis der Menschenrechte und der historischen Wahrheit."

Dr. Jürgen Rüttgers (Mdl) schloß sich seinem Vorredner an und führte weiter aus: "Mit Macht kehrt die Geschichte zurück. Immer mehr Menschen, vor allem junge Menschen wollen wissen, was damals geschah. Es ist eine Geschichte voller Leid und Elend von Millionen von Menschen. Es ist die Geschichte einer Katastrophe, die die weit ins Mittelalter zurückreichende deutsche Lebensart und Kultur im Osten Europas vernichtet hat. Es ist die Geschichte einer nationalen Tragödie - einer Tragödie aller Deutschen.

Wenn wir uns heute an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor sechzig Jahren erinnern, dann wird uns bewußt, daß wir als Deutsche alle in irgendeiner Form unsere Heimat verloren haben. Der 8. Mai 1945 war zwar der Tag der Befreiung von der furchtbaren Nazi-Diktatur, die unser Land in den totalen Ruin getrieben hat, aber das Kriegsende macht uns auch bewußt, wie viel wir von dem alten Deutschland verloren haben - von dem Deutschland, dessen Städte und dessen Kultur im grauenvollen Bombenhagel und Artilleriefeuer untergingen. Wir würden die Erinnerung an dieses Deutschland nicht aufgeben. Wir würden nicht zulassen, daß der Begriff "Heimat" in Deutschland ein Fremdwort wird! Wir wollen nicht, daß postmoderne Beliebigkeit und Geschichtsvergessenheit die Leistungen und Errungenschaften, aber auch die Leiden und Katastrophen Deutschlands ad acta legen.

Nirgendwo ist dieser Zusammenhang so gebündelt wie beim Schicksal der Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkrieges.... Es geht nicht um Zahlen in unfaßbarer Dimension. Es geht um Schicksale. Es geht um Massaker der Roten Armee wie im ostpreußischen Nemmersdorf, um endlose Todesmärsche in Eis und Schnee, um zerschossene Wagentrecks, um zu Hunderten am Wegesrand erfrorene Kinder, Babys und Alte, um Hundertausende vergewaltigter Frauen, um Tausende in der Ostsee Ertrunkene - es ist ein Grauen, das kaum in Worte zu fassen ist.

Wir dürfen diesen zentralen Teil unserer Geschichte, unserer gemeinsamen europäischen Geschichte nicht tabuisieren. Die Geschichte und Kultur der Vertriebenen muß deshalb in der Öffentlichkeit und in unseren Bildungseinrichtungen wieder mehr Raum und Präsenz finden. Sie ist ein wesentlicher Teil unserer kulturellen und nationalen Identität in einem neu zusammenwachsenden Europa. Gerade die Heimatvertriebenen sind zu Botschaftern dieser gemeinsamen europäischen Identität geworden!

Die Geschichte und Kultur der Vertriebenen ist ein ganz wichtiger Teil unserer Identität hier in Nordrhein-Westfalen. Deshalb nehmen wir das Gedenken an 60 Jahre Flucht und Vertreibung besonders ernst. Deshalb wollen wir, daß die Förderung der Kultur der Vertriebenen eine neue Grundlage erhält, nachdem sie jahrelang von Rot-Grün ausgehöhlt worden ist. Deshalb haben wir in den letzten fünf Jahren dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt und aktuell dazu ein Positionspapier vorgelegt.

Im zusammenwachsenden Europa darf diese tragische Geschichte auch in Zukunft nicht verdrängt werden. Deshalb muß uns die Vergangenheit Verpflichtung für die Zukunft sein. Wenn heute 50 Millionen Menschen in aller Welt auf der Flucht sind, müssen wir alle daran arbeiten, daß Vertreibungen weltweit wirksam bekämpft werden. Dies aber geht nur, wenn man weiß, was geschah. Dazu brauchen wir die Macht der Geschichte."

Auszug aus dem Positionspapier der CDU Nordrhein-Westfalen "zum konkreten Ausbau der Förderung der Kultur der Vertriebenen":

1. Wir wollen, daß die finanzielle Förderung der Kultur der Vertriebenen auf eine breite und verläßliche Basis gestellt wird.

2. Wir wollen, daß die Förderung der Kultur der Vertriebenen nach § 96 BVFG administrativ neu gestaltet wird. Sie muß vom Sozialministerium in das für Kultur zuständige Ministerium verlagert und personell gestärkt werden.

3. Wir wollen, daß sich die Förderung nach § 96 BVFG wieder verstärkt auf Projektmittel konzentriert. Die Projekte sollen dem Erhalt und der Weiterentwicklung der über Jahrhunderte in den früheren deutschen Gebieten gewachsenen kulturellen Traditionen, der Aufbereitung des örtlichen und regionalgeschichtlichen Wissens über die Heimatgebiete der Vertriebenen, dem Erhalt typischer Baudenkmäler und ...der grenzüberschreitenden Verständigungsarbeit mit den heutigen Bewohnern dieser Gebiete ...dienen.

4. Wir wollen, daß das Thema "Flucht und Vertreibung" im europäischen Kontext an allen öffentlichen Schulen Nordrhein-Westfalens stärker vermittelt wird.

5. Wir wollen, daß das Thema "Flucht und Vertreibung" in allen relevanten historischen Kontexten stärker in den Institutionen der Erwachsenenbildung, insbesondere auch bei der Landeszentrale für politische Bildung, Berücksichtigung findet.

6. Wir wollen, daß die wissenschaftliche Forschung zum Thema "Flucht und Vertreibung" im europäischen Kontext intensiv gefördert wird. Dazu gehört neben der Förderung der "Stiftung Ostdeutscher Kulturrat" und der "Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in Bonn auch die Fortführung der Förderung der Forschungsstelle Ostmitteleuropa" an der Universität Dortmund.

7. Wir wollen, daß die europäische Dimension des Themas "Flucht und Vertreibung" in allen Förderformen angemessene Berücksichtigung findet... Die Kulturförderung nach § 96 BVFG muß ihre Brückenfunktion nach Ostmittel- und Osteuropa erfüllen, sie muß zur Vertiefung der europäischen Integration beitragen. Die Entschließung des Bundesrates zur Bildung eines EU-Programms zur Kulturpflege europäischer Vertreibungsgebiete ...verdient alle erdenkliche Unterstützung. Elimar Schubbe

 

Ein Streiter für die Vertriebenen: Prof. Dr. Alfred de Zayas

Tritt in NRW zur Wahl an: Dr. Jürgen Rüttgers Fotos: Göllner


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